Verursacht ein verkehrswidrig fahrender, elfjähriger Radfahrer einen Zusammenstoß mit einer 57-jährigen Radfahrerin, bei dem diese erhebliche Verletzungen leidet, kann der Elfjährige für die Unfallfolgen der Radfahrerin allein zu haften haben. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) Dortmund bestätigt.

Der elf Jahre alte Beklagte war auf dem Gehweg einer innerstädtischen Straße mit seinem Fahrrad entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung gefahren. Beim Überqueren einer Straße stieß er mit der von links aus dieser Straße mit dem Fahrrad kommenden 57 Jahre alten Klägerin zusammen. Die Klägerin zog sich bei dem Zusammenstoß schwere Verletzungen im Bereich ihres rechten Kniegelenks und eine rechte Sprunggelenkfraktur zu. Sie musste mehrfach operiert werden und leidet noch heute unter den Folgen der Knieverletzung, die letztendlich zu einer operativen Versteifung des rechten Knies führen wird.

Das LG ist von einer alleinigen Haftung des elfjährigen Radfahrers für den Verkehrsunfall ausgegangen. Es hat der Klägerin – nach vom Haftpflichtversicherer des Beklagten vorprozessual gezahlten 14.000 Euro – weitere 11.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen sowie materiellen Schadenersatz in Höhe von circa 1.900 Euro Erwerbsschaden und – nach insoweit vorprozessual gezahlten 2.000 Euro – weitere circa 23.000 Euro Haushaltsführungsschaden. Für den künftigen Haushaltsführungsschaden hat es der Klägerin eine vierteljährlich zu zahlende Rente von circa 820 Euro zuerkannt.

Die mit der Berufung vom Beklagten erstrebte vollständige Klageabweisung hat das OLG Hamm zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Der Beklagte hafte dem Grunde nach allein für den Unfall, bekräftigt das OLG. Er habe den Gehweg der im Grundsatz vorfahrtsberechtigten Straße verkehrswidrig entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung benutzt. Aufgrund seines Alters sei er nicht mehr berechtigt gewesen, auf dem Gehweg Fahrrad zu fahren. Deswegen habe ihm gegenüber der Klägerin kein Vorfahrtsrecht zugestanden. Abgesehen davon habe er beim Queren der Einmündung auf den fließenden Fahrzeugverkehr der kreuzenden Straße achten und nicht dazu mit seinem Fahrrad in der "falschen" Fahrtrichtung weiterfahren dürfen. Seine Fahrweise sei hoch gefährlich gewesen.

Der im Unfallzeitpunkt elfjährige Beklagte sei für sein Fehlverhalten verantwortlich. Seinem Sachvortrag sei nicht zu entnehmen, dass er im Zeitpunkt des Unfalls nicht die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gehabt habe. Nur wenn er das nachweisen könne, entfalle seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit, hebt das OLG hervor. Der Klägerin sei demgegenüber kein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls nachzuweisen, für den der Beklagte damit allein einzustehen habe.

Das vom LG ausgeurteilte Schmerzensgeld sowie die zugesprochenen materiellen Schadensbeträge seien gerechtfertigt, mit Ausnahme eines Betrages von 450 Euro beim Haushaltsführungsschaden, um den die Klägerin ihre Klage aber im Nachhinein auch reduziert habe.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 16.09.2016, 9 U 238/15, rechtskräftig


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