Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Voraussetzungen für den Abzug von Unfallkosten

Abziehbar sind Unfallkosten auf einer beruflichen Fahrt

Bei der Frage, ob die Kosten eines Unfalls am eigenen Pkw, Motorrad usw. – meistens ein Verkehrsunfall – als Werbungskosten abziehbar sind, gilt folgender Grundsatz: Unfallkosten teilen steuerrechtlich das Schicksal der Fahrtkosten (BFH-Urteil vom 14.11.1986, VI R 79/83, BStBl. 1987 II S. 275). Das heißt: Sind die Fahrten beruflich veranlasst, sind auch die Kosten eines Unfalls auf dieser Fahrt beruflich verursacht; dagegen sind Kosten eines Unfalls auf einer privaten Fahrt ebenfalls privater Natur. Als Werbungskosten abziehbar sind daher grundsätzlich nur berufsbedingte Unfallkosten, und zwar zusätzlich zur Entfernungspauschale für den Weg zur ersten Tätigkeitsstätte bzw. zur Reisekostenpauschale bei Auswärtstätigkeiten (H 9.5 Pauschale Kilometerkostensätze LStH 2015).

Fahrten im Zusammenhang mit Ihrer beruflichen Tätigkeit sind vor allem:

Eine berufliche Fahrt beginnt mit dem Verlassen der Wohnung und endet erst mit der Rückkehr dorthin. Alle Schäden, die im dazwischen liegenden Zeitraum an Ihrem Kfz entstehen, sind grundsätzlich als Werbungskosten abziehbar. Das gilt auch für die Beschädigung am vor dem Betrieb oder auf einem Firmenparkplatz abgestellten Fahrzeug.

Wann Kosten eines privaten Unfalls steuerwirksam werden

Nicht als Werbungskosten absetzbar sind die bei einem Unfall auf einer privaten Fahrt entstandenen Kosten. Als private Fahrt zählen auch kurze Abstecher aus privaten Gründen auf einer beruflichen Fahrt. Die sozialversicherungsrechtliche Einstufung eines privaten Unfalls durch die Berufsgenossenschaft als Berufsunfall ist steuerrechtlich unerheblich (FG Baden-Württemberg vom 4.11.1998, 12 K 226/95, EFG 1999 S. 219).

Seit 2011 gehen Aufwendungen im Zusammenhang mit (privaten oder beruflichen) Verkehrsunfällen auch nicht mehr in die Gesamtkosten für den tatsächlichen Kilometer-Kostensatz ein.

War die Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, sowohl beruflich als auch privat veranlasst, sind die Unfallkosten nur dann voll abziehbar, wenn der private Grund für die Fahrt von untergeordneter Bedeutung war. Führt der untergeordnete private Grund ausnahmsweise zu erheblichen Unfallkosten (z.B. Gesundheitsschäden bei einer aus privaten Gründen auf eine berufliche Fahrt mitgenommenen Person), darf dieser privat veranlasste Teil der Unfallkosten nicht als Werbungskosten abgesetzt werden (BFH-Urteil vom 1.12.2005, IV R 26/04, BStBl. 2006 II S. 182).

Unfall auf einem Umweg oder bei Unterbrechung der beruflichen Fahrt

Machen Sie auf einer beruflichen Fahrt einen beruflich veranlassten Umweg, sind die auf dem Umweg entstandenen Unfallkosten als Werbungskosten absetzbar. Beruflich bedingt ist etwa:

  • ein Umweg zum Postamt, um Geschäftspost abzuholen oder abzuliefern;

  • ein Umweg zur Tankstelle, um zu tanken oder einen Defekt am Pkw zu beheben, sodass Sie die berufliche Fahrt fortsetzen können (BFH-Urteil vom 11.10.1984, VI R 48/81, BStBl. 1985 II S. 10);

  • ein Umweg aus verkehrstechnischen Gründen, etwa zum Umfahren von Staus, Baustellen oder anderen Verkehrsbehinderungen (FG Saarland vom 9.11.1989, 2 K 138/87, EFG 1990 S. 303);

  • ein Umweg, um bei Fahrgemeinschaften die Mitfahrer abzuholen (H 9.10 Unfallschäden LStH 2015).

