Der Anscheinsbeweis für die auch private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs ist nicht erschüttert, wenn der Steuerpflichtige zwar vorträgt, ihm stehe ein weiteres Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung, er aber gleichzeitig aussagt, dass dieses auch von seiner Lebensgefährtin für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird. Dies geht aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster hervor.

Der Kläger war im Streitjahr 2010 als Versicherungsvertreter gewerblich tätig. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung. Im Betriebsvermögen hielt er einen VW Touareg, den seine Lebensgefährtin mit Vertrag vom 09.12.2005 geleast hatte. Die Leasingraten und die Fahrzeugkosten trug der Kläger. Die wirtschaftliche Zurechnung des VW zum Kläger ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger für das Fahrzeug – wie auch in 2009 – nicht.

Bereits für 2009 war der Ansatz einer privaten Kfz-Nutzung, die der Kläger mit 6.612 Euro (Bruttolistenpreis 55.100 Euro X ein Prozent X zwölf Monate) angesetzt hatte, streitig. Zur Begründung seiner gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 erhobenen Klage führte der Kläger aus, dass der VW Touareg ausschließlich betrieblich genutzt werde. Für Privatfahrten stehe ihm ein Suzuki Vitara zur Verfügung, der auch von der Lebensgefährtin für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werde. Beide Fahrzeuge seien in Status und Ausstattung als gleichwertig anzusehen. Wegen der Kilometerbegrenzung gemäß Leasingvertrag komme eine Privatnutzung des Leasingfahrzeugs nicht in Betracht.

Für das Streitjahr 2010 gab der Kläger erneut einen Privatnutzungsanteil für das Fahrzeug in Höhe von 6.612 Euro in seiner Gewinnermittlung an. Gegen den Einkommensteuerbescheid legte er Einspruch ein und verwies auf das zu diesem Zeitpunkt noch laufende Klageverfahren für 2009. Nachdem der Kläger die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 2009 sodann zurückgenommen hatte, führte er zum Einspruchsverfahren für 2010 ergänzend aus, dass er seinen Geschäftsbetrieb seit August 2009 in seinem Wohnhaus unterhalte und daher keine Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mehr anfielen.

Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Der VW Touareg und der Suzuki Vitara seien nach Alter, Größe, Leistung und Preis nicht als gleichwertig anzusehen. Da für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte kein Zuschlag angesetzt worden sei, komme es auf die Verlegung des Betriebs in das Privathaus nicht an.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2010 sei nicht rechtswidrig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten, so das FG. Der Beklagte habe zu Recht einen Privatnutzungsanteil für den VW Touareg in Höhe von 6.612 Euro angesetzt. Nach dem Einkommensteuergesetz sei die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit einem Prozent des inländischen Listenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Nach dem Beweis des ersten Anscheins ergebe sich, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Etwas anderes gelte, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch ungeeignet ist. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises reiche die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das Fahrzeug sei nicht privat genutzt worden, nicht aus. Der Anscheinsbeweis sei demgegenüber entkräftet, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind.

Im Streitfall spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs VW Touareg. Dieser eigne sich typischerweise auch für Privatfahrten und habe dem Kläger uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, so das FG. Der Kläger habe den Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Dabei könne dahinstehen, ob der VW Touareg dem Suzuki Vitara in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Denn der Vitara habe dem Kläger nicht uneingeschränkt für Privatfahrten zur Verfügung gestanden. Nach dessen eigenen Angaben habe seine Lebensgefährtin dieses Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass sie das Fahrzeug auch für Privatfahrten nutzte. Bei einem solchen Sachverhalt gehe auch der Bundesfinanzhof nicht von einer Erschütterung des Anscheinsbeweises aus (vgl. Urteil vom 19.05.2009, VIII R 60/06).

Der Vortrag des Klägers, aufgrund einer Beschränkung der Kilometerleistung nach dem Leasingvertrag scheide eine Privatnutzung aus, führt laut FG ebenfalls nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises. Eine solche Beschränkung sei bereits nicht nachgewiesen worden. Von den vorgelegten Leasingverträgen enthalte lediglich der ursprüngliche Vertrag von 2005, der Ende 2009 auslief, eine "vereinbarte Gesamtfahrleistung". Aus dem Verlängerungsvertrag von 2010 ergebe sich eine solche Beschränkung gerade nicht mehr. Unabhängig davon seien bei einer im Leasingvertrag vereinbarten Gesamtfahrleistung von 20.000 Kilometer pro Jahr Privatfahrten nicht ausgeschlossen.

Weitere Begründungen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises habe der Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere habe er kein Fahrtenbuch geführt. Aus diesem Grund komme der Ansatz der Nutzungsentnahme nur nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung und nicht nach den tatsächlichen Fahrzeugkosten in Betracht. Die Höhe des Bruttolistenpreises sei vom Kläger selbst angesetzt worden und zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.06.2017, 7 K 3919/14 E


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