Für außergewöhnlich hohe Fahrtkosten zu einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie muss das Jobcenter aufkommen. Das hat das Sozialgericht (SG) Dresden entschieden.

Die 42 Jahre alte Klägerin ist seit 2013 verwitwet. Sie lebt alleinerziehend mit ihrem inzwischen 14 Jahre alten Sohn zusammen und bezieht Arbeitslosengeld II ("Hartz IV"). Beide unterzogen sich nach dem Tod des Ehemannes/Vaters einer ambulanten Psychotherapie. Hierzu mussten sie von ihrem Wohnort im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in die Praxis des Therapeuten fahren. Die Klägerin fuhr zweimal wöchentlich in eine Praxis in Dresden. Ihren Sohn begleitete sie zudem einmal wöchentlich zu dessen Therapeuten. Die Klägerin und ihr Sohn besitzen Monatskarten, die jedoch die Fahrt nach Dresden nicht abdecken. Von April bis September 2014 entstanden der Klägerin zusätzliche Fahrtkosten zu den Therapien in Höhe von knapp 190 Euro. Weitere zusätzliche 36 Euro fielen für die Fahrkarten ihres Sohnes an. Das Jobcenter lehnte eine Erstattung ab.

Das SG Dresden hat der Klage teilweise stattgegeben. Im Regelbedarf bei Erwachsenen für das Jahr 2014 seien 24,62 Euro monatlich für "Verkehr" vorgesehen gewesen. Mit dem Kauf ihrer Monatskarte für 80 Euro habe die Klägerin diesen Betrag bereits deutlich überschritten. Für die zusätzlichen Kosten von über 30 Euro monatlich habe sie nicht mehr selbst aufkommen können. Die Krankenkasse erstatte die Fahrtkosten nicht. Ihren damals zwölf Jahre alten Sohn habe sie auch bei der Fahrt mit mehrmaligem Umsteigen begleiten müssen. Damit habe ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf im Sinne von § 21 Absatz 6 SGB II vorgelegen.

Anders verhält es sich laut SG indes bezüglich der Fahrkarten des Sohnes der Klägerin.

Die gut sechs Euro zusätzlicher Fahrtkosten monatlich hätten noch aus seinem Regelbedarf gedeckt werden können. In der Rechtsprechung habe sich noch keine einheitliche Linie zur Anwendung von § 21 Absatz 6 SGB II herausgebildet. Die Vorschrift gehe zurück auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010. Zur Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum habe der Gesetzgeber für einen über den typischen Bedarf hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen müssen.

Das SG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil zum Sächsischen Landessozialgericht zugelassen.

Sozialgericht Dresden, Urteil vom 12.12.2016, S 3 AS 5728/14, nicht rechtskräftig


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