Dagegen ist bei einem Umweg aus privaten Gründen die Fahrt nur bis zum Beginn des Umwegs und erst nach dessen Beendigung wieder beruflich veranlasst. Ein Unfall auf der Umwegstrecke ist dann ein Unfall auf privater Fahrt. Private Gründe sind zum Beispiel, wenn Sie abends auf der Heimfahrt von der Arbeit noch zum Supermarkt abbiegen, morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Abstecher zum Kinderhort machen, um Ihr Kind abzugeben (BFH-Urteil vom 13.3.1996, VI R 94/95, BStBl. 1996 II S. 375), auf einer beruflichen Fahrt einen Umweg zum Friseur, Arzt usw. machen oder einen beruflich nicht erforderlichen Umweg zum Tanken einlegen (FG Saarland vom 13.9.2005, 1 K 189/01 ) oder um eine Zeitung zu kaufen (FG München vom 12.6.2002, 1 K 49/01 ).

Wenn Sie bei einer Auswärtstätigkeit dagegen eine nahe gelegene Gaststätte aufsuchen und sich auf einer solchen mittäglichen Essensfahrt ein Unfall ereignet, handelt es sich um einen Unfall auf beruflicher Fahrt (BFH-Urteil vom 18.12.1981, VI R 201/78, BStBl. 1982 II S. 261). Ein Unfall auf dem Weg von der ersten Tätigkeitsstätte zu einer Gaststätte oder nach Hause zum Mittagessen ist jedoch privat veranlasst (FG Nürnberg vom 16.2.1993, II (V) 26/92, EFG 1993 S. 572; FG Düsseldorf vom 17.3.1993, 13 K 726/89 E, EFG 1993 S. 571).

Wird eine berufliche Fahrt für private Angelegenheiten unterbrochen (z.B. für einen Abstecher zur Stammkneipe, zu Bekannten oder zum Fitness-Studio), kann ab einer gewissen Dauer der Unterbrechung die Fortsetzung der Fahrt auf der normalen Fahrtstrecke als nicht mehr beruflich, sondern privat veranlasst gelten (FG Hamburg vom 25.5.1983, I 15/82, EFG 1984 S. 25: Teilnahme an einer Privatfeier im Betrieb mit Unfall auf der Heimfahrt; FG Berlin vom 19.3.1987, EFG 1987 S. 400: Freiwillige Teilnahme an einer Betriebssportveranstaltung nach der Arbeitszeit).

Wird eine Fahrt zur Arbeitsstätte aus privaten Gründen nicht von der eigenen Wohnung, sondern von einem anderen Ort aus angetreten, so ist sie nicht beruflich veranlasst (H 9.10 Unfallschäden LStH 2015).

Eigenes Verschulden

Die Verschuldensfrage bei einem Verkehrsunfall spielt bei der Absetzbarkeit der Unfallkosten keine Rolle, sodass Sie Ihre Unfallkosten auch dann steuerlich absetzen können, wenn Sie den Unfall verursacht haben und Ihre Kfz-Versicherung deshalb die Schadensregulierung ablehnt (BFH-Urteil vom 28.11.1977, GrS 2-3/77, BStBl. 1978 II S. 105). Daran ändert sich auch nichts, wenn Sie wegen Ihres Verschuldens eine Geldbuße oder Geldstrafe zahlen müssen (BFH-Urteil vom 14.8.1970, VI R 70/69, BStBl. 1970 II S. 765).

Mit einer Ablehnung des Werbungskostenabzugs seitens des Finanzamtes müssen Sie aber rechnen, wenn unfallverursachend Alkohol im Spiel war (BFH-Urteil vom 6.4.1984, VI R 103/79, BStBl. 1984 II S. 434; BFH-Urteil vom 24.5.2007, VI R 73/05, BStBl. 2007 II S. 766) oder Ihr zum Unfall führendes Verhalten nicht mehr im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung lag (etwa weil Sie absichtlich einen anderen Verkehrsteilnehmer gerammt haben).

