Die Geltendmachung einer ungarischen Straßenmaut vor deutschen Zivilgerichten ist zulässig. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Die Klägerin ist eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist. Die Beklagte ist ein im Inland ansässiges Autovermietungsunternehmen. Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde im November 2017 insgesamt fünfmal ein Abschnitt der ungarischen Autobahn befahren, für den auf Grundlage der ungarischen Mautverordnung eine Straßenmaut zu entrichten ist. Schuldner der Maut ist nach § 15 Absatz 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) zum Preis von 2.975 HUF (ungarische Forint = zurzeit 7,30 Euro) entrichtet, ist nach Anlage 1 der Mautverordnung eine Grundersatzmaut von 14.875 HUF (zurzeit 36,52 Euro) bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu entrichten beziehungsweise eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 HUF (zurzeit 146,06 Euro) bei Zahlung nach mehr als 60 Tagen, was den Betrag für eine vorab erworbene virtuelle Vignette jeweils um ein Vielfaches übersteigt.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von insgesamt 958,95 Euro nebst Zinsen sowie 409,35 Euro außergerichtlicher Inkassokosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) die Beklagte zur Zahlung von 958,95 Euro (ohne Zinsen) sowie 362,95 Euro außergerichtlichen Inkassokosten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als es die Verurteilung zur Zahlung in Euro anstatt in ungarischen Forint betrifft.

Nach Art. 21 der für internationale vertragliche Schuldverhältnisse geltenden Rom-I- VO kann die Anwendung des darin bezeichneten ausländischen Rechts versagt werden, wenn sie mit der inländischen öffentlichen Ordnung ("ordre public") offensichtlich unvereinbar wäre.

Der BGH hat entschieden, dass die nach dem hier anwendbaren ungarischen Recht vorgesehene alleinige Haftung des Fahrzeughalters für die Bezahlung der Maut auch im Fall der Fahrzeugüberlassung durch ein Autovermietungsunternehmen nicht mit Grundsätzen des inländischen Rechts unvereinbar ist. Eine Anknüpfung von Einstandspflichten an die Haltereigenschaft sei auch dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd, wie die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Bundesfernstraßenmaut, die zivilrechtliche Haftung eines Fahrzeughalters nach § 7 Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz und die Rechtsprechung des BGH zur zivilrechtlichen Haftung des Halters bei unberechtigt abgestellten Fahrzeugen zeigten. Soweit der in Anspruch genommene Fahrzeughalter die Beweislast dafür trägt, dass vor der mautpflichtigen Straßenbenutzung eine virtuelle Vignette erworben wurde, könne er dem durch Vorlage der erhaltenen Quittung oder des erhaltenen Kontrollabschnitts nachkommen.

Auch die "erhöhte Zusatzgebühr" verstößt nach Ansicht des BGH nicht gegen den ordre public, da sie als eine Form der Vertragsstrafe anzusehen und damit dem deutschen Recht ebenfalls nicht völlig fremd ist. Vergleichbare Regelungen kenne das deutsche Recht etwa in Gestalt des erhöhten Beförderungsentgelts, wenn ein Fahrgast sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat.

Allerdings könnten Fremdwährungsschulden grundsätzlich nur als solche, also in fremder Währung eingeklagt werden, sodass eine auf Zahlung in Euro gerichtete Klage dann abzuweisen wäre. Anders verhielte es sich nur dann, wenn die Klägerin nach dem anwendbaren ungarischen Recht dazu berechtigt sein sollte, die Mautschulden auch in Euro statt in ungarischen Forint zu verlangen. Dazu fehle es bislang an Feststelllungen des LG, die dieses nachzuholen haben werde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2022, XII ZR 7/22


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