Eine Aufklärungsrüge ist nicht allein nach dem Inhalt eines vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsbogens zu beurteilen. Das Gericht hat vielmehr den Inhalt des persönlichen Aufklärungsgespräches zwischen Arzt und Patient aufzuklären, weil auf der Grundlage des tatsächlich geführten Gespräches und nicht allein anhand des Aufklärungsbogens zu entscheiden ist, ob der Patient vor einem ärztlichen Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.

Die Klägerin begab sich wegen anhaltender Kniebeschwerden in die Behandlung der beklagten Klinik. Dort führten die mitverklagten Ärzte im Oktober 2010 eine Knieprothesenrevision durch, bei der eine gelockerte Schlittenprothese durch eine modulare Sonderprothese ersetzt wurde. Wegen anhaltender Kniebeschwerden – nach Darstellung der Klägerin ist sie heute dauerhaft auf Krücken oder einen Rollstuhl angewiesen – rügte die Klägerin eine behandlungsfehlerhafte Verletzung ihres Oberschenkelnervs während der Revisionsoperation sowie ihre unzureichende Risikoaufklärung. Entgegen dem Inhalt der Aufklärungsbögen sei sie vor der Operation über Risiken nicht aufgeklärt worden. Von den Beklagten hat die Klägerin Schadenersatz verlangt, unter anderem eine ab Mai 2013 zu zahlende Schmerzensgeldrente von monatlich 1.000 Euro neben einem Kapitalbetrag von 50.000 Euro.

Die Schadenersatzklage ist erfolglos geblieben. Das OLG Hamm verneinte eine Haftung der Beklagten. Die Aufklärungsrüge der Klägerin greife nicht durch. Die Frage ihrer ordnungsgemäßen Aufklärung sei nicht allein anhand des Aufklärungsbogens zu entscheiden. Es komme vielmehr auf den Inhalt des persönlichen Aufklärungsgespräches zwischen Arzt und Patient an. Diesen habe das OLG durch die Anhörung der Klägerin und der beklagten Ärzte, durch die Zeugenvernehmung des Ehemanns der Klägerin sowie durch die ergänzende Anhörung der medizinischen Sachverständigen ermittelt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das OLG davon überzeugt, dass die Klägerin auch über das Risiko von Nervenschäden in der bevorstehenden Operation hinreichend aufgeklärt worden sei. Das bestätigten die Angaben der beteiligten Ärzte. Die Darstellung der Klägerin, mit ihr sei von Seiten der Beklagten nie über Risiken der Wechseloperation gesprochen, sei nicht glaubhaft und lebensfremd, nachdem der Klägerin erst im Vorjahr die Schlittenprothese implantiert worden sei. Mit dem Ergebnis dieser Operation sei sie nicht zufrieden gewesen, weil sie nach ihren Angaben kaum noch und nur unter Schmerzen habe laufen können.

Selbst wenn man eine defizitäre Aufklärung der Klägerin über die Risiken einer Nervenverletzung unterstelle, führe dies nicht zur Haftung der Beklagten, fährt das Gericht fort. Der Klägerin sei zudem der ihr – auch bei einem unterstellten Aufklärungsfehler – obliegende Nachweis, dass sich der Aufklärungsmangel verwirklicht habe und durch die Operation eine Nervenschädigung verursacht worden sei, nicht gelungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Ursache des Nervenschadens nicht mehr zu klären. Insoweit sei daher auch kein orthopädischer Behandlungsfehler in der beklagten Klinik festzustellen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.11.2015, 3 U 68/15


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