Welche Kosten sind abziehbar?

Unfallbedingte Ausgaben müssen Sie immer im Jahr der Zahlung steuerlich geltend machen. Das kann das Unfalljahr sein oder auch das folgende Jahr. Das gilt ebenfalls, wenn Sie zur Bezahlung einen Kredit aufnehmen. Eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) muss dagegen unbedingt im Unfalljahr geltend gemacht werden.

Bei Ehegatten spielt es wegen der bestehenden Wirtschaftsgemeinschaft keine Rolle, wem der Wagen gehört und wer ihn zum Unfallzeitpunkt gefahren hat. Verursachen Sie also mit dem Pkw Ihres Ehegatten auf der Fahrt zu Ihrer Arbeitsstätte einen Unfall, können Sie den Schaden als Ihre Werbungskosten absetzen.

Reparaturkosten

Reparaturkosten am eigenen Fahrzeug, die Sie selbst bezahlt haben, können Sie in voller Höhe als Werbungskosten absetzen. Haben Sie selbst repariert, sind nur Ihre Aufwendungen für Material, Ersatzteile usw. absetzbar, nicht aber Ihre eigene Arbeitsleistung. Bei einem beruflichen Unfall mit einem geliehenen Fahrzeug sind Ihre eigenen Reparaturkosten oder an den Eigentümer geleisteter Schadenersatz ebenfalls Werbungskosten.

Nimmt die eigene Vollkaskoversicherung (bei selbstverschuldetem Unfall) oder die gegnerische Haftpflichtversicherung (bei fremdverschuldetem Unfall) von Ihrer Reparaturrechnung einen Abzug Neu für Alt vor, dann können Sie diese nicht ersetzten Kosten als Ihre Werbungskosten geltend machen (FG Saarland vom 28.5.1991, 1 K 106/90).

Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung

Falls Sie im Unfalljahr keine Reparatur an Ihrem Auto haben durchführen lassen, etwa weil der Schaden nur geringfügig war (Bagatellschaden) oder sich die Reparatur nicht mehr gelohnt hat (wegen Totalschadens), machen Sie eine sog. Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung (AfaA) als Werbungskosten geltend. Die AfaA müssen Sie unbedingt im Jahr des Unfalls steuerlich geltend machen (BFH-Urteil vom 13.3.1998, VI R 27/97, BStBl. 1998 II S. 443). Bei einem Unfall mit einem geliehenen Fahrzeug ist jedoch eine AfaA weder bei Ihnen noch beim Eigentümer absetzbar, außer es handelte sich um das Kfz Ihres Ehegatten.

Die AfaA ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem steuerlichen Restbuchwert vor dem Unfall (Anschaffungskosten abzüglich bisherige monatsgenaue Abschreibungen) und dem Zeitwert (Verkehrswert) nach dem Unfall. Die AfaA berechnen Sie mit dem Programm im Dialog Unfallkosten.

Während der BFH von einer Regel-Nutzungsdauer von acht Jahren ausgeht (BFH-Urteil vom 8.4.2008, VIII R 64/06, BFH/NV 2008 S. 1660), setzt die Finanzverwaltung die normale Abschreibungsdauer eines neu gekauften Pkw bei sechs Jahren an (BMF-Schreiben vom 15.12.2000, BStBl. 2000 I S. 1532). Bei einem Gebrauchtwagen ist jedoch die geschätzte Restnutzungsdauer zugrunde zu legen. Ist das Unfallfahrzeug bereits vollständig abgeschrieben, gibt es keinen Restbuchwert mehr und damit auch keine AfaA (H 9.10 Unfallschäden LStH 2015). In diesem Fall können Sie leider nicht anstelle des Buchwerts den (höheren) Zeitwert vor dem Unfall ansetzen, um doch noch zu einer AfaA zu kommen (BFH-Urteil vom 21.8.2012, VIII R 33/09, BStBl. 2013 II S. 171).

