Wer es versäumt, gegen eine per Post zugestellte Gerichtsentscheidung rechtzeitig Beschwerde einzulegen, weil er diese seinem Briefkasten nicht rechtzeitig entnimmt, ist dann nicht entschuldigt, wenn ihm der Briefkastenschlüssel zwar unverschuldet abhanden gekommen ist, das Fristversäumnis aber auch darauf beruht, dass er es danach unterlassen hat, sich baldmöglichst erneut Zugang zum Briefkasten zu verschaffen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschlossen.

Der jetzt 24 Jahre alte Betroffene war im Oktober 2014 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Während der dreijährigen Bewährungszeit verstieß er erneut gegen strafrechtliche Verbote und erhielt hierfür eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. In Anschluss an die erneute Verurteilung wurde die Bewährung der 2014 verhängten Freiheitsstrafe widerrufen. Gegen den ihm durch Einwurf in den Briefkasten zugestellten Widerrufbeschluss hat der Betroffene erst nach Ablauf der einwöchigen Rechtsmittelfrist sofortige Beschwerde erhoben. Sein Fristversäumnis hat er damit entschuldigt, dass seine Ehefrau wenige Tage vor dem Einwurf des Widerrufbeschlusses die gemeinsame Wohnung nach einer Auseinandersetzung unter Mitnahme des einzigen Briefkastenschlüssels verlassen habe und erst nach Fristablauf zurückgekehrt sei, sodass er, der Betroffene, in dieser Zeit keinen Zugang zum Briefkasten gehabt habe. Das Landgericht (LG) Paderborn ist von einer schuldhaft versäumten Beschwerdefrist ausgegangen, hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde deswegen als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene wiederum – dieses Mal fristgerecht – (sofortige) Beschwerde eingelegt.

Auch nach Ansicht des OLG Hamm hat der Betroffene sein Fristversäumnis nicht ausreichend entschuldigt. Deswegen sei die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs durch das LG unbegründet. Der Betroffene habe zwar glaubhaft gemacht, dass seine Ehefrau im Besitz des einzigen Briefkastenschlüssels gewesen sei und diesen mitgenommen habe, sodass der Betroffene für circa elf Tage keinen Zugang zum Inhalt des Briefkasten gehabt habe. Sein Fristversäumnis sei dennoch verschuldet. Derjenige, der den Zugang zu seinem Briefkasten unverschuldet verliere, müsse sich danach um einen baldmöglichsten erneuten Zugang bemühen. Unterlasse er dies, handele er jedenfalls hinsichtlich einer versäumten Frist schuldhaft, die er hätte einhalten können, wenn er umgehend Maßnahmen ergriffen hätte, um an den Inhalt seines Briefkastens zu kommen.

Im vorliegenden Fall sei nicht erkennbar, dass der Betroffene irgendwelche Anstrengungen unternommen habe, um sich Zugang zum Inhalt des Briefkastens zu verschaffen. Bei entsprechenden Anstrengungen hätte er sich rechtzeitig vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist Zugang zum Inhalt des Briefkastens und damit Kenntnis vom zugestellten Widerrufbeschluss verschaffen können.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.05.2016, 4 Ws 103/16, rechtskräftig


Das könnte Sie interessieren: