Für ein Pflegekind können zwei Partnerinnen einer eingetragenen Lebensgemeinschaft gemeinsam als Vormünder bestellt werden. Dies stellt das Münchener Amtsgericht (AG) klar.

Der zehnjährige Tim (Name geändert) lebt seit Januar 2008 in einer Pflegefamilie. Seine beiden Pflegemütter haben im April 2005 eine Lebenspartnerschaft begründet, die im Lebenspartnerschaftsregister eingetragen ist. Der Aufenthalt seiner leiblichen Mutter ist unbekannt. Bisher hatte ein katholischer Verein die Vormundschaft für das Kind. Die Pflegemütter beantragten beim AG München die gemeinschaftliche Vormundschaft für Tim. Gegenüber der zuständigen Rechtspflegerin am AG München erklärte der Junge, dass er gerne möchte, dass seine beiden Pflegemütter für ihn Entscheidungen treffen. Das Jugendamt hält die beiden Pflegemütter für geeignet und unterstützte Tims Wunsch.

Am 18.05.2016 entschied die Rechtspflegerin, dass der Verein als Vormund für Tim entlassen wird und die beiden Pflegemütter gemeinsam seine neuen Vormünder sind. Nach der Auffassung des Gerichts ist dieser Fall nicht im Gesetz geregelt. Es liege eine Regelungslücke vor. Denn für ein Mündel solle nach § 1775 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, außer es gebe besondere Gründe, warum mehrere Vormünder bestellt werden. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Beide Mütter hätten die Vormundschaft auch allein ausüben können.

§ 1775 Satz 1 BGB lasse jedoch zu, dass bei einem Ehepaar beide Partner gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können. Nach Ansicht des AG München liegt in der Vorschrift des § 1775 Satz 1 BGB eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepartnern). Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass sowohl die betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt werden, indem § 9 Absatz 7 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) verwehrt, wohingegen die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des Ehepartners und die Möglichkeit der Annahme eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners (Stiefkindadoption) eröffnet sind (Entscheidung vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11).

In Folge dieser Entscheidung habe der Gesetzgeber § 9 Absatz 7 LPartG entsprechend abgeändert, sodass es jetzt für gleichgeschlechtliche Lebenspartner ein Sukzessivadoptionsrecht für beide gibt. Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt, sei indes nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch – wie Ehepaare – gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen, meint das AG München. Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde im Übrigen auch dem Kindeswohl widersprechen, da sich beide gleichwertig um Tim kümmerten. Schon allein deswegen wäre es diskriminierend, nach der "Würfelmethode" nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen.

Amtsgericht München, Beschluss vom 18.05.2016, rechtskräftig
 


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