Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Streit um die Kündigung gut verzinster Bausparverträge durch Bausparkassen zuungunsten der Sparer entschieden. Nach seinen Urteilen in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren können Bausparkassen seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife Bausparverträge kündigen, auch wenn diese noch nicht voll bespart sind. Das Kündigungsrecht ergab sich in den entschiedenen Fällen aus § 489 Absatz 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (jetzt § 489 Absatz 1 Nr. 2 BGB).

Im Verfahren XI ZR 185/16 schloss die Klägerin am 13.09.1978 mit der beklagten Bausparkasse einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 Euro). Der Bausparvertrag war seit dem 01.04.1993 zuteilungsreif. Am 12.01.2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Bausparvertrages unter Berufung auf § 489 Absatz 1 BGB zum 24.07.2015. Die Klägerin meint, dass die Beklagte den Bausparvertrag nicht wirksam habe kündigen können, und begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass der Bausparvertrag nicht durch die erklärte Kündigung beendet worden ist. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil abgeändert und der Klage mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben.

Im Verfahren XI ZR 272/16 schloss die Klägerin gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann, den sie als Alleinerbin beerbt hat, mit der beklagten Bausparkasse am 10.03.1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 160.000 DM (= 81.806,70 Euro) und am 25.03.1999 einen weiteren Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 Euro). Mit Schreiben vom 12.01.2015 kündigte die Beklagte beide Bausparverträge mit Wirkung zum 24.07.2015, nachdem diese seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif waren. Die Klägerin meint, dass die erklärten Kündigungen unwirksam seien, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zustehe. Sie begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass die Bausparverträge nicht durch die Kündigung beendet worden sind. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) das Urteil abgeändert und der Klage mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben.

Der BGH hat in beiden Verfahren auf die Revisionen der Beklagten die Urteile des OLG aufgehoben, soweit zum Nachteil der beklagten Bausparkassen entschieden worden ist, und die erstinstanzlichen Urteile wiederhergestellt. Damit hatten die Klagen keinen Erfolg.

Auf die Bausparverträge sei Darlehensrecht anzuwenden, führt der BGH aus. Denn während der Ansparphase eines Bausparvertrages sei die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens komme es zu einem Rollenwechsel.

Der BGH hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur entschieden, dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Absatz 1 Nr. 3 BGB alter Fassung (a.F.) auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folge nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben solle, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.

Ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur hat der BGH entschieden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Denn mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife habe die Bausparkasse unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck bestehe für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Aufgrund dessen habe er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass der Bausparer verpflichtet sein könne, über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen.

Danach seien Bausparverträge im Regelfall zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündbar. Aus diesem Grunde seien hier die von der beklagten Bausparkasse jeweils mehr als zehn Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife erklärten Kündigungen der Bausparverträge wirksam.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 21.02.2017, XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16


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