Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Mit dem Behinderten-Pauschbetrag sind alle typischen Aufwendungen abgegolten

Behinderte sollen zum Ausgleich ihrer laufenden behinderungsbedingten Aufwendungen – ohne dass Kosten im Einzelnen nachgewiesen werden müssen – steuerlich mit dem Behinderten-Pauschbetrag entlastet werden. Beschränkt Steuerpflichtige (Wohnsitz im Ausland mit inländischen Einkünften) können den Pauschbetrag nicht erhalten (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG). Mit dem Pauschbetrag abgegolten sind diejenigen Aufwendungen, die behinderungsbedingt laufend entstehen und deshalb für die Behinderung typisch sind (§ 33b Abs. 1 Satz 1 EStG):

  • Aufwendungen für die Pflege, egal ob diese zu Hause (z.B. durch Pflegedienste) oder im Heim erfolgt, welche Pflegestufe vorliegt (0 oder I–III) und welcher Behinderten-Pauschbetrag gewährt wird (R 33.3 Abs. 4 EStR 2012). Zu diesen Aufwendungen zählen Kosten für die Beschäftigung einer ambulanten Pflegekraft, für die Inanspruchnahme von Pflegediensten, von Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, der Kurzzeitpflege oder von nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangeboten als auch Aufwendungen zur Heimunterbringung (R 33.3 Abs. 2 EStR 2012). Die Aufwendungen für Maßnahmen der häuslichen Intensiv- und Behandlungspflege sind nicht abgegolten, soweit die Leistungen nicht deckungsgleich sind mit den Grundpflegeleistungen i.S.d. § 14 SGB XI (Erlass des Ministeriums für Finanzen Schleswig-Holstein vom 29.10.2014 , Az. VI 3012-S 2284-197).

  • Aufwendungen, um dem Behinderten bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Alltag zu helfen (z.B. Körperpflege);

  • Aufwendungen für den erhöhten Wäschebedarf (z.B. Windeln).

Zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag können Sie noch atypische Aufwendungen, die einmalig oder unregelmäßig anfallen – z.B. Krankheitskosten (für Medikamente, Arztbesuch, Heimdialyse usw.) und Kosten eines behindertengerechten Umbaus der Wohnung (R 33b Abs. 1 Satz 4 EStR 2012) –, als allgemeine außergewöhnliche Belastungen absetzen (Behinderte, Kurkosten) sowie für Kosten hauswirtschaftlicher Dienstleistungen zu Hause oder im Heim eine Steuerermäßigung bekommen.

Anstelle des Behinderten-Pauschbetrages können Sie die mit dem Pauschbetrag abgegoltenen typischen Aufwendungen (zusammen mit den atypischen) auch gegen Nachweis als allgemeine außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend machen, wenn die typischen Aufwendungen höher als der Pauschbetrag sind. Hier wird allerdings eine zumutbare Belastung angerechnet.

Dieses Wahlrecht kann nur einheitlich für alle laufenden Aufwendungen ausgeübt werden (§ 33b Abs. 1 Satz 2 EStG). Nicht möglich ist es daher, zum Beispiel behinderungsbedingte Pflegekosten nach § 33 EStG abzusetzen und für die restlichen Aufwendungen den Behinderten-Pauschbetrag zu beanspruchen.

Wer bekommt den Behinderten-Pauschbetrag?

Einen Behinderten-Pauschbetrag können Sie erhalten, wenn Sie einen bestimmten Grad der Behinderung (GdB) haben, der die Schwere Ihrer Behinderung feststellt. Der GdB gibt also wieder, in welchem Umfang der Behinderte in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Behindert ist, wer länger als sechs Monate körperlich, geistig oder seelisch für sein Alter untypisch in seinem Gesundheitszustand beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Ferner müssen Sie den Behinderten-Pauschbetrag in Ihrer Steuererklärung im Mantelbogen Seite 3 oben beantragen.

Der einem Ehepartner bzw. eingetragenen Lebenspartner zustehende Pauschbetrag wegen Körperbehinderung ist bei Einzelveranlagung dem betroffenen Partner zuzuordnen. Auf gemeinsamen Antrag im Mantelbogen Seite 4 ist bei Einzelveranlagung auch eine hälftige Aufteilung aller außergewöhnlichen Belastungen und damit des Behinderten-Pauschbetrages auf die Partner möglich.

Auch für ein behindertes Kind können Sie dessen Pauschbetrag in Anspruch nehmen. Nicht möglich ist die Übertragung des Pauschbetrages von behinderten Eltern oder Geschwistern, die in Ihrem Haushalt leben.

Das Vorliegen einer Behinderung und den GdB stellt im Allgemeinen das Versorgungsamt auf Ihren Antrag hin fest und erteilt Ihnen bei einem GdB bis einschließlich 45 einen sog. Feststellungsbescheid (§ 4 Abs. 1 SchwbG). Ab einem GdB von 50 erhalten Sie einen Schwerbehindertenausweis (§ 4 Abs. 5 SchwbG). An die Feststellungen des Versorgungsamtes als Grundlagenbescheid ist das Finanzamt gebunden.

Wenn der GdB rückwirkend für frühere Jahre erstmals festgestellt oder heraufgesetzt wird, können Sie grundsätzlich für sämtliche zurückliegenden Jahre, für die Ihnen ein (höherer) GdB zuerkannt wird, den entsprechenden Behinderten-Pauschbetrag nachträglich geltend machen. Denn der Feststellungsbescheid für den GdB ist Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 AO).

Die rückwirkende Gewährung des (erhöhten) Behinderten-Pauschbetrages ist aber nur möglich, wenn für die zurückliegenden Steuerjahre (Veranlagungszeiträume) noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Ablauf der Verjährung wird gehemmt, wenn Sie nach Vorliegen des Feststellungsbescheides für Ihren GdB innerhalb von zwei Jahren (taggenaue Berechnung) bei Ihrem Wohnsitzfinanzamt den Behinderten-Pauschbetrag für die noch unverjährten Steuerjahre beantragen (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Stellen Sie den Antrag erst später, können nur solche Bescheide geändert werden, bei denen die Festsetzungsfrist – ohne Ablaufhemmung – von i.d.R. vier Jahren noch nicht abgelaufen ist.

Damit die zweijährige Ablaufhemmung eintritt, müssen Sie die Feststellung des (erhöhten) GdB noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den jeweiligen Einkommensteuerbescheid beim Versorgungsamt bzw. der zuständigen Behörde beantragt haben (§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO; BMF-Schreiben vom 31.1.2014, BStBl. 2014 I S. 159).

So hoch ist der Behinderten-Pauschbetrag

Die Höhe des Pauschbetrages für Behinderte soll die mit zunehmender Schwere der Behinderung ansteigenden typischen behinderungsbedingten Aufwendungen abdecken. Obwohl die Pauschbeträge seit 1975 nicht erhöht wurden, hat das Bundesverfassungsgericht eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Urteil vom 17.1.2007, 2 BvR 1059/03 ).

So hoch ist der Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 3 EStG)

Bei einem Grad der Behinderung von ...

... beträgt der Pauschbetrag

25 und 30

310,00 €

35 und 40

430,00 €

45 und 50

570,00 €

55 und 60

720,00 €

65 und 70

890,00 €

75 und 80

1.060,00 €

85 und 90

1.230,00 €

95 und 100

1.420,00 €

hilflos oder blind

3.700,00 €

Für einen GdB von weniger als 25 gibt es keinen Pauschbetrag. Alle behinderungsbedingten Aufwendungen können in diesem Fall aber als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG angesetzt werden.

Im Sozialrecht werden die Grade der Behinderung in Zehnerstufen vergeben (20, 30, 40 usw.), sodass die 5er-Schritte im Steuerrecht eigentlich keine Bedeutung mehr haben.

Der Behinderten-Pauschbetrag wird immer als Jahresbetrag in voller Höhe gewährt, auch wenn die Voraussetzungen nicht während des ganzen Jahres vorgelegen haben. Wird der GdB im Laufe des Jahres herauf- oder herabgesetzt, steht Ihnen für dieses Jahr der höhere Pauschbetrag zu (R 33b Abs. 8 EStR 2012). Das gilt ab dem im Bescheid des Versorgungsamts genannten Zeitpunkt (BFH-Urteil vom 11.3.2014, VI B 95/13, BStBl. 2014 II S. 525). Liegen bei Ihnen mehrere Behinderungen vor, z.B. wegen Beeinträchtigung an Gliedmaßen und am Auge, erhalten Sie nur einen einzigen Pauschbetrag für Behinderte, der aber sämtliche Behinderungen berücksichtigt.

Ist der Behinderte verstorben (z.B. Kind kurz nach Geburt), ohne dass zuvor ein GdB festgestellt worden ist, genügt als Nachweis die gutachterliche Stellungnahme des Versorgungsamtes. Diese Stellungnahme ist vom Finanzamt einzuholen (§ 65 Abs. 4 EStDV). Dann können die Angehörigen für den Verstorbenen in seiner letzten Steuererklärung den Pauschbetrag beantragen bzw. vom verstorbenen Kind auf sich übertragen lassen.

Die Höhe des Ihnen zustehenden Behinderten-Pauschbetrages wird vom Programm automatisch ermittelt, wenn Sie in der Maske Persönliche Angaben die entsprechenden Eingaben bei Behinderung vornehmen.

Minderbehinderte

Sofern Ihr GdB mindestens 25, aber weniger als 50 beträgt, gibt es den Behinderten-Pauschbetrag nur, wenn Sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen (§ 33b Abs. 2 Nr. 2a, b EStG):

  • Ihnen stehen wegen der Behinderung laufende Bezüge bzw. Renten nach gesetzlichen Vorschriften zu, z.B. aus der Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und Unfallruhegeld, nicht aber eine Erwerbsunfähigkeitsrente (Niedersächsisches FG vom 16.6.2005, 10 K 183/00, EFG 2005 S. 1774).

  • Die Behinderung hat zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt.

  • Die Behinderung beruht auf einer typischen Berufskrankheit.

Der Nachweis der Behinderung erfolgt im ersten Fall durch den amtlichen Bescheid über die laufenden Bezüge und im zweiten durch den Feststellungsbescheid des Versorgungsamts (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStDV).

Schwerbehinderte

Sofern Ihr GdB mindestens 50 beträgt, erhalten Sie den Behinderten-Pauschbetrag ohne weitere Bedingung (§ 33b Abs. 2 Nr. 1 EStG). Zum Nachweis legen Sie dem Finanzamt Ihren Schwerbehindertenausweis oder den Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes vor (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV).

Bestimmte im Schwerbehindertenausweis eingetragene Merkzeichen – z.B. G für Gehbehinderte und aG für außergewöhnlich Gehbehinderte – sind für die Absetzbarkeit von behinderungsbedingten Privatfahrten wichtig.

Hilflose und Blinde

Eine Person ist hilflos, wenn sie für eine Reihe von regelmäßig wiederkehrenden, existenziellen Verrichtungen täglich auf fremde Hilfe dauernd angewiesen ist, z.B. beim An- und Ausziehen, beim Essen und Trinken, bei der Körperpflege (§ 33b Abs. 6 Satz 3, 4 EStG). Die Hilflosigkeit darf nicht nur vorübergehend sein, muss also länger als sechs Monate andauern. Ausnahmsweise genügt es für die Gewährung des erhöhten Behinderten-Pauschbetrages, wenn aufgrund einer schweren Erkrankung mit nachfolgendem Tod die Hilflosigkeit nur kurze Zeit bestanden hat (FG Düsseldorf vom 3.12.1997, 13 K 1329/94 E ).

Blindheit liegt nicht nur bei völligem Verlust des Augenlichts vor, sondern auch bei einer Sehschärfe von höchstens 1/50 (= 2 %) trotz Sehhilfe. Gehörlosigkeit reicht für den erhöhten Pauschbetrag nicht.

Zum Nachweis dienen der Schwerbehindertenausweis, in dem das Merkzeichen »H« oder »Bl« eingetragen ist, oder ein Bescheid des Versorgungsamtes mit entsprechenden Feststellungen. Hilflosigkeit können Sie alternativ auch durch einen Bescheid der Pflegekasse mit der Einstufung in die Pflegeklasse III nachweisen (§ 65 Abs. 2 EStDV). Die Gewährung des erhöhten Behinderten-Pauschbetrages ist vom Grad der Behinderung unabhängig, kann also auch bei einem GdB von unter 50 erfolgen (z.B. bei Diabetes mellitus von Kindern). Trotzdem gibt es den normalen Pauschbetrag nicht zusätzlich zum erhöhten.

