Zeigen sich nach einer unfallbedingten Gipsschienenbehandlung bei einem Patienten Symptome eines Kompartmentsyndroms, muss der mit der Nachsorge betraute Hausarzt diese abklären lassen. Versäumt er dies, kann ein grober Behandlungsfehler vorliegen, für den dem Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zustehen kann, wenn er infolge des Arztfehlers seinen rechten Unterarm verliert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.

Der damals 48 Jahre alte Kläger erlitt im Mai 2012 bei einem Unfall ein Anpralltrauma am rechten Unterarm. Nach der Diagnose einer Prellung des rechten Unterarms/Ellenbogens und der rechten Hand wurden diese durch eine Gipsschiene ruhig gestellt. Im Rahmen der Nachsorge durch die beklagten Hausärzte zeigten sich circa eine Woche nach dem Unfall am rechten Unterarm eine deutliche Schwellung, ein Hämatom und eine Bewegungsminderung. Zudem berichtete der Kläger über massive Schmerzen. Der behandelnde Arzt ließ seine Gipsschiene erneuern und verordnete ein Schmerzmittel. Drei Tage später suchte der Kläger die Praxis erneut auf, weil sein rechter Arm dick geschwollen und insgesamt druckempfindlich war. Er wurde daraufhin an einen niedergelassenen Chirurgen und von diesem noch am selben Tage in eine Klinik überwiesen, wo ein fortgeschrittenes Kompartmentsyndrom am rechten Unterarm diagnostiziert wurde. Im Verlauf der sich anschließenden Behandlung musste der rechte Unterarm des Klägers amputiert werden.

Mit der Begründung, die beklagten Hausärzte hätten die Möglichkeit eines Kompartmentsyndroms behandlungsfehlerhaft zu spät in Betracht gezogen, hat der Kläger Schadenersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro. Die Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg. Im Unterschied zum Landgericht Bochum konnte das OLG Hamm nach – weiterer – sachverständiger Beratung einen groben Behandlungsfehler auf Seiten der Beklagten feststellen.

Der den Kläger behandelnde Hausarzt habe, so das OLG, im Rahmen der Nachsorge circa eine Woche nach dem Unfall die Möglichkeit eines Kompartmentsyndroms abklären lassen müssen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich beim Kläger erstmals ein Hämatom gebildet, er habe unter massiven Schmerzen gelitten. Der rechte Arm sei geschwollen, seine Beweglichkeit sei eingeschränkt gewesen. Bei dieser Situation habe der Arzt den Kläger in Richtung auf ein Kompartmentsyndrom befunden und ihn gegebenenfalls umgehend in chirurgische Behandlung überweisen müssen. Nach dem Ergebnis der vom OLG durchgeführten Beweisaufnahme sei eine derartige Befundung unterblieben.

In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen sei dieses Versäumnis im vorliegenden Fall als grob behandlungsfehlerhaft zu bewerten. Ein Kompartmentsyndrom sei eine schwerwiegende Erkrankung, die sogar zum Verlust von Gliedmaßen führen könne.

Aufgrund des groben Behandlungsfehlers komme dem Kläger eine Beweislastumkehr zugute. Deswegen sei davon auszugehen, dass die weiteren schwerwiegenden Behandlungsfolgen, insbesondere die Notwendigkeit zur Amputation des rechten Unterarms, auf die fehlerhaft zu späte Behandlung des Kompartmentsyndroms zurückzuführen seien.

Der Höhe nach sei ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro notwendig und angemessen. Der Kläger müsse sein Leben lang mit den aus der Amputation resultierenden Beeinträchtigungen leben.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.06.2017, 26 U 59/16


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