Das Jobcenter muss die vollen Kosten einer Wohnung übernehmen, wenn diese von einer Lebensgemeinschaft aus einem Deutschen und einer EU-Ausländerin bewohnt wird und letztere einkommens- und vermögenslos ist. Dies hat das Sozialgericht (SG) Leipzig entschieden und damit eine Ausnahme vom Kopfteilprinzip bei Lebensgemeinschaften zugelassen.

Die Klägerin zu 2) ist ungarische Staatsangehörige und zog unmittelbar nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in die circa 36 Quadratmeter große Einraumwohnung des Klägers zu 1). Dieser ist deutscher Staatsangehöriger, bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und hatte als Mieter für die Wohnung eine monatliche Bruttowarmmiete von 250,59 Euro zu entrichten. Die Klägerin zu 2) verfügte in den ersten sechs Monaten nach ihrer Einreise weder über Einkommen noch über Vermögen; Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) wurden ihr in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erst nach sechs Monaten gewährt. Sie erbrachte in den zuletzt noch streitigen sechs Monaten nach ihrem Einzug keine Zahlungen an den Vermieter oder zum Wohnkostenausgleich an den Kläger zu 1). Diesem wurden durch das Jobcenter Leistungen für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der hälftigen tatsächlichen Aufwendungen bewilligt.

Das SG Leipzig hat das Jobcenter zur Übernahme der vollen Unterkunftskosten zugunsten des Klägers zu 1) verurteilt. Zwar seien nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Regelfall anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutze. Ausnahmen seien jedoch zum Beispiel im Fall der Sanktionierung eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds oder der vorübergehenden Ortsabwesenheit anerkannt. Mit diesen Fällen sei die vorliegende Konstellation vergleichbar. Bei einer Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach Kopfanteilen komme es wegen der damaligen Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Klägerin zu 2) zu einer Bedarfsunterdeckung des Klägers zu 1), dessen menschenwürdiges Existenzminimum nicht mehr gewährleistet sei. Auch sei es ihm nicht zumutbar gewesen, die Kosten für Unterkunft und Heizung vorübergehend zu senken, da angesichts der Größe der von zwei Personen bewohnten Wohnung hier nur ein Wohnungswechsel in Betracht gekommen wäre.

Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 10.10.2016, S 17 AS 1584/13, rechtskräftig


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