Verhindert eine Mutter durch Geheimhaltung des Namens des Vaters ihrer Tochter, dass Unterhaltsansprüche ihrer minderjährigen Tochter geltend gemacht werden können, wird hierdurch deren Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II nicht ausgeschlossen. Dies hat das Sozialgericht (SG) Speyer entschieden und das zuständige Jobcenter zur Gewährung von Leistungen an die betroffene Tochter verurteilt.

Für einen Leistungsausschluss im Bereich der Existenzsicherung nach dem SGB II sei eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich, argumentiert das Gericht. Der so genannte Grundsatz der Nachrangigkeit von Leistungen nach dem SGB II rechtfertige den Leistungsausschluss im vorliegenden Fall nicht.

Das zuständige Jobcenter verweigerte die Gewährung Leistungen nach dem SGB II an die minderjährige Tochter wegen fehlender Mitwirkung der Mutter. Diese weigerte sich, den Namen des Vaters ihrer Tochter zu nennen und machte die Prüfung von Unterhaltsansprüchen gegen den Kindsvater der Tochter unmöglich. Anhaltspunkte dafür, dass der namentlich nicht bekannte Kindsvater Leistungen für den Unterhalt der Tochter erbringt, sind nicht ersichtlich.

Das angerufene SG Speyer hat die ablehnenden Bescheide aufgehoben und das Jobcenter zur Gewährung von Leistungen verurteilt. Zentrales Element des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II sei die Hilfebedürftigkeit des Leistungsbeziehers. Hilfebedürftigkeit liege gemäß § 9 SGB II vor, wenn jemand seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Hierdurch bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass Leistungen nach dem SGB II nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen könne.

Hierbei sind nach Auffassung des SG Speyer jedoch nur die Leistungen relevant, die tatsächlich zufließen und nicht nur möglicherweise bestehen. Zwar werde im SGB II die Selbstverantwortung des Hilfesuchenden und der Nachrang von Leistungen nach dem SGB II gegenüber anderen Sozialleistungen und Ansprüchen gegen Dritten normiert, die geeignet seien, der Hilfebedürftigkeit entgegenzuwirken. Nach der Überzeugung des Gerichts mangelt es in Bezug auf die vorliegend streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche an einer konkreten gesetzlichen Regelung. Eine solche konkrete gesetzliche Regelung sei jedoch für den Leistungsausschluss im Bereich der Existenzsicherung erforderlich. Die Leistungen nach dem SGB II dienten der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums folge. Bei dem im SGB II verankerten Nachranggrundsatz handele es sich um keine eigenständige Ausschlussnorm.

Abschließend wies das SG darauf hin, dass die Weigerung der Mutter der Klägerin, den Namen des Vaters mitzuteilen, geeignet sei, einen Erstattungsanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens gemäß § 34 Absatz 1 SGB II zu begründen, was aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei und somit nicht berücksichtigt habe werden können.

Sozialgericht Speyer, Urteil vom 25.10.2016, S 6 AS 1011/15, nicht rechtskräftig


Das könnte Sie interessieren: