Der TÜV Rheinland muss einer vom Silikonbrustimplantate-Skandal betroffenen Frau keinen Schadenersatz zahlen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Die Klägerin ließ sich im Dezember 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen, das zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen ist, hergestellt worden waren. 2010 stellte die zuständige französische Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem Qualitätsstandard minderwertiges Industriesilikon verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie begehrt deshalb vom TÜV Rheinland ein Schmerzensgeld nicht unter 40.000 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden.

Silikonbrustimplantate sind Medizinprodukte, die nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn ein Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Verordnung in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte durchgeführt worden ist. Bestandteil dieses Verfahrens ist die Überprüfung des Qualitätssicherungssystems, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung. Diese Aufgaben werden von einer so genannten benannten Stelle durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat. Der in Frankreich ansässige Hersteller beauftragte den TÜV Rheinland als benannte Stelle.

Die Klägerin meint, dass der TÜV seinen Pflichten als benannter Stelle nicht hinreichend nachgekommen sei. Unangemeldete Inspektionen, eine Sichtung der Geschäftsunterlagen und eine Produktprüfung hätten dazu geführt, die Herstellung mittels Industriesilikon zu entdecken und eine Verwendung der Silikonbrustimplantate zu verhindern.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Handhabung der Beklagten, angemeldete Besichtigungen zum Zweck der Überwachung durchzuführen, sei ausreichend gewesen. Verdachtsmomente, die Veranlassung gegen hätten, weitergehende Maßnahmen einzuleiten, hätten nicht vorgelegen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Revision eingelegt.

Der BGH hat mit Beschluss vom 09.04.2015 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG vorgelegt. Dieser hat daraufhin entschieden, dass die Bestimmungen des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.09.2003 geänderten Fassung in Verbindung mit ihrem Artikel 11 Absatz 1 und 10 sowie Artikel 16 Absatz 6 dahin auszulegen sind, dass der benannten Stelle keine generelle Pflicht obliegt, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten (Urteil vom 16.02.2017, C-219/15). Lägen jedoch Hinweise darauf vor, dass ein Medizinprodukt die Anforderungen der Richtlinie 93/42 in der durch die Verordnung geänderten Fassung möglicherweise nicht erfüllt, müsse die benannte Stelle alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihren Verpflichtungen aus Artikel 16 Absatz 6 dieser Richtlinie und den Abschnitten 3.2, 3.3, 4.1 bis 4.3 und 5.1 des Anhangs II der Richtlinie nachzukommen.

Auf dieser Grundlage hatte die Revision der Klägerin keinen Erfolg. Die Beklagte sei nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verpflichtet, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen zu sichten, so der BGH. Denn es hätten keine Hinweise vorgelegen, die darauf hingedeutet hätten, dass möglicherweise die Anforderungen der Richtlinie 93/42/EWG nicht erfüllt waren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2017, VII ZR 36/14


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