Ein Jobcenter ist berechtigt, einem Hartz-IV-Empfänger Leistungen nur noch in Form eines Darlehens zu bewilligen, wenn dieser aufgrund eines Anspruchs auf einen Pflichterbteil über ausreichend Vermögen verfügt. Dies hält das Sozialgericht (SG) Mainz fest.

Der im Frühjahr 2015 verstorbene Vater des Klägers hatte 1990 mit seiner Ehefrau in einem so genannten Berliner Testament vereinbart, dass zuerst der überlebende Ehegatte Alleinerbe werden soll und erst nach dessen Tod die zwei gemeinsamen Kinder den verbliebenen Nachlass erben. Dem somit zunächst vom Erbe ausgeschlossenen Kläger kam daher ein Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von 1/8 des Nachlasses zu. Der Wert der Erbschaft betrug ungefähr 140.000 Euro, darunter ein Barvermögen von 80.000 Euro. Abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten konnte der Kläger als Pflichtteil circa 16.500 Euro von seiner Mutter verlangen. Dies ist ein Betrag, der deutlich über seinen Vermögensfreibeträgen lag.

Der Kläger war jedoch auch nach Aufforderung durch das Jobcenter nicht bereit, den Anspruch geltend zu machen und wies die Behörde darauf hin, dass er dann aufgrund der üblichen Pflichtteilsstrafklausel beim Tod seiner Mutter vom Erbe vollständig ausgeschlossen sein würde. Im Übrigen habe er Skrupel, den Anspruch gegenüber seiner über 80 Jahre alten, schwer behinderten und pflegebedürftigen Mutter geltend zu machen. Diese müsse jedes Jahr einen Teil ihres Vermögens aufwenden, um ihre Ausgaben zu bestreiten. Normalerweise würde ihr Barvermögen noch einige Jahre ausreichen, zumindest bis zum Erreichen der statistischen Alterserwartung. Würde er jetzt aber seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen, verkürze sich dieser Zeitrahmen. Seine Mutter habe auch angekündigt, den Pflichtteilsanspruch nicht freiwillig auszahlen zu wollen.

Das SG Mainz hat die Entscheidung des Jobcenters bestätigt. Es weist darauf hin, dass das Jobcenter im Fall eines Berliner Testaments von einem Leistungsempfänger grundsätzlich nicht verlangen könne, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Das sei nicht zumutbar, weil damit der ausdrücklich vereinbarte Wille der Eltern unterlaufen würde. Eine Ausnahme gelte jedoch, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden sei, um den ausgeschlossenen Erben auszuzahlen, ohne dass zum Beispiel ein Grundstück verkauft oder beliehen werden müsse. Auch nach den Berechnungen des Klägers würden die Rücklagen der Mutter bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nicht in unmittelbarer Zukunft, sondern erst in einigen Jahren aufgebraucht sein. Über diesen Zeitraum hinweg könne keine sichere Prognose über die finanziellen Entwicklungen gestellt werden, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine besondere Härte und damit eine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme begründen könnte. Im Übrigen könne sich der Kläger auch nicht auf die Pflichtteilsstrafklausel berufen, da völlig unklar sei, wie hoch der zukünftige Nachlass – auf den er dann verzichten müsste – sein werde.

Sozialgericht Mainz, Urteil vom 23.08.2016, S 4 AS 921/15


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