Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Merkmale gewerblicher Tätigkeit

Gewerbetreibender sind Sie nur dann, wenn klar ist, dass Sie Ihre Tätigkeit selbstständig und nachhaltig ausüben. Ob es sich dann um eine Nebentätigkeit oder Haupttätigkeit handelt, spielt steuerlich keine Rolle.

Abgrenzung zu den anderen Gewinneinkünften

Liegt bei Ihnen Selbstständigkeit vor, dann müssen weitere Unterscheidungen getroffen werden, denn das Einkommensteuergesetz kennt drei verschiedene Arten von Gewinneinkünften: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13, § 13a EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und Einkünfte aus freiberuflicher (selbstständiger) Tätigkeit (§ 18 EStG).

Sofern Sie sich mit Gewinnerzielungsabsicht (Anfangsverluste in den ersten Jahren schaden nicht) und nachhaltig (d.h. mit Wiederholungsabsicht) wirtschaftlich betätigen und Ihre Einkünfte weder dem land- und forstwirtschaftlichen noch dem freiberuflichen Bereich zugeordnet werden können, gehen Sie einer gewerblichen Tätigkeit nach. Dabei kommen die Finanzgerichte oft auch zu unterschiedlichen Ergebnissen (z.B. Fremdenführer: gewerblich gemäß BFH-Urteil vom 9.7.1986, I R 85/83, BStBl. 1986 II S. 851; Reiseleiter: freiberuflich gemäß FG Hamburg vom 29.6.2005, II 402/03, DStRE 2005 S. 1442).

Bei einer gemischten Tätigkeit (teils gewerblich, teils freiberuflich) eines Einzelunternehmers müssen die Einkünfte notfalls per Schätzung aufgeteilt werden; eine getrennte Buchführung ist nicht zwingend erforderlich (BFH-Urteil vom 8.10.2008, VIII R 53/07, BStBl. 2009 II S. 143). Wenn eine Aufteilung nicht möglich ist und das gewerbliche Element überwiegt, führt die gemischte Tätigkeit insgesamt zu gewerblichen Einkünften (z.B. Autoren mit Selbstverlag).

Dagegen wird eine aus Freiberuflern bestehende Personengesellschaft (z.B. Anwalts-Sozietät, Architekten-GbR, Arztpraxis), die gewerbliche Nebeneinnahmen erzielt, trotzdem insgesamt zum Gewerbebetrieb (Abfärberegelung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Unschädlich ist nur ein ganz geringer Anteil gewerblicher Umsätze am Gesamtumsatz. Es färbt auch ab, wenn nur ein Gesellschafter kein Freiberufler ist (BFH-Urteil vom 28.10.2008, VIII R 69/06, BStBl. 2009 II S. 642).

Die wichtigsten gewerblichen Berufe

Zu den gewerblichen Tätigkeiten gehören vor allem:

  • jede Art von Handel (Versandhandel, Ladenverkauf, Wochenmarkt usw.);

  • Vertretertätigkeit (Handels-, Versicherungs-, Bausparkassenvertreter);

  • Vermittlungstätigkeit (Immobilien-, Finanz-, Versicherungsmakler);

  • Berater in Geld- und Vermögensangelegenheiten (Anlage-, Finanz-, Kredit-, Vermögensberater);

  • EDV-Berater (kann ausnahmsweise aber auch freiberufliche Tätigkeit sein);

  • alle handwerklichen Berufe (Kfz-Mechaniker, Bäcker, Fotograf usw.);

  • Zahntechniker;

  • Gastronomie und Hotellerie (Café, Restaurant, Bistro, Imbissstand, Kiosk, Pension, Hotel, Altenheim);

  • Außerdem erzielen alle Kapitalgesellschaften (also vor allem eine GmbH) bereits aufgrund ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte;

  • das Betreiben einer Fotovoltaikanlage mit Stromeinspeisung ins Netz;

  • die Beteiligung an einem gewerblich tätigen geschlossenen Fonds;

  • Einkünfte aus selbstständig ausgeübter Prostitution (BFH-Beschluss vom 20.2.2013, GrS 1/12, BStBl. 2013 II S. 441);

  • die Tätigkeit als Schiedsrichter oder -Assistent auf internationaler Ebene (Verfügung der OFD Frankfurt vom 24.4.2012StEd S. 345).

