Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Ehrenamtliche Tätigkeit im öffentlichen Bereich

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten im öffentlichen, insbesondere kommunalen Bereich, die überwiegend als sonstige selbstständige Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen werden, können steuerfrei sein.

Voraussetzungen für Steuerfreiheit (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG)

1. Bedingung: Bezüge sind steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende (hoheitliche Aufgaben wahrnehmende) Personen gezahlt werden und als solche in einem Haushaltsplan ausgewiesen sind.

2. Bedingung: Die Bezüge dürfen nicht für Verdienstausfall oder Zeitverlust oder zur Abgeltung eines Haftungsrisikos gewährt werden oder den Aufwand des Empfängers offenbar übersteigen.

Steuerbegünstigt sind zum Beispiel eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Berufskammer (z.B. als Mitglied eines Prüfungsausschusses der IHK), als kommunaler Mandatsträger (z.B. Gemeinderat, Stadtrat, Kreisrat), die Teilnahme kommunaler Beamter an Sitzungen der Gemeinde- und Kreistage, als kommunaler Forstbediensteter; als Mitglied eines Aufsichtsrates oder Verwaltungsrates im öffentlichen Bereich wie z.B. Rundfunk-, Fernseh- oder Verwaltungsrat bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt, als Mitglied von Gutachterausschüssen i. S. des Bundesbaugesetzes, als Versichertenältester oder Vertrauensmann bei den Sozialversicherungsträgern, als ehrenamtlicher Richter bzw. Schöffe, als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks (THW), als Landschaftswart, Büchereileiter, Frauenbeauftragte in der Gemeinde, als Prädikant oder Lektor bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, als Erhebungsbeauftragter (Interviewer) für den 2011 durchgeführten Zensus, als ehrenamtliches Vorstandsmitglied eines Versorgungswerks, das sich als juristische Person des öffentlichen Rechts auf die Gewährleistung der Versorgung für seine Zwangsmitglieder beschränkt (BFH-Urteil vom 27.8.2013, VIII R 34/11, BStBl. 2014 II S. 248).

Nicht begünstigt im Sinne von § 3 Nr. 12 EStG sind beispielsweise die ehrenamtliche Tätigkeit für eine Wohltätigkeitsorganisation wie etwa Deutsches Rotes Kreuz, Caritas oder Arbeiterwohlfahrt, da es sich nicht um öffentliche Kassen handelt, ferner die Tätigkeit als Betreuer der Rechtsfürsorge gemäߧ 1896 BGB, da es sich nicht um öffentliche Dienste handelt, und Aufwandsentschädigungen kommunaler Spitzenverbände (Städte- und Gemeindeverbände sowie Landkreistage) ihre Arbeitnehmer.

Die Aufwandsentschädigungen sind nur steuerfrei, wenn sie die durch das Ehrenamt entstandenen abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten ersetzen. Dazu zählen insbesondere Fahrt- und Verpflegungskosten, Kosten für Telefon, Büromaterial usw. Entschädigungen, die den tatsächlichen Aufwand des ehrenamtlich Tätigen offenbar übersteigen, sind aber nicht steuerfrei (R 3.12 Abs. 2 LStR 2015).

Die Finanzämter sollen grundsätzlich überprüfen, wofür die Aufwandsentschädigungen gezahlt wurden. Aus Vereinfachungsgründen hat die Finanzverwaltung jedoch eine allgemein gültige Schätzungsrichtlinie erlassen, die pauschal die gesamte gezahlte Aufwandsentschädigung in einen steuerpflichtigen Teil (zur Abgeltung des Zeitaufwands usw.) und einen steuerfreien Teil (zur Abgeltung tatsächlich entstandener Aufwendungen) aufspaltet.

Schätzungsrichtlinie (R 3.12 Abs. 3 LStR 2015)

Bei ehrenamtlicher Tätigkeit bleiben von der aus einer öffentlichen Kasse aufgrund einer Verwaltungsregelung gezahlten Aufwandsentschädigung grundsätzlich 200,00 € monatlich steuerfrei bzw. 2.400,00 € p.a. Ist die gezahlte Entschädigung niedriger, ist sie ganz steuerfrei.

Bei einer durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmten, aus öffentlichen Kassen gezahlten Entschädigung bleibt ein Drittel steuerfrei, wenn dies betragsmäßig höher ist.

Angefangene Kalendermonate zählen als volle Monate, sodass auch bei einer z.B. nur 14-tägigen ehrenamtlichen Tätigkeit mindestens 200,00 € steuerfrei bleiben können. Werden Ihnen Aufwandsentschädigungen in monatlich unterschiedlicher Höhe gezahlt und dadurch der steuerfreie Betrag in einzelnen Monaten nicht ausgeschöpft, ist die Nachholung nicht ausgeschöpfter Monatsbeträge in anderen Monaten desselben Kalenderjahres zulässig (Koordinierter Ländererlass vom 15.10.2002, BStBl. 2002 I S. 993).

Sind Sie für verschiedene Körperschaften des öffentlichen Rechts ehrenamtlich tätig (z.B. gleichzeitig bei der Gemeinde und bei Ihrer Berufskammer), so vervielfältigen sich die Steuerfreibeträge (R 3.12 Abs. 3 Satz 5 LStR 2015).

