Der Streit um die Errichtung einer Krypta im Untergeschoss einer in einem Industriegebiet gelegenen Kirche ist entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat der Klage einer Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien auf Erteilung der Baugenehmigung stattgegeben. Die Gemeinde war zuvor bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gezogen. Dieses sah durch die zunächst ablehnende Entscheidung des VGH die Religionsfreiheit verletzt. Die jetzige Entscheidung des VGH zugunsten der Krypta ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zwar nicht zugelassen. Hiergegen kann aber Beschwerde eingelegt werden.

Konkret ging es um den Bau einer Krypta auf einem Grundstück der klagenden Pfarrgemeinde im Industriegebiet in Kirchardt, den sich die Gemeinde bereits 2005 genehmigen hatte lassen wollen. Die Krypta soll als Begräbnisstätte mit zehn Bestattungsplätzen für die verstorbenen Pfarrer der Kirchengemeinde dienen. Die Klägerin verwies auf die verbindliche Tradition, wonach syrisch-orthodoxe Geistliche nicht auf öffentlichen Friedhöfen, sondern nur in "geweihter Erde", möglichst unter dem Altar der eigenen Kirche begraben werden müssten. Die beklagte Stadt lehnte den Bauantrag ab.

Die hiergegen gerichtete Klage wies der VGH am 20.07.2011 ab. Wegen des Schutzes der Totenruhe dürfe in eine Kirche, die in einem Industriegebiet liege, keine Krypta eingebaut werden. Das Gebot der Hauskirchenbestattung sei zwar Teil des traditionellen Ritus der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, der wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Religionsausübungsfreiheit zu berücksichtigen sei. Es handele sich  jedoch um keinen zwingenden Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinn. In dem Industriegebiet sollten nach den Planungen der Gemeinde vor allem stark emittierende Gewerbebetriebe untergebracht werden. Nach einem Bau der Krypta müsse auf die Totenruhe Rücksicht genommen werden und auf längere Sicht bestehe die reale Möglichkeit, dass zu deren Schutz Lärmschutzauflagen gegenüber dem angrenzenden Betrieb erlassen würden. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hiergegen wies das Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2013 zurück.

Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hin hob das BVerfG mit Beschluss vom 09.05.2016 das Urteil des VGH vom 20.07.2011 auf. Der VGH habe der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. So fehle es an Feststellungen dazu, wie die bestehende Kirche gegenwärtig im Einzelnen genutzt werde, an welchen Tagen in den umliegenden Industriebetrieben gearbeitet werde und wie sich im Hinblick darauf gerade durch die Zulassung der Krypta im Einzelnen eine zusätzliche Belastung ergeben könnte. Der VGH werde dem Gewährleistungsgehalt der Glaubensfreiheit auch nicht gerecht, soweit er annehme, das Gebot der Hausbestattung habe keinen zwingenden Charakter.

Nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das BVerfG hat der VGH der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Krypta jetzt stattgegeben. Der Klägerin stehe angesichts der für den VGH bindenden Entscheidung des BVerfG ein Anspruch auf baurechtliche Zulassung der Krypta zu, erläutert der VGH. Maßgeblich sei dabei, dass die Krypta in einer bereits genehmigten und von der Klägerin als solche auch genutzten Kirche eingerichtet werden solle und dass das Vorhaben dem Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit unterfalle. Der für das Baugrundstück geltende Bebauungsplan der Gemeinde werde von der zusätzlichen Einrichtung der Krypta in der Kirche nicht in seinen Grundzügen berührt. Von der in der Zwischenzeit erlassenen Veränderungssperre sei eine Ausnahme zu erteilen.

Auch könnten der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Klägerin nach dem Beschluss des BVerfG nur das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe, nicht aber das Pietätsempfinden der Nachbarn und der Allgemeinheit entgegengehalten werden. Nennenswerte weitere Auswirkungen auf das Eigentum und die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe seien aber angesichts der bereits bestehenden Kirchennutzung durch die Einrichtung der Krypta nicht konkret zu erwarten.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2016 am 30.11.2016 verkündetes Urteil, 3 S 1184/16


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