Ein Flugkapitän darf die Mitnahme eines Fluggastes wegen damit verbundener gesundheitlicher Gefahren verweigern, wenn der Passagier kurz zuvor eine Fraktur erlitten hat. Dies hat das Amtsgericht (AG) Hannover entschieden und eine Klage auf knapp 3.000 Euro Schadenersatz gegen ein hannoversches Flugunternehmen abgewiesen.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und die 13-jährige Tochter Flüge von Hannover nach Heraklion und zurück für 2.199 Euro gebucht. Der Rückflug sollte am 14.10.2013 von Heraklion erfolgen. Die Familie konnte planmäßig einchecken und befand sich bereits abflugbereit in der Maschine. Die Tochter der Familie hatte sich bei einem Sturz am 13.10.2013 einen Schlüsselbeinbruch zugezogen. Der behandelnde Arzt hatte ihr eine "Fit-for-Fly"-Bescheinigung ausgestellt. Vor dem Start des Flugzeuges bat der Kapitän die Familie zum Gespräch und verweigerte die Mitnahme des Mädchens aufgrund der erlittenen Verletzung. Die Familie musste das Flugzeug verlassen und konnte erst für den 21.10.2013 einen Flug nach Hannover buchen. Die Klägerin musste sich vor Ort selbst um die Unterbringung der Familie und die Rückflüge kümmern. Sie macht die Kosten für den nicht angetretenen Flug in Höhe von 1.208,45 Euro, ärztliche Behandlungskosten in Griechenland in Höhe von 1.040 Euro, Hotelkosten in Höhe von 1.120 Euro und weitere Nebenkosten in Höhe von 211,69 Euro geltend. Hiervon zieht sie eine Rückerstattung einer Reiseversicherung in Höhe von 800 Euro ab.

Das AG Hannover hat nach einer Beweisaufnahme festgestellt, dass die Weigerung zur Mitnahme durch den Flugkapitän zu Recht erfolgt ist. Der Flugkapitän habe als verantwortlicher Luftfahrzeugführer gemäß § 12 Absatz 1 bis 3 Luftsicherheitsgesetz für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen. Er sei daher befugt, die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies bedeute, dass er einen Beurteilungsspielraum bei der Feststellung einer Gefahrenlage und der Auswahl der erforderlichen Maßnahme hat. Lediglich grobe Einschätzungsfehler und Willkür könnten daher zu einem Verschulden des Kapitäns führen. Solche habe das Gericht nicht feststellen können.

An die Feststellungen der "Fit-for-Fly"-Bescheinigung sei der Kapitän nicht gebunden. Aus dem "First Aid Manual" des beklagten Luftfahrtunternehmens ergebe sich, dass eine Mitnahme in einem Flugzeug innerhalb der ersten 24 Stunden nach einer Fraktur nicht erlaubt ist und in dem Zeitraum von 24 bis 48 Stunden nach einer Fraktur nur Flüge bis maximal zwei Stunden erlaubt sind. Zwar sei dies lediglich eine Handlungsanweisung für den Piloten ohne Bindungswirkung. Es lasse aber den Schluss zu, dass mit ernsten weiteren Verletzungen bei einem Flug zu rechnen ist. Der Kapitän hatte zusätzlich noch telefonisch Kontakt zu einer befreundeten Ärztin aufgenommen, die auf die Gefahren einer Nachblutung mit Einblutung hinter die Lungenwand mit der Gefahr von langfristigen Lungenproblemen hingewiesen hatte. Da der Schlüsselbeinbruch keine 24 Stunden vor dem Abflug erfolgt war, hat das Gericht keine Überschreitung des Beurteilungs- und Ermessensspielraumes durch den Flugkapitän festgestellt. Daher habe die Beklagte die negativen Folgen der Klägerin durch die Beförderungsweigerung nicht zu vertreten, da der Flugkapitän auch als Erfüllungsgehilfe der Beklagten die Rechte und Pflichten aus dem Luftsicherheitsgesetz auszuüben habe.

Amtsgericht Hannover, 454 C 1164/14


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