Die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage einer Besucherin der Cannstatter Wasen, die in einem Festzelt von einer Bierbank gestürzt war, ist auch in zweiter Instanz gescheitert. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat ein vorwerfbares Verhalten des verklagten Festzeltbesuches verneint. Das Tanzen auf einer Bierbank sei als übliches Verhalten in einem Festzelt anzusehen.

Die Klägerin und der Beklagte besuchten im Oktober 2014 ein Festzelt auf dem Cannstatter Wasen. Beide standen mit den Rücken zueinander auf den Bierbänken an ihren jeweiligen Tischen und tanzten. Nachdem der Beklagte an den Rücken der Klägerin stieß, wobei Ursache und Verlauf im Einzelnen streitig sind, fiel die Klägerin von ihrer Bierbank. Im Anschluss daran kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der Beklagten.
Die Klägerin behauptet, sie habe vom Beklagten einen Schlag in den Rücken bekommen, sodass sie nach vorne gefallen und mit dem Knie gegen die Kante des Biertisches gestoßen sei. Durch den Sturz habe sie unter anderem eine Prellung am linken Kniegelenk erlitten, die einen arthroskopischen Eingriff am Knie erforderlich gemacht und ein Schmerzsyndrom ausgelöst habe.

Der Beklagte entgegnet, er sei "mehr oder weniger von der Bierbank gezogen" worden und habe hierbei das Gleichgewicht verloren. Dabei sei er mit dem Rücken gegen die Klägerin gefallen. Auch die Klägerin habe ihr Gleichgewicht verloren und sie seien beide zu Fall gekommen. Die Verletzung und Erkrankung der Klägerin beruhe nicht auf dem Sturz von der Bierbank.

Die Klage auf ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens von 4.000 Euro, sowie auf Schadenersatz und auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten hatte schon das Landgericht (LG) Stuttgart abgewiesen. Insbesondere sei der Klägerin durch die Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen, dass der Beklagte wegen eigenen Fehlverhaltens auf die Klägerin gestürzt sei. Mit ihrer Berufung gegen das Urteil des LG verfolgte die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Für die Haftung des Beklagten nach § 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch fehle es bereits an einer Verletzungshandlung im Rechtssinne. Hierfür komme nur menschliches Verhalten in Betracht, das der Steuerung durch Bewusstsein und Willen unterliegt und insofern grundsätzlich beherrschbar ist. Das LG habe eine Verletzungshandlung des Beklagten aufgrund der nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zutreffend verneint. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht feststellbar gewesen, weshalb der Beklagte die Klägerin anstieß; die Einlassung des Beklagten, er sei "mehr oder weniger von der Bierbank gezogen" worden, sei nicht zu widerlegen.

Zu Recht habe das LG es zudem nicht als vorwerfbar angesehen, dass der Beklagte zum Tanzen auf die Bierbank stieg. Das Verhalten des Beklagten sowie das der Klägerin entspreche dem einer Vielzahl der übrigen Gäste im Zelt. Die Gefahr, dass Gäste auf einer wackelnden Bierbank das Gleichgewicht verlieren und stürzen, habe von Anfang an bestanden und sei für alle Personen – die Klägerin eingeschlossen – erkennbar gewesen. Durch den Beklagten sei keine über diese allgemeine Gefahr hinausgehende Gefährdung geschaffen worden.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 16.03.2017, 13 U 165/16
 


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