Nach § 3 Nr. 13 EStG bleiben die aus öffentlichen Kassen zusätzlich gezahlten Reisekostenvergütungen steuerfrei. Dazu gehören Kilometergelder, Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten. Rechnen Sie also aus Ihrer Aufwandsentschädigung zunächst die Reisekostenvergütungen heraus. Erst dann wenden Sie auf die verbliebene Aufwandsentschädigung die Schätzungsrichtlinie an. Ob die Reisekosten, die die Vergütung übersteigen, als Werbungskosten abgesetzt werden können, muss der BFH noch beantworten (Az. VI R 23/15).

Sie können jederzeit die Höhe Ihrer tatsächlichen gesamten Aufwendungen nachweisen, wenn Sie dabei besser wegkommen als bei der pauschalen Ermittlung. Dann ist der die Aufwandsentschädigung übersteigende Aufwand als Betriebsausgaben absetzbar (R 3.12 Abs. 4 Satz 3 LStR 2015).

Die Schätzungsrichtlinie kommt nicht zur Anwendung, wenn von der zahlenden Organisation festgelegt ist, welcher Betrag als Aufwandsersatz und welcher als Ersatz für Verdienstausfall oder Zeitaufwand gezahlt wird.

Für kommunale Mandatsträger (Gemeinderäte, Stadträte, Kreisräte, ehrenamtliche Bürgermeister usw.), die in größeren Gemeinden meist höhere Aufwendungen haben, wurden in einem bundeseinheitlichen Erlass abweichende steuerfreie Pauschbeträge nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG festgelegt (Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 19.8.2009StEd S. 700). Dieser sog. Ratsherrenerlass hat Vorrang vor der Schätzungsrichtlinie, wenn er günstiger ist.

Der Gewinn ist in der Anlage S in die Zeile Gewinn aus sonstiger selbstständiger Arbeit einzutragen. Zusätzlich gehört in die letzte Zeile Einnahmen aus der nebenberuflichen Tätigkeit als ... der erhaltene Gesamtbetrag, die steuerfreie Aufwandsentschädigung und die Differenz als steuerpflichtiger Restbetrag.

Neben der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG kann auch der Übungsleiter-Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG gewährt werden. Ein Beispiel wäre ein Stadtbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr, der zusätzlich noch als Ausbilder tätig ist.

Ehrenamtliche Tätigkeit im privaten Bereich

Ehrenamtliche Engagements in gemeinnützigen Vereinen und karitativen Organisationen können nicht nur mit der Übungsleiterpauschale, sondern auch mit der Ehrenamtspauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG steuerbegünstigt sein. Die Ehrenamtspauschale beträgt 720,00 € pro Jahr bzw. 60,00 € pro Monat und wird nur bei tatsächlicher Zahlung einer Aufwandsentschädigung gewährt (BFH-Beschluss vom 25.4.2012, VIII B 202/11, BFH/NV 2012 S. 1330). Die Zahlung von Aufwandsersatz an einen ehrenamtlichen Vorstand ist ohne Satzungsregelung steuerbegünstigt, die Zahlung einer Tätigkeitsvergütung dagegen nur mit Satzungsregelung (BMF-Schreiben vom 21.11.2014, BStBl. 2014 I S. 1581Punkt 1).

Die Ehrenamtspauschale gibt es nicht, wenn Ihre (nicht eine andere) Tätigkeit nach § 3 Nr. 12, 26 oder 26b EStG steuerbegünstigt ist. Sie wird auch bei mehreren begünstigten Tätigkeiten nur einmal gewährt und ist als Jahresbetrag nicht zeitanteilig aufzuteilen, wenn Sie nicht das ganze Jahr über tätig sind (BMF-Schreiben vom 21.11.2014, BStBl. 2014 I S. 1581Punkt 7).

Begünstigt sind nebenberufliche Tätigkeiten für die gleichen Organisationen wie bei der Übungsleiterpauschale, wobei aber die Ehrenamtspauschale nicht auf pädagogische, pflegerische oder künstlerische Tätigkeiten beschränkt ist. Sie kommt damit insbesondere angestellten oder selbstständigen Vorständen, Verwaltungshelfern, Kassierern, Buchhaltern, Gerätewarten und Reinigungskräften bei Vereinen oder Wohlfahrtsorganisationen, Tierpflegern in einem Tierheim, Schiedsrichtern im Amateursport zugute, nicht aber Amateursportlern.

Frau Bottermann arbeitet in ihrer Freizeit stundenweise als selbstständige Buchhalterin bei UNICEF. Sie macht dies ehrenamtlich und erhält dafür eine kleine Aufwandsentschädigung von 100,00 € pro Monat. Sie kann von ihren Jahreseinnahmen von 1.200,00 € den Freibetrag von 720,00 € abziehen und muss daher nur noch 480,00 € versteuern. Sie muss die Anlage S ausfüllen. Bei Verwendung der Anlage EÜR ist der Freibetrag auch in die dortige Zeile 23 einzutragen.

Hinsichtlich Lohnsteuerabzug, Arbeitnehmer-Pauschbetrag sowie Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben gelten die Ausführungen zur Übungsleiterpauschale entsprechend. Die Ehrenamtspauschale ist beitragsfrei in der Sozialversicherung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV).

Dem ehrenamtlich Tätigen können seine Aufwendungen wie bei Auswärtstätigkeit neben der Pauschale vom Verein steuerfrei erstattet werden. Um die Vereinskasse zu entlasten, können Sie auch auf Ihre Aufwandsentschädigung in Höhe von 720,00 € verzichten und dafür eine Zuwendungsbestätigung vom Verein erhalten (absetzbare Aufwandsspende).