So werden Gewerbetreibende besteuert

Für Gewerbetreibende und Freiberufler gelten im Prinzip die gleichen Gewinnermittlungsvorschriften (vor allem §§ 4–7 EStG). Ab einer bestimmten Betriebsgröße gibt es für Gewerbetreibende jedoch spezielle Regelungen.

Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder Bilanz?

Sie haben zwei grundverschiedene Möglichkeiten, die Einkünfte (Gewinn oder Verlust) aus Ihrer gewerblichen Tätigkeit zu ermitteln:

  • Sie erstellen eine doppelte Buchführung mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG). Diese ist zwingend vorgeschrieben, wenn Ihr Gewinn die Grenze von 50.000,00 € (ab 2016: 60.000,00 €) übersteigt oder Ihr Netto-Jahresumsatz über 500.000,00 € (ab 2016: 600.000,00 €) liegt (§ 141 AO). Die Grenzen gelten für Umsatz und Gewinn des einzelnen Betriebs. Die Finanzämter dürfen Unternehmen bereits 2015 nach Verabschiedung der Gesetzesänderung nicht mehr zur Buchführung auffordern, wenn diese zwar die alten, nicht aber die neuen Grenzen überschreiten.

  • Sie ermitteln Ihren Gewinn durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Diese Möglichkeit haben kleinere Gewerbetreibende.

  • Wer als Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist (z.B. als GmbH), wird nach den Vorschriften des HGB buchführungspflichtig – und damit entsteht auch steuerrechtlich die Verpflichtung, den Gewinn über eine Bilanz zu ermitteln (§ 140 AO).

Beim Überschreiten der Umsatz- oder Gewinngrenze müssen Sie erst dann zur Bilanzierung übergehen, wenn Sie vom Finanzamt zur Buchführung ab Beginn des folgenden Jahres aufgefordert werden (§ 143 Abs. 3 AO), meist zusammen mit dem Einkommensteuerbescheid. Unternehmer können auch nach Ablauf des Jahres zwischen beiden Arten der Gewinnermittlung wählen; das Erstellen einer Eröffnungsbilanz oder einer doppelten Buchführung am Jahresanfang ist unschädlich (BFH-Urteil vom 19.3.2009, IV R 57/07, DStR 2009 S. 1252). Aufgrund der Bilanzierungsvorschriften kann sich ein ganz anderer Gewinn ergeben als bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung.

Das Grundprinzip einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist einfach:

Betriebseinnahmen

./.

Betriebsausgaben

=

Gewinn oder Verlust

Der Gewinn oder Verlust aus Ihrer gewerblichen Tätigkeit wird in der Anlage G auf der Vorderseite eingetragen.

Betriebseröffnung und Betriebsaufgabe

Gewerbetreibende müssen im Gegensatz zu Freiberuflern die Eröffnung ihres Betriebes bei der Gemeinde anmelden (§ 14 GewO), weil sie der Gewerbesteuer unterliegen. Die Anmeldung muss innerhalb eines Monats erfolgen (§ 138 Abs. 3 AO). Die Gemeinde leitet dann die Daten an das Finanzamt weiter. Anlaufverluste sind bei einer neuen gewerblichen Tätigkeit völlig normal und werden während der ersten paar Jahre vom Finanzamt auch meistens problemlos im Steuerbescheid berücksichtigt. Bei Dauerverlusten kann es jedoch Probleme mit der Anerkennung geben.

