Ein Anbieter von Luxuswaren kann es seinen autorisierten Händlern verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen. Dies jedenfalls meint Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Nils Wahl. Seiner Ansicht nach fällt ein solches Verbot, das die Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der betreffenden Waren bezweckt, unter bestimmten Bedingungen nicht unter das Kartellverbot, da es geeignet sei, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern.

Coty Germany ist einer der führenden Anbieter von Luxuskosmetik in Deutschland. Um die luxuriöse Ausstrahlung bestimmter von ihr angebotener Marken zu wahren, vertreibt sie diese im selektiven Vertrieb, also über autorisierte Händler. Die Ladengeschäfte dieser Händler müssen einige Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung erfüllen. Die autorisierten Händler sind auch berechtigt, die Vertragswaren im Internet anzubieten und zu verkaufen. Hierzu sehen die Vertriebsverträge seit einer Anpassung in 2012 vor, dass dies nur unter der Bedingung gilt, dass das Internet-Geschäft als "elektronisches Schaufester" des autorisierten Ladengeschäfts geführt wird und hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt. Außerdem ist es dem autorisieren Händler verboten, für den Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten.

Parfümerie Akzente vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler die Produkte von Coty Germany sowohl in ihren Ladengeschäften als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über ihren eigenen Internet-Shop und zum Teil über Amazon. Da Parfümerie Akzente den 2012 eingeführten Änderungen des Vertriebsvertrags nicht zustimmte, erhob Coty Germany vor deutschen Gerichten Klage, um ihr zu untersagen, die Vertragswaren über "amazon.de" zu vertreiben. In diesem Kontext fragt das Oberlandesgericht (OLH) Frankfurt am Main den EuGH, ob das fragliche Verbot mit dem Wettbewerbsrecht der EU vereinbar ist.

Generalanwalt Wahl weist dazu zunächst darauf hin, dass der EuGH bereits anerkannt hat, dass Luxuswaren in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems erfordern können, um ihre Qualität zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten. So fielen selektive Vertriebssysteme, die – wie das von Coty Germany – auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines "Luxusimages" der Waren dienen, nicht von vorneherein unter das Kartellverbot, wenn sie drei Kriterien erfüllen: Erstens müsse die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Zweitens müsse die Natur des fraglichen Erzeugnisses einschließlich des Prestigeimages zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs einen selektiven Vertrieb erfordern. Drittens dürften die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.

Konkret zur streitigen Klausel, nach der Coty Germany es ihren autorisierten Händlern verbietet, für Online-Verkäufe der Vertragswaren nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ist Wahl der Ansicht, dass auch eine solche Klausel nicht von vorneherein unter das Kartellverbot fällt, wenn sie erstens durch die Natur der Ware bedingt ist, zweitens einheitlich festgelegt und unterschiedslos angewandt wird und drittens nicht über das Erforderliche hinausgeht. Ob dies der Fall ist, müsse letztlich das OLG prüfen.

Nach Ansicht des Generalanwalts dürfte die streitige Klausel, vorbehaltlich der Prüfung durch das OLG, nicht unter das Kartellverbot fallen. Denn das durch sie vorgesehene Verbot sei geeignet, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern. Denn es könne das Luxusimage der betreffenden Waren in verschiedener Hinsicht wahren. Es gewährleiste nicht nur, dass diese Waren in einer Umgebung verkauft werden, die den von der Spitze des Vertriebsnetzes gestellten Qualitätsanforderungen entspricht, sondern erlaube es auch, sich gegen Phänomene des Parasitismus zu wappnen und zu verhindern, dass die vom Anbieter und anderen zugelassenen Händlern zur Verbesserung der Qualität und des Ansehens der betreffenden Waren unternommenen Investitionen und Anstrengungen anderen Unternehmen zugutekommen.

Coty Germany habe keineswegs eine absolutes Verbot des Online-Verkaufs vorgesehen, sondern ihren autorisierten Händlern lediglich vorgeschrieben, die Vertragswaren nicht über Drittplattformen zu vermarkten, da diese nicht verpflichtet seien, die qualitativen Anforderungen zu erfüllen, die sie ihren autorisierten Händlern vorgebe, betont Wahl. Die streitige Klausel erhalte den autorisierten Händlern die Möglichkeit, die Vertragswaren über ihre eigenen Internetseiten zu vertreiben. Zudem verbiete sie es ihnen nicht, nach außen nicht erkennbar Drittplattformen für den Vertrieb der Vertragswaren zu nutzen.
Außerdem seien in diesem Stadium der Entwicklung des elektronischen Handels die eigenen Online-Verkaufsstellen der Vertriebshändler der bevorzugte Vertriebskanal im Internet. Daher lasse sich das an die autorisierten Händler gerichtete Verbot, nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ungeachtet der zunehmenden Bedeutung dieser Plattformen bei der Vermarktung der Waren der Einzelhändler zum gegenwärtigen Stand der Entwicklung des elektronischen Handels nicht mit einem völligen Verbot oder einer wesentlichen Beschränkung des Verkaufs über das Internet vergleichen.

Was die Verhältnismäßigkeit betrifft, sieht Wahl keine Aspekte, die den Schluss zuließen, dass das streitige Verbot zum jetzigen Zeitpunkt allgemein als in einem Missverhältnis zum angestrebten Ziel stehend anzusehen wäre. Insbesondere könne die Einhaltung qualitativer Vorgaben, die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems in legitimer Weise verlangt werden kann, nur wirksam gewährleistet werden, wenn die Umgebung des Internetverkaufs von autorisierten Händlern, die vertraglich an den Anbieter/die Spitze des Vertriebsnetzes gebunden sind, und nicht von einem Drittbetreiber, dessen Praktiken sich dem Einfluss des Anbieters entziehen, gestaltet wird.

Für den Fall, dass entschieden wird, dass die streitigen Beschränkungen grundsätzlich unter das Kartellverbot fallen und zudem tatsächlich wettbewerbsbeschränkend sind, hat Wahl noch geprüft, ob sie geeignet sind, in den Genuss einer Freistellung, insbesondere einer Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 330/2010 zu kommen. Hierzu ist er der Auffassung, dass das streitige Verbot keine Kernbeschränkung im Sinne dieser Verordnung darstellt, sodass es nicht von vorneherein vom Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist. Das streitige Verbot stelle nämlich weder eine Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne der Verordnung dar.

Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Schlussanträge vom 26.07.2017, C-230/16


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