Der Doktorgrad kann entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Promovend zahlreiche Passagen aus fremden Werken übernommen hat, ohne dies hinreichend kenntlich zu machen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung des ihr 1986 verliehenen Doktorgrades durch die Philosophische Fakultät der beklagten Universität. Nach der Veröffentlichung der Dissertation wurden Vorwürfe geäußert, die Klägerin habe gegen ihre wissenschaftliche Pflicht verstoßen, Übernahmen aus fremden Werken kenntlich zu machen. Die daraufhin von der Beklagten Anfang der 1990er Jahre eingesetzte Kommission hatte eine nicht geringe Zahl von Verstößen gegen das Zitiergebot und gravierende methodische Mängel festgestellt. Sie hielt der Klägerin aber zugute, nicht mit Täuschungsvorsatz, sondern nachlässig gehandelt zu haben. Aufgrund der Empfehlung der Kommission sah der Fakultätsrat davon ab, gegen die Klägerin mit dem Ziel der Entziehung des Doktorgrades vorzugehen.

Nachdem eine Internetplattform im Jahr 2011 veröffentlicht hatte, dass der Anteil nicht angegebener Übernahmen von Fremdtexten in der klägerischen Dissertation fast die Hälfte der Arbeit betreffe, setzte die Beklagte erneut eine Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vorwürfe ein. Diese bestätigte den Befund der Internetplattform. Daraufhin entzog die Beklagte der Klägerin den Doktorgrad, da der nunmehr festgestellte Umfang der Verschleierung von Übernahmen aus fremden Texten nur den Schluss zulasse, dass die Klägerin vorsätzlich getäuscht habe. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Einstellung des Verfahrens im Jahr 1991 die Beklagte nicht hindert, den Doktorgrad zu entziehen. Die der Entziehung zugrunde liegenden Regelungen seien verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Hochschulen beauftragen können, in der Promotionsordnung die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln. Dementsprechend habe die Beklagte in § 20 Absatz 2 ihrer Promotionsordnung unter anderem den Entzug des Doktorgrades wegen Täuschung vorsehen können.

Der gesetzliche Regelungsauftrag sei in der berufungsgerichtlichen Auslegung, wonach nur wissenschaftsbezogenes Fehlverhalten zu einer Entziehung des Doktorgrades führen kann, inhaltlich hinreichend bestimmt. Eine detailliertere gesetzliche Regelung war nach Ansicht des BVerwG nicht erforderlich, weil das Promotionswesen wesentlicher Bestandteil der von Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz geschützten akademischen Selbstverwaltung ist. Auch habe die Möglichkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht gesetzlich befristet werden müssen, weil mit der Verleihung des Doktorgrades – anders als mit berufsqualifizierenden Hochschulabschlüssen – Erwartungen an das künftige wissenschaftsrelevante Verhalten verbunden sind.

Nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen habe die Klägerin 327 Verstöße gegen das wissenschaftliche Zitiergebot begangen, die 46 Prozent ihrer Arbeit umfassen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe daher bei ihrer Promotionsleistung getäuscht, sei revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Davon ausgehend begegne auch die Ausübung des Entziehungsermessens keinen Bedenken. Die Abwägung der widerstreitenden Belange halte sich innerhalb des der Beklagten eröffneten Spielraums. Angesichts der Schwere der Verstöße fielen die mit der Entziehung verbundenen Nachteile der Klägerin und die seit der Promotion verstrichene Zeit nicht derart ins Gewicht, dass die Beklagte von einer Entziehung zwingend hätte absehen müssen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2017, BVerwG 6 C 3.16


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