Bei Betriebsverkauf/Betriebsaufgabe ist der Veräußerungs-/Aufgabegewinn steuerlich begünstigt, wenn die Tätigkeit tatsächlich beendet wird. Wird der Verkäufer des Betriebs als Berater für den Erwerber weiterhin tätig, ist dies aber unschädlich (BFH-Urteil vom 17.7.2008, X R 40/07, BStBl. 2009 II S. 43):

  • Hat der Unternehmer das 55. Lebensjahr vollendet oder liegt eine dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne bereits im Zeitpunkt (nicht nur im Jahr) des Verkaufs bzw. der Aufgabe des Betriebs vor (BFH-Urteil vom 28.11.2007, X R 12/07, BStBl. 2008 II S. 193), bleibt ein Veräußerungs-/Aufgabegewinn bis zu 45.000,00 € steuerfrei (§ 16 Abs. 4 EStG). Diesen Freibetrag müssen Sie in der Anlage G beantragen. Die Berufsunfähigkeit muss nicht ursächlich für die Betriebsaufgabe sein (R 16 Abs. 14 Satz 3 EStR 2012).

  • Den Freibetrag gibt es nur einmal im Leben (gerechnet ab 1996). Erstreckt sich die Betriebsaufgabe über zwei Kalenderjahre, gibt es den Freibetrag trotzdem nur einmal (BMF-Schreiben vom 20.12.2005, BStBl. 2006 I S. 7). Übersteigt der Veräußerungs-/Aufgabegewinn 136.000,00 €, wird der Freibetrag um den übersteigenden Betrag gekürzt.

  • Der den Freibetrag übersteigende Teil des Gewinns wird gemäß § 34 Abs. 3 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes besteuert (nur einmal im Leben, ausgenommen Anträge vor 2001) – mindestens aber mit dem Eingangssteuersatz – oder wahlweise nach der Fünftelregelung . Haben Sie keinen Anspruch auf Freibetrag und ermäßigten Steuersatz, unterliegt der ganze Verkaufs-/Aufgabegewinn der Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG).

Den Freibetrag gibt es auch für die Rückgabe eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft (OHG, KG, GbR), die gewerblich tätig ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Davon profitieren z.B. Anleger in geschlossenen Fonds.

Veräußert ein Mitunternehmer seinen Anteil an einer Personengesellschaft, muss der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert werden, da Gewinne aus der Veräußerung von Teilen eines Mitunternehmeranteils nicht steuerbegünstigt sind (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Bei Verkauf einer mindestens 1 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) unterliegt seit 2011 ein Veräußerungsverlust nach § 17 EStG dem Teileinkünfteverfahren gemäß § 3c Abs. 2 EStG (nur 60 % absetzbar) auch dann, wenn mit der Beteiligung lediglich eine Einnahmenerzielungsabsicht verfolgt wird. Ob tatsächlich Einnahmen erzielt wurden, spielt keine Rolle. Die Verlustfeststellung bei einer zahlungsunfähigen GmbH müssen Gesellschafter bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht erst bei Abschluss der Liquidation beantragen, wenn der Beteiligungsverlust bereits einigermaßen feststeht (FG Köln vom 26.11.2014, 7 K 1444/13, EFG 2015 S. 638). Zu diesem Sachverhalt ist noch eine Revision beim BFH anhängig (Az. IX R 41/14).

Ist ein Unternehmer Miteigentümer des Gebäudes, in dem er einen Raum betrieblich nutzt (z.B. den Keller), muss er bei Betriebsaufgabe nur die auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden stillen Reserven dieses Raumes versteuern (BFH-Urteil vom 29.4.2008, VIII R 98/04, BFH/NV 2008 S. 1383).

Bei der Übertragung eines Betriebes gegen Leibrente ist seit 2004 der Zinsanteil mit der ersten Rentenzahlung steuerpflichtig (BMF-Schreiben vom 3.8.2004, BStBl. 2004 I S. 1187Tz. A 1), der Tilgungsanteil dagegen erst nach Verrechnung mit dem Buchwert inkl. Veräußerungskosten (R 16 Abs. 11 EStR 2012).

Der Übergang von einer selbstständigen Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht zur Liebhaberei ist nicht gleichbedeutend mit der Betriebsaufgabe, wenn diese vom Selbstständigen nicht erklärt wurde. Es ist dann kein Übergangsgewinn zu versteuern (FG Rheinland-Pfalz vom 23.9.2014, 3 K 2294/12, EFG 2015 S. 11).