Begeht ein Tierarzt einen groben Behandlungsfehler, so führt dies – wie in der Humanmedizin – hinsichtlich der Kausalität zu einer Umkehr der Beweislast. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Die Klägerin nimmt den beklagten Tierarzt wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung auf Schadenersatz in Anspruch. Sie hatte dem Beklagten ihr Pferd wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung vorgestellt. Der Beklagte verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht. Das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Es hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.

Das Oberlandesgericht (OLG) hat den Tierarzt dem Grunde nach dazu verurteilt, der Tierhalterin Schadenersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand und dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten.

Im Streitfall blieb laut BGH ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es sei daher darauf angekommen, ob die Tierhalterin – wie es die Regel wäre – oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt.

Der BGH hat das Urteil des OLG bestätigt. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, seien auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten bezögen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung komme – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist, eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.05.2016, VI ZR 247/15


Das könnte Sie interessieren: