Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Die Ermittlung der Einkünfte

Welche Einkünfte sind überhaupt steuerpflichtig?

Der Gesetzgeber hat in § 2 des Einkommensteuergesetzes genau festgelegt, welche Einkünfte der Einkommensteuer unterworfen werden sollen. Es gibt sieben Arten von steuerpflichtigen Einkünften:

  • Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit (§§ 19–19a EStG):

  • Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG):

  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG):

  • Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG):

  • Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15–17 EStG):

  • Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13–14a EStG):

  • Sonstige Einkünfte (§§ 22–23 EStG):

Grundsätzlich überhaupt nicht mit Einkommensteuer besteuert werden Einnahmequellen, die keiner dieser sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können, wie zum Beispiel Vermögenszuwächse aus Schenkungen und Erbschaften, Lotterie- und Rennwettgewinne oder Einnahmen aus Preisausschreiben.

Wie wird die Höhe der Einkünfte errechnet?

Ihre steuerpflichtigen Einkünfte ermitteln sich als Einnahmen minus Ausgaben. Mit Einnahmen werden die Ihnen tatsächlich zugeflossenen Bruttobeträge bezeichnet. Von diesen Bruttobeträgen dürfen alle Aufwendungen, die mit diesen erzielten Einnahmen in einem objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, als sogenannte Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Der dann verbleibende Nettobetrag sind Ihre Einkünfte. Nicht abziehbar von Ihren Einnahmen sind alle Aufwendungen für die private Lebensführung.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und Land- und Forstwirtschaft ermitteln sich als Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben, wobei eine positive Differenz als Gewinn bezeichnet wird. Deshalb spricht man auch von Gewinneinkünften.

Die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und die sonstigen Einkünfte errechnen sich als Einnahmen minus Werbungskosten, wobei eine positive Differenz als Überschuss bezeichnet wird. Dementsprechend spricht man von Überschusseinkünften. Wenn Sie bei den Überschusseinkünften keine Werbungskosten nachweisen (dürfen), erhalten Sie einen Pauschbetrag, ausgenommen bei Vermietung und Verpachtung; außerdem gibt es zum Teil Freibeträge.

Die Differenz Einnahmen abzüglich Werbungskosten/Betriebsausgaben kann auch negativ sein, also einen Verlust ergeben. Zumeist werden Sie aus mehreren Einkunftsarten Einkünfte beziehen und nur bei einer Einkunftsart einen Verlust erzielen. So sind Sie zum Beispiel Arbeitnehmer und erzielen anfänglich einen steuerlichen Verlust aus einer vermieteten Eigentumswohnung. Wird dann die Summe der Einkünfte ermittelt, wird dieser Verlust von den positiven Einkünften aus den anderen Einkunftsarten abgezogen.

Steuerlich relevant sind Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich in dem Kalenderjahr, in dem sie zugeflossen bzw. geleistet wurden (Zu- und Abflussprinzip). Ausnahme: Regelmäßig wiederkehrende Zahlungen (z.B. Zinsen, Arbeitslöhne, Mieten) bis zu 10 Tage vor oder nach dem Jahreswechsel gelten in dem Kalenderjahr bezogen, zu dem sie wirtschaftlich gehören (§ 11 EStG).

Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens

Berechnungsgrundlage für die von Ihnen zu zahlende Einkommensteuer ist nicht Ihre Summe der Einkünfte, sondern Ihr zu versteuerndes Einkommen.

Die wichtigsten Stationen zur Berechnung Ihres zu versteuernden Einkommens (R 2 Abs. 1 EStR 2012):

Addition aller sieben Einkunftsarten 1)

=

Summe der Einkünfte

./.

Altersentlastungsbetrag

./.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

./.

Freibetrag für Land- und Forstwirte

=

Gesamtbetrag der Einkünfte

./.

Verlustrücktrag/Verlustvortrag

./.

Sonderausgaben

./.

Außergewöhnliche Belastungen

./.

Steuerbegünstigung für die selbst genutzte Wohnung

+

Erstattungsüberhang bei Vorsorgeaufwendungen und Kirchensteuer

=

Einkommen

./.

evtl. Freibeträge für Kinder

./.

Härteausgleich

=

zu versteuerndes Einkommen

Mithilfe des zu versteuernden Einkommens kann nun die endgültige Einkommensteuerschuld ermittelt werden.

Die Ermittlung der Einkommensteuerschuld

Der Lohnsteuerabzug oder die Einkommensteuervorauszahlungen während des Jahres haben immer nur vorläufigen Charakter. Wie viel Einkommensteuer Sie tatsächlich zahlen müssen, stellt sich erst am Jahresende heraus, wenn alle Einkünfte und auch alle steuermindernden Ausgaben, Steuerfreibeträge oder sonstigen Abzugsbeträge bekannt sind.

Grundtarif und Splittingtarif

Abhängig von Ihrem Familienstand und Ihrem zu versteuernden Einkommen wird Ihre endgültige Jahressteuerschuld mit dem Einkommensteuertarif des betreffenden Veranlagungszeitraums berechnet. Die Tarifformel finden Sie im § 32a EStG. Es gibt zwei Tarife, den Grundtarif und den Splittingtarif.

Der Grundtarif gilt für Ledige, dauernd getrennt lebende Ehegatten/eingetragene Lebenspartner, Geschiedene und Verwitwete ab dem zweiten Jahr nach dem Tod des Ehegatten/Lebenspartners. Außerdem gilt er für Verheiratete, die sich ausnahmsweise für eine Einzelveranlagung entscheiden.

Der günstigere Splittingtarif gilt für Verheiratete und Verpartnerte (eingetragene Lebenspartner) mit Zusammenveranlagung. Verwitwete erhalten ihn letzmals im Jahr nach dem Tod des Ehegatten/Lebenspartners. Auch getrennt lebende Ehegatten/Lebenspartner und Geschiedene/Entpartnerte können im Jahr der erstmaligen Trennung bzw. im Jahr der Scheidung/Entpartnerung noch den Splittingtarif wählen.

Mit jedem Euro, um den sich Ihr auf den nächsten vollen Euro-Betrag abgerundetes zu versteuerndes Einkommen erhöht oder verringert, erhöht bzw. verringert sich auch die zu zahlende Einkommensteuer. Daher gibt es auch keine offiziellen Einkommensteuertabellen (Grundtabelle und Splittingtabelle), denn diese hätten wegen des Wegfalls der Tabellenstufen einen übermäßigen Umfang. Beide Tabellen sind auszugsweise im Programm hinterlegt und über das Menü Extras aufrufbar. Aus der für Sie zutreffenden Einkommensteuertabelle können Sie die auf Ihr zu versteuerndes Einkommen entfallende tarifliche Einkommensteuer näherungsweise ablesen. Eine exakte Berechnung der tariflichen Einkommensteuer ab 2003 und beliebige zu versteuernde Einkommen ist mit dem Einkommensteuer-Rechner möglich (ebenfalls aufrufbar über das Programm-Menü Extras).

Beziehen Sie Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen (z.B. Arbeitslosengeld I, Krankengeld), oder haben Sie mit der Fünftelregelung ermäßigt besteuerte Einkünfte (z.B. Vergütung für mehrjährige Tätigkeit, Abfindung, Betriebsaufgabegewinn), so können Sie Ihre Steuerschuld nicht direkt mit der Tarifformel berechnen oder aus der Einkommensteuertabelle ablesen. Denn beim Progressionsvorbehalt ist die zu berechnende Einkommensteuer höher als die tarifliche Einkommensteuer, bei der Fünftelregelung dagegen niedriger. Nähreres zu diesen Sonderfällen finden Sie in den Kapiteln zu den Lohnersatzleistungen und den außerordentlichen Einkünften.

Grundfreibetrag

Ihr zu versteuerndes Einkommen bleibt bis zum Grundfreibetrag steuerfrei. Das soll Ihr Existenzminimum sichern. Eine Erhöhung des Grundfreibetrages entlastet also alle Steuerzahler.

Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG)

Grundtarif

Splittingtarif

2014

8.354,00 €

16.708,00 €

2015

8.472,00 €

16.944,00 €

2016

8.652,00 €

17.304,00 €

Wegen der Frage, ob der Grundfreibetrag seit 2001 zu niedrig ist, ergehen alle Steuerbescheide vorläufig (BMF-Schreiben vom 25.4.2013, BStBl. 2013 I S. 459).

Die den Grundfreibetrag übersteigenden Teile des zu versteuernden Einkommens werden je nach Höhe unterschiedlich hoch besteuert, wobei der Eingangssteuersatz seit 2009 14 % beträgt. Mit zunehmendem Einkommen steigt die Steuerbelastung eines jeden zusätzlich verdienten Euros weiter an bis zu einem Spitzensteuersatz von 42 % seit 2005 bzw. bis zur Reichensteuer von 45 % seit 2007 (siehe unten). Der konstante Spitzensteuersatz von 42 % trifft seit 2010 die Teile Ihres zu versteuernden Einkommens ab 52.882,00 €/ 105.764,00 € (Grundtarif/Splittingtarif). Wegen des zunehmenden Steuersatzes bei steigendem Einkommen spricht man auch von einer Steuerprogression. Seit 2010 wird ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731,00 €/501.462,00 € ein erhöhter Spitzensteuersatz von 45 % fällig.

Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz

Wie stark ein Einkommen mit Einkommensteuer belastet wird und wie sich Erhöhungen oder Verringerungen des Einkommens steuerlich auswirken, hängt von Ihrem Durchschnitts- und Grenzsteuersatz ab.

Der Durchschnittssteuersatz gibt an, wie hoch der prozentuale Anteil der festgesetzten Einkommensteuer am zu versteuernden Einkommen ist, d.h. mit wie viel Einkommensteuer im Durchschnitt ein von Ihnen verdienter Euro besteuert wird. Wichtiger für Ihre Steuerplanung ist aber der Grenzsteuersatz, der angibt, mit welchem Prozentsatz ein zusätzliches Einkommen besteuert wird bzw. ein Einkommensrückgang steuerlich entlastend wirkt.

Je größer der Einkommensbetrag ist, auf den der Grenzsteuersatz angewandt wird, um so ungenauer ist die errechnete zusätzliche Steuerbelastung oder Steuerentlastung. Wenn Sie also wissen wollen, wie viel Steuerersparnis Ihnen etwa zusätzliche 10.000,00 € Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung pro Jahr bringen, sollten Sie lieber eine genaue Vergleichsberechnung mit dem Programm durchführen (über Programmsymbol Ergebnis). In der Steuerberechnung des Programms finden Sie am Ende zu Ihrem zu versteuernden Einkommen den Durchschnitts- und Grenzsteuersatz angegeben.

Das Ehepaar Schneider hat 2015 ein gemeinsames zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 24.826,00 €. Gemäß Splittingtarif wird dafür eine Einkommensteuer von 1.412,00 € festgesetzt. Der Durchschnittssteuersatz beträgt 5,6 %, der Grenzsteuersatz 21,9 %. Das bedeutet, dass von jedem Euro des zu versteuernden Einkommens durchschnittlich 5,6 % vom Finanzamt einbehalten werden und von einem zusätzlichen Euro Einnahmen das Finanzamt 21,9 % wegbesteuert bzw. dass ein zusätzlicher Euro z.B. an Werbungskosten eine Steuerersparnis von rund 0,22 € bringt.

Einkommensteuerbescheid

Haben Sie Ihre Einkommensteuererklärung beim Finanzamt abgegeben, kann es Sie veranlagen und schickt Ihnen dann einen Einkommensteuerbescheid zu. Darin wird Ihre endgültige Steuerschuld festgesetzt und den Steuerzahlungen gegenübergestellt, die Sie bereits während des Jahres vorausgeleistet haben. Ist die endgültige Steuerschuld höher, ergibt sich eine Steuernachzahlung, ist sie niedriger, eine Steuererstattung.

Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer (R 2 Abs. 2 EStR 2012):

Steuer nach Grund- oder Splittingtarif oder gemäß besonderer Berechnung unter Anwendung des Progressionsvorbehalts

+

Steuer auf außerordentliche Einkünfte

=

Tarifliche Einkommensteuer auf zu versteuerndes Einkommen

./.

ausländische Steuern vom Einkommen

./.

Steuerermäßigung für Parteispenden und unabhängige Wählervereinigungen

./.

3,8-faches des festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrages

./.

Steuerermäßigung für haushaltsnahe Hilfen u. Handwerkerkosten

./.

Ermäßigung bei Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer gemäß § 35b EStG

+

Abgeltungsteuer auf noch unversteuerte Kapitalerträge und neu berechnete Abgeltungsteuer auf bereits versteuerte Kapitalerträge nach § 32d Abs. 3, 4 EStG

+

Anspruch auf Zulage zur Riester-Rente (wenn Sonderausgabenabzug günstiger)

+

zustehendes Kindergeld (wenn Abzug der Freibeträge)

=

festzusetzende Einkommensteuer (§ 2 Abs. 6 EStG)

+

Solidaritätszuschlag

+

Kirchensteuer

./.

einbehaltene Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchenlohnsteuer, Kapitalertragsteuer bei Günstigerprüfung

./.

geleistete vierteljährliche Vorauszahlungen für Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer

=

Steuererstattung/Steuernachzahlung

Anhang

Fußnoten

  1. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen sind seit 2009 nur zu berücksichtigen, wenn sie nicht mit 25 % abgeltend, sondern individuell nach Grund- oder Splittingtarif besteuert werden.