Bei durchgeführter Reparatur können Sie neben den Reparaturkosten zusätzlich noch eine AfaA geltend machen, wenn die Reparatur des Unfallwagens mangelhaft oder nur provisorisch durchgeführt wurde oder eine ordnungsgemäße Reparatur aus technischen Gründen nicht mehr vollständig möglich ist. Ein merkantiler Minderwert – also die niedrigere Bewertung eines reparierten Fahrzeugs beim Verkauf – ist nicht abziehbar (H 9.10 Unfallschäden LStH 2015).

Falls Sie die Reparatur erst im Jahr nach dem Schadenseintritt ausführen lassen oder selbst vornehmen, müssen Sie die AfaA im Schadensjahr geltend machen. Kostet die Reparatur im nächsten Jahr dann mehr als die im Vorjahr geltend gemachte AfaA, setzen Sie die Differenz als Werbungskosten ab; kostet sie weniger, brauchen Sie die höhere AfaA des Vorjahres nicht zu korrigieren.

Sonstige Kosten

Als Werbungskosten geltend machen können Sie auch andere Unfallkosten und Folgekosten wie Schadenersatzleistungen an den Unfallgegner, Krankheitskosten, Anwalts-, Gutachter- und Prozesskosten, Mietwagenkosten während der Reparatur des eigenen Wagens, Selbstbeteiligung in der Kaskoversicherung, nicht dagegen die in den Folgejahren evtl. erhöhten Beiträge für die Kfz-Versicherung. Schäden an eigenen Sachen sind abziehbar, wenn der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht allzu entfernt ist und der Schaden als Unfallfolge eingetreten ist (BFH-Urteil vom 4.7.1986, VI R 227/83, BStBl. 1986 II S. 771). Näheres zu Geldbußen im Kapitel .

Erstattungen der Unfallkosten

Erstattungsleistungen von dritter Seite (von Versicherungen, vom Unfallgegner, vom Arbeitgeber) müssen Sie nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG

  • von den Unfallkosten abziehen, wenn Sie die Erstattung im Jahr des Unfalls bzw. im Jahr der Zahlung der Unfallkosten erhalten haben.

  • als Einnahme versteuern, wenn Sie die Erstattung erst in einem späteren Jahr erhalten (z.B. weil sich die Schadensregulierung hinzieht). Die Erstattung ist später nur bis zu der Höhe, in der die Unfallkosten als Werbungskosten anerkannt wurden, anzusetzen. Es empfiehlt sich, die Erstattung von den dann geltend gemachten Werbungskosten abzuziehen.

Ereignete sich Ihr Unfall mit dem eigenen Pkw während einer beruflichen Auswärtstätigkeit, kann Ihr Arbeitgeber Ihnen die Unfallkosten in voller Höhe steuerfrei ersetzen (§ 3 Nr. 16 EStG). Passierte der Unfall dagegen während einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder während einer Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, liegen nicht absetzbare Unfallkosten vor, deren Erstattung durch den Arbeitgeber zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt.

Trägt der Arbeitgeber Aufwendungen für einen Unfall mit einem Firmenwagen, brauchen Sie nichts zu versteuern, wenn Sie ihm gegenüber wegen des Unfalls nicht schadensersatzpflichtig sind (etwa weil der Unfallgegner schuld ist) oder weil sich der Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt ereignet hat (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 16 LStR 2015).

Wenn die Versicherung im Falle eines Totalschadens den Zeitwert des Wagens voll ersetzt und der Zeitwert unter dem steuerlichen Buchwert liegt, können Sie die verbleibende Differenz als Werbungskosten geltend machen (BFH-Urteil vom 24.11.1994, BStBl. 1995 II S. 318). Schmerzensgeld, Ersatz für Verdienstausfall (BFH-Urteil vom 13.4.1976, BStBl. 1976 II S. 694) und eine von der gegnerischen Haftpflichtversicherung gezahlte Nutzungsausfallentschädigung bei Verzicht auf einen Mietwagen (FG Hamburg vom 22.5.1992, III 72/90, EFG 1992 S. 735) sind nicht anzurechnen.