Ein Hofeigentümer kann einen Abfindungsanspruch auf Übertragung von Grundstücken aus dem Hofbesitz zu erfüllen haben, auch wenn er deswegen eine erhebliche Steuerlast zu tragen hat, weil die Entnahme der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen einen zu versteuernden Gewinn darstellt. Das hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Münster bestätigt.

Die bereits in den 1970er Jahren verstorbenen Eltern des 1934 geborenen Antragstellers, zugleich die Schwiegereltern der 1939 geborenen Antragsgegnerin, waren Eigentümer eines Hofes. 1969 übertrugen sie den Hofbesitz ihrem älteren, 1929 geborenen Sohn, dem damaligen Ehemann der Antragsgegnerin. Dieser verstarb 2002 und wurde von der Antragsgegnerin allein beerbt. Mit der Hofübertragung vereinbarten die Eltern mit ihren beiden Söhnen auch eine Erb- und Pflichtteilsansprüche umfassende Abfindung des Antragstellers. Neben einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück sollte dieser seinerzeit landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit einer Größe von 3.750 Quadratmetern aus dem übertragenen Hofbesitz – unentgeltlich und lastenfrei – erhalten, sobald diese bebauungsreif sein sollten. Die Bebauungsreife dieser Grundstücke trat aufgrund eines 2004 verabschiedeten Bebauungsplans ein.

2013 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur lastenfreien Übertragung der Grundstücke auf. Zur Erstattung der von der Antragsgegnerin für die Grundstücke bereits verauslagten Entwässerungsbeiträge in Höhe von circa 25.000 Euro erklärte sich der Antragsteller bereit. Die Antragsgegnerin hat der Übertragung widersprochen, unter anderem aufgrund einer ihr durch die Übertragung entstehenden erheblichen Steuerlast. Durch eine Herausnahme der Flächen aus dem steuerlichen Betriebsvermögen müsse, so die Antragsgegnerin, die Differenz zwischen Verkehrs- und Buchwert der Flächen versteuert werden. Dies führe zu einer Einkommensteuerlast zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von insgesamt circa 445.000 Euro, die sie aus dem Hofbetrieb nicht aufbringen könne.

Das Begehren des Antragstellers war erfolgreich. Das OLG Hamm hat die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Landwirtschaftsgerichts zurückgewiesen. Gegen Erstattung der verauslagten Entwässerungsbeträge, die sich der Antragsteller anrechnen lasse, habe ihm die Antragsgegnerin den infrage stehenden Grundbesitz lastenfrei und unentgeltlich zu übertragen, so der Senat.

Der Abfindungsanspruch sei rechtswirksam zwischen dem Antragsteller und seinem Bruder vereinbart worden und nunmehr von der Antragsgegnerin als Erbin des verstorbenen Bruders zu erfüllen. Er sei nicht verjährt.

Von der Erstattung steuerlicher Belastungen oder eine Beteiligung des Antragstellers an derartigen Lasten könne die Antragsgegnerin die Erfüllung des Anspruchs nicht abhängig machen. Zwar müsse sie die Grundstücke aus dem Betriebsvermögen ihres Hofes herausnehmen und dem Antragsteller zu Eigentum übertragen. Dabei sei der Wert der Grundstücksentnahme steuerlich dem Gewinn des Hofes zuzurechnen, woraus sich – nach ihrer Berechnung – eine Steuerlast von circa 445.000 Euro ergeben werde. An dieser Steuerlast habe sich der Antragsteller aber nicht zu beteiligen. Ihm seien die Grundstücke unentgeltlich und lastenfrei zu übertragen. Das folge aus dem Abfindungsvertrag von 1969, der insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke und keine anderslautende Geschäftsgrundlage aufweise, die eine Vertragsanpassung im Sinne der Antragsgegnerin rechtfertigen könnten.
 
Bereits bei Vertragsabschluss sei absehbar gewesen, dass es aufgrund einer Differenz zwischen Buchwert und tatsächlichen Verkehrswert zu einer erhöhten Einkommensteuerlast des Hofeigentümers kommen würde, wenn er die Abfindungsfläche aus dem Hofvermögen entnehme. Dennoch sei vereinbart worden, dass die Grundstücke nicht schon bei Vertragsschluss, sondern erst bei ihrer Baureife zu übertragen seien. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie der Hofübernehmer landwirtschaftlich nutzen können sollen. Dass die Vertragsparteien in Kenntnis dieser Umstände keine Regelung zu einer möglichen Beteiligung des Abfindungsberechtigten an den späteren Steuerlasten des Hofübernehmers getroffen hätten, lasse darauf schließen, dass jeder Vertragsbeteiligte die für ihn festgesetzten Steuern selbst tragen solle.

Für diese Bewertung spreche auch, dass der Antragsteller mit dem Abfindungsvertrag vollständig aus dem elterlichen Vermögen habe abgefunden werden sollen und sich in Bezug auf die infrage stehenden Grundstücke mit einem Übertragungsanspruch begnügt habe, von dem zum damaligen Zeitpunkt keiner gewusst habe, ob und wann dieser Anspruch vom Hofeigentümer zu erfüllen sei. Die Baureife dieser Grundstücke sei dann tatsächlich auch erst 35 Jahre nach Vertragsschluss eingetreten.

Außerdem habe die Antragsgegnerin angesichts der bevorstehenden Erfüllung der Abfindungsvereinbarung rechtzeitig Rücklagen bilden oder Teile der streitgegenständlichen Fläche frühzeitig aus ihrem Betriebsvermögen entnehmen und so die sie künftig treffende Einkommensteuerlast vermindern können. Im Übrigen habe sie – neben den zu übertragenden Flächen – weitere Flächen von circa 13.500 Quadratmetern aus dem Hofbesitz als Bauland ausgewiesen bekommen, durch deren Verwertung sie die Einkommensteuerlast ausgleichen könne.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 08.12.2016, 10 W 208/15


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