Ein Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II, so genanntes Hartz IV), der in der Fahrerkabine eines offenen Pritschenwagens nächtigt, kann dafür keine Kosten der Unterkunft geltend machen kann.

Geklagt hatte ein 60-jähriger Hartz-IV-Empfänger, der seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz ist und nach eigenen Angaben seit 2010 in einem Pritschenwagen nächtigt. Das zuständige Jobcenter ging zunächst davon aus, es handle sich um eine Art Wohnmobil mit geschlossenem Überbau und erstattete dem Kläger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Heizkostenpauschale für die vorhandene Standheizung. Ende 2013 besichtigte das Jobcenter das Fahrzeug und weigerte sich sodann, dem Kläger dafür Unterkunftskosten zu zahlen. In dem offenen Wagen sei ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht gewährleistet. Es fehle an der Vergleichbarkeit mit einer privaten Wohnung, die einen längeren Aufenthalt ermögliche.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der deutsche Sozialstaat verweigere ihm sein menschenwürdiges Existenzminimum. Das Sozialgericht Konstanz hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung blieb erfolglos. Das LSG hat dem Jobcenter in zweiter Instanz ebenfalls Recht gegeben. Der offene Pritschenwagen stelle keine Unterkunft im Sinne des SGB II dar, für die Kosten übernommen werden können. Das Fahrzeug sei lediglich mit einem geschlossenen einreihigen Fahrerhaus ausgestattet, das eine Sitzbank mit drei Sitzplätzen beinhaltet. Eine Rückbank existiere nicht, und die Ladefläche sei offen. Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel sowie ein gewisses Maß an Komfort seien mangels Ausstattung und Platz (insbesondere mangels Möglichkeit zum Stehen) sowie aufgrund deutlicher Einsehbarkeit des Innenbereichs nicht einmal annähernd wie in einer Wohnung möglich. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die Leistungen im SGB II zur Deckung der notwendigen Bedarfe nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016, L 9 AS 5116/15


Das könnte Sie interessieren: