Für die Prüfung der Leistungspflicht in zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Behandlungsfällen ist oftmals eine Begutachtung erforderlich. Dabei steht es nicht im Belieben der gesetzlichen Krankenkassen, sich einen bestimmten Gutachter oder Gutachterdienst auszuwählen. Das Sozialgesetzbuch bestimmt, dass die Krankenkassen allein den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung beauftragen dürfen. Dies hebt das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in zwei Urteilen hervor.

In dem ersten entschiedenen Fall litt ein Kind an einer schweren Zahnfehlstellung und beantragte eine kieferorthopädische Behandlung. Die Krankenkasse holte daraufhin ein kieferorthopädisches Gutachten von einem Gutachter der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ein. Auf der Grundlage dieses eine DIN-A 4-Seite umfassenden Gutachtens lehnte die Krankenkasse die Leistung ab, ohne den MDK mit einem Gutachten zu beauftragen. Erst ein Jahr später bewilligte sie die Leistung auf einen geänderten Antrag hin. Zwischenzeitlich hatte das Kind unter starken Schmerzen gelitten, es mussten mehrere Zähne entfernt werden. Das Kind macht vor dem Landgericht Schmerzensgeld geltend und begehrt daher die Feststellung, dass die zunächst erfolgte Ablehnung der kieferorthopädischen Behandlung rechtswidrig gewesen ist. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige hat in einem ausführlichen Gutachten dargestellt, dass die kieferorthopädische Behandlung von Anfang an indiziert gewesen wäre.

Im zweiten Verfahren begehrte eine Versicherte eine Implantatversorgung mit der Begründung, dass eine anderweitige Prothesenversorgung aufgrund einer schweren Mundtrockenheit infolge einer Tumorbehandlung bei ihr nicht möglich sei. Die Krankenkasse wandte sich unmittelbar an einen niedergelassenen Zahnarzt. Dessen eine DIN-A 4-Seite umfassendes Gutachten war Grundlage der ablehnenden Entscheidung der Kasse. Seit der Antragstellung waren sieben Wochen vergangen, die Krankenkasse hatte die Versicherte nicht über einen hinreichenden Grund für die verzögerte Bearbeitung in Kenntnis gesetzt.

Das LSG hat in beiden Verfahren entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen auch zahnmedizinische oder kieferorthopädische Leistungsfälle ausschließlich durch den MDK begutachten lassen dürfen. Die Beauftragung anderer Gutachter oder Gutachterdienste verstoße gegen die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 275 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V sowie gegen den Datenschutz und sei daher rechtswidrig.
Versäume die Krankenkasse in solchen Fällen zudem die gesetzliche Entscheidungsfrist von drei Wochen, gelte die beantragte Leistung als genehmigt. Auf eine längere Entscheidungsfrist könne sich die Krankenkasse nicht berufen, wenn sie in rechtswidriger Weise nicht den MDK, sondern einen Gutachter der kassenzahnärztlichen Vereinigung beauftragt habe.

Das LSG hat die Revision gegen seine Urteile jeweils nicht zugelassen.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteile vom 27.06.2017, L 5 KR 170/15 und L 5 KR 260/16


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