Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hält die vom Gesetzgeber in § 32 Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes festgesetzten Kinderfreibeträge für verfassungswidrig zu niedrig und hat deshalb das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen. Das vom FG hierzu ausgesetzte Verfahren betraf das Jahr 2014. Die Problematik bestehe aber weiter, meint das FG. Die inzwischen beschlossene Erhöhung der Freibeträge zum 01.01.2017 ändere hieran nicht, weil die Berechnungsmethode angreifbar sei.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG müsse bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein Betrag in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleiben, erläutert das FG den rechtlichen Hintergrund. Auf den Teil des Einkommens, den man bei Bedürftigkeit als Sozialleistung erhalten würde, dürfe keine Einkommensteuer erhoben werden. Die Höhe des Existenzminimums werde alle zwei Jahre von der Bundesregierung ermittelt. Auf Grundlage dieser Ermittlung werde bei der Festsetzung der Einkommensteuer für jedes Kind ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- beziehungsweise Ausbildungsbedarf abgezogen. Der nach einer Durchschnittsberechnung vom Gesetzgeber festgelegte Kinderfreibetrag lege für alle Kinder ein sächliches Existenzminimum zugrunde, das niedriger sei als der sozialhilferechtliche Regelbedarf eines Kindes ab dem sechsten Lebensjahr. Das gelte auch für ältere oder volljährige Kinder, die zum Beispiel wegen einer Ausbildung oder als behinderte Kinder zu berücksichtigen sind.

Das FG Niedersachsen ist eigenen Angaben zufolge zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesetzgeber die Höhe der Kinderfreibeträge in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgelegt hat. Die vom Gesetzgeber verwendete Berechnungsweise führe dazu, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens Einkommensteuer auf das Existenzminimum ihrer zwei Töchter (16 und 21 Jahre alt, in Ausbildung) zahlen müsse. Außerdem hätte der Gesetzgeber auch nach seiner eigenen Berechnungsmethode für das Streitjahr 2014 in jedem Fall einen um jährlich 72 Euro höheren Freibetrag ansetzen müssen. Das FG habe das Klageverfahren daher ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die gesetzliche Regelung zur Höhe der Kinderfreibeträge verfassungswidrig ist.

Die Entscheidung hat laut FG Bedeutung für alle Eltern, die für ihre Kinder einen Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag haben. Eine Erhöhung der einkommensteuerlichen Kinderfreibeträge wirke sich nicht nur bei solchen Steuerpflichtigen aus, für die der Kinderfreibetrag günstiger sei als das Kindergeld, sondern betreffe alle, weil die Kinderfreibeträge immer bei der Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages berücksichtigt würden. Auch die am 01.12.2016 vom Deutschen Bundestag beschlossene Erhöhung des Kinderfreibetrages um 72 Euro ab 01.01.2017 würde an der Problematik nichts ändern, weil die Berechnungsmethode unverändert bleibe.

Finanzgericht Niedersachsen, Beschluss vom 02.12.2016, 7 K 83/16


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