Ist die Mutter einer erwachsenen Tochter schwer krank und erscheint es möglich, dass sie in Zukunft einmal Unterhalt von ihrer Tochter beanspruchen kann, so kann dies einer so genannten Volladoption der Tochter entgegenstehen. Dies zeigt ein vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedener Fall.

Rechtlicher Hintergrund: Die Adoption eines Minderjährigen führt grundsätzlich dazu, dass das adoptierte Kind mit seiner Ursprungsfamilie nicht mehr verwandt ist. Die Verwandtschaft besteht ausschließlich noch zu der neuen Familie. Die alten Bande werden gekappt. Man spricht von "Volladoption". Bei der "einfachen" Adoption eines Volljährigen sieht es anders aus: Grundsätzlich bleiben die alten Familienbande rechtlich bestehen, was natürlich besonders im Unterhaltsrecht und im Erbrecht eine Rolle spielen kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber auch die Volladoption eines Erwachsenen ausgesprochen werden.

Im vom OLG Oldenburg zu entscheidenden Fall wollte eine 21-jährige Oldenburgerin sich von dem früheren Lebensgefährten ihrer Mutter adoptieren lassen. Die junge Frau hatte gemeinsam mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten von ihrem 15. bis zu ihrem 19. Lebensjahr in einem Haushalt gelebt. Die Beziehung der Mutter zu dem Mann war dann auseinandergegangen. Der Lebensgefährte und die 21-Jährige beriefen sich auf § 1772 Bürgerliches Gesetzbuch. Danach kann die Volladoption eines Erwachsenen dann ausgesprochen werden, wenn er bereits als Kind in der Familie des Adoptionswilligen gelebt hat und sich tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt hat.

Das OLG hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, nach der im vorliegenden Fall eine Volladoption nicht in Frage kommt. Zwar sei ein Eltern-Kind-Verhältnis feststellbar. Bei der Frage, ob eine Volladoption ausgesprochen werden könne, seien aber auch immer die Interessen der Eltern des zu Adoptierenden zu berücksichtigen. Denn zu diesen würden im Fall einer Volladoption ja die verwandtschaftlichen Bande vollständig durchschnitten.
Die Interessenabwägung spreche vorliegend gegen eine Volladoption. Denn die Mutter der jungen Frau sei von den Adoptionsabsichten emotional tief betroffen. Hinzu komme die Hilfsbedürftigkeit der Mutter, die körperlich und psychisch schwer erkrankt sei und möglicherweise in der Zukunft auch einmal Unterhalt von ihrer Tochter würde beanspruchen können. In einem solchen Fall überwögen die Interessen der Mutter an einem Fortbestand ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu ihrer Tochter die Interessen der Tochter und des früheren Lebensgefährten an der Adoption. Eine Volladoption sei daher nicht möglich, so das OLG. Die an sich mögliche "einfache" Adoption sei aber nicht beantragt gewesen, wobei unklar geblieben sei, warum hierauf verzichtet worden ist.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschlüsse vom 10.03.2016 und vom 27.03.2016,  4 UF 175/16


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