Ohne sachverständige Begutachtung kann ein Gericht keine Namensänderung und keine Veränderung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz aussprechen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschlossen.

Die Antrag stellende Person ist in rechtlicher Hinsicht ein Mann. Sie beantragt, rechtsverbindlich einen weiblichen Vornamen zu führen und als dem weiblichen statt dem männlichen Geschlecht zugehörig angesehen zu werden. Eine sachverständige Begutachtung lehnt sie ab. Die ein Sachverständigengutachten voraussetzenden Vorschriften des Transsexuellengesetzes hält sie für verfassungswidrig und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar.
 
Der Antrag ist erfolglos geblieben. Das Transsexuellengesetz lasse, so das OLG Hamm, eine Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit nur nach der Erstattung von zwei Sachverständigengutachten zu. Die Begutachtung habe der Gesetzgeber als zwingende Voraussetzung für eine Antrag entsprechende Entscheidung normiert. Die Gutachten könnten nicht durch eine Selbsteinschätzung der Antrag stellenden Person ersetzt werden. Sie müssten zu der Frage Stellung nehmen, ob sich das Zugehörigkeitsempfinden der Antrag stellenden Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern werde und ob die Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehe, ihren transsexuellen Vorstellungen entsprechend zu leben.

Das vom Transsexuellengesetz vorgeschriebene Einholen zweier Sachverständigengutachten sei nicht verfassungswidrig und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar, betont das OLG. Die dem Transsexuellengesetz zugrunde liegende gesetzgeberische Entscheidung verletze keine Grundrechte. Das OLG folge insoweit der – immer noch aktuellen – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (1 BvR 3295/07). Hiernach sei es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen. Es gelte, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und eine Änderung des Personenstandes nur dann zuzulassen, wenn dafür tragfähige Gründe vorlägen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden.

Deswegen sei es nicht unzumutbar, wenn das Gesetz zur Änderung der rechtlichen Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht die Begutachtung durch zwei Sachverständige fordere. Die durch die Begutachtungen für die Antrag stellende Person unweigerlich entstehenden Belastungen, auch in Form der Notwendigkeit nicht nur persönlichste, sondern intimste Erlebnisse, Gedanken, Grundüberzeugungen offenzulegen, verletzten ihre Grundrechte nicht. Bei Verfahren nach dem Transsexuellengesetz ergebe sich schon aus dem Gegenstand des Verfahrens, dass gerade die innere Verfasstheit und das Selbsterleben der Antrag stellenden Person zu behandeln seien.

Angesichts der Bedeutung des Verfahrens für das weitere Leben der Antrag stellenden Person sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber für ein erfolgreiches Verfahren zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nicht nur die Preisgabe der inneren Verfasstheit gegenüber dem erkennenden Gericht verlange. Er könne insoweit auch die eingehende fachkundige Erfassung und Beurteilung nach objektivierbaren Kriterien durch besonders befähigte Sachverständige verlangen, die als gerichtlich bestellte Sachverständige im Übrigen in gleicher Weise zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet seien wie die erkennenden Richter.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 22.02.2017, 15 W 2/17


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