Den Behinderten-Pauschbetrag für ein Kind können Sie auf sich übertragen lassen

Haben Sie ein behindertes Kind, dem ein Behinderten-Pauschbetrag zusteht, können Sie dessen Pauschbetrag für sich selbst beantragen (§ 33b Abs. 5 Satz 1 EStG). Voraussetzung dafür ist, dass Sie für das Kind mindestens für einen Monat Kindergeld oder einen (halben) Freibetrag für Kinder erhalten und dass das Kind zwar Anspruch auf den Behinderten-Pauschbetrag hat, diesen aber nicht in Anspruch nimmt und auch keine laufenden behinderungsbedingten Kosten ansetzt. Die Übertragung ist sinnvoll, wenn sich der Pauschbetrag beim Kind nicht auswirkt. Eine Aufteilung des Pauschbetrages auf Sie und das Kind ist nicht möglich.

Auch Groß-, Pflege- und Stiefeltern können den Behinderten-Pauschbetrag für ein Enkel-, Pflege- oder Stiefkind in Anspruch nehmen, wenn die obigen Bedingungen erfüllt sind.

Sie können den Pauschbetrag Ihres Kindes bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigen lassen oder die Übertragung auch erst später in Ihrer Steuererklärung in der Anlage Kind beantragen.

Stellen nicht zusammen veranlagte Eltern (nichteheliche Lebensgemeinschaft oder einzeln veranlagte verheiratete Eltern) in der Anlage Kind (Zeile 64, 65) den Antrag auf Übertragung, wird der Pauschbetrag auf beide Elternteile je zur Hälfte übertragen, wenn diese in der Zeile 66 nicht gemeinsam eine anderweitige Aufteilung beantragen (§ 33b Abs. 5 Satz 3 EStG). In diesem Fall müssen beide Elternteile eine Steuererklärung abgeben (§ 46 Abs. 4a Bstb. e EStG). Seit 2012 wird der Pauschbetrag komplett auf einen Elternteil übertragen, wenn auf ihn auch der Kinderfreibetrag übertragen wurde (§ 33b Abs. 5 Satz 2 EStG).

Bei nicht zusammen veranlagten Eltern ist jeder Elternteil verpflichtet, einer anderen Aufteilung als hälftig zuzustimmen, wenn sich der Behinderten-Pauschbetrag bei ihm nicht bzw. nicht voll steuermindernd auswirken würde. Dies gilt allerdings nur im Gegenzug mit einer bindenden Erklärung des anderen Elternteils, dass dieser den durch die Übertragung entstehenden finanziellen (steuerlichen) Nachteil ausgleicht (BGH, Urteil vom 3.4.1996, XII ZR 86/95, FamRZ 1996 S. 725).

Eine Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages auf die Eltern setzt voraus, dass ihr behindertes Kind selbst einen Anspruch auf den Pauschbetrag hat. Das ist bei Kindern, die auf Dauer im Ausland wohnen (z.B. weil die geschiedene Ehefrau mit dem Kind in ihr Heimatland zurückgekehrt ist), nur der Fall, wenn das Kind wegen inländischer Einkünfte (z.B. aufgrund von Kapitalanlagen bei einer deutschen Bank) auf Antrag gemäß § 1 Abs. 3 EStG als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird (R 33b Abs. 3 EStR 2012). Keiner inländischen Einkünfte des Kindes bedarf es jedoch bei in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR lebenden Kindern (ergibt sich aus H 33b EStH 2014, Abschnitt Übertragung des Pauschbetrags von einem im Ausland lebenden Kind).

Unabhängig von einer Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags des Kindes können Eltern zusätzlich ihre eigenen zwangsläufigen Aufwendungen für das behindertes Kind nach § 33 EStG absetzen, da der Pauschbetrag die Aufwendungen des Kindes und nicht der Eltern abdeckt (R 33.b Abs. 2 EStR 2012; BFH-Urteil vom 11.2.2010, VI R 61/08, BStBl. 2010 II S. 621). Möglich ist auch ein Verzicht auf den Pauschbetrag und Ansatz aller Kosten als allgemeine außergewöhnliche Belastungen.