1.
Risikoschwangerschaften sind Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist. Dazu zählen insbesondere:

  1. I.

    Nach Anamnese

    1. a)

      Schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter (z. B. an Niere und Leber oder erhebliche Adipositas)

    2. b)

      Zustand nach Sterilitätsbehandlung, wiederholten Aborten oder Frühgeburten

    3. c)

      Totgeborenes oder geschädigtes Kind

    4. d)

      Vorausgegangene Entbindungen von Kindern über 4.000 g Gewicht, hypotrophen Kindern (small for date babies), Mehrlingen

    5. e)

      Zustand nach Uterusoperationen (z. B. Sectio, Myom, Fehlbildung)

    6. f)

      Komplikationen bei vorangegangenen Entbindungen (z. B. Placenta praevia, vorzeitige Lösung der Placenta, Rißverletzungen, Atonie oder sonstige Nachgeburtsblutungen, Gerinnungsstörungen, Krämpfe, Thromboembolie)

    7. g)

      Erstgebärende unter 18 Jahren oder über 35 Jahre

    8. h)

      Mehrgebärende über 40 Jahre, Vielgebärende mit mehr als vier Kindern (Gefahren: Genetische Defekte, sog. Placentainsuffizienz, geburtsmechanische Komplikationen).

  2. II.

    Nach Befund (jetzige Schwangerschaft)

    1. a)

      Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (in allen ihren Ausprägungen)

    2. b)

      Anämie unter 10 g/100 ml (g %)

    3. c)

      Diabetes mellitus

    4. d)

      Uterine Blutung

    5. e)

      Blutgruppen-Inkompatibilität (Früherkennung und Prophylaxe des Morbus naemolyticus fetalis bzw. neonatorum)

    6. f)

      Diskrepanz zwischen Uterus- bzw. Kindsgröße und Schwangerschaftsdauer (z. B. fraglicher Geburtstermin, retardiertes Wachstum, Riesenkind, Gemini, Molenbildung, Hydramnion, Myom)

    7. g)

      Drohende Frühgeburt (vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz)

    8. h)

      Mehrlinge; pathologische Kindslagen

    9. i)

      Überschreitung des Geburtstermins bzw. Unklarheit über den Termin

    10. j)

      Pyelonephritis.

2.
Aus Risikoschwangerschaften können sich Risikogeburten entwickeln. Bei folgenden Befunden ist mit einem erhöhten Risiko unter der Geburt zu rechnen:

  1. a)

    Frühgeburt

  2. b)

    Placenta praevia, vorzeitige Placentalösung

  3. c)

    Jede Art von Mißverhältnis Kind/Geburtswege.

3.
Bei Risikoschwangerschaften können häufigere als vierwöchentliche Untersuchungen (bis zur 32. Woche) bzw. häufigere als zweiwöchentliche Untersuchungen (in den letzten 8 Schwangerschaftswochen) angezeigt sein.

4.
Bei Risikoschwangerschaften können neben den üblichen Untersuchungen noch folgende in Frage kommen:

  1. a)

    Ultraschall-Untersuchungen (Sonographie)

    (Die Voraussetzungen für die Durchführung von zusätzlichen Ultraschall-Untersuchungen bei Risikoschwangerschaften, die über das sonographische Screening hinausgehen, werden im Abschnitt A. Nr. 6 abgehandelt und sind in den Anlagen 1c und 1d zu diesen Richtlinien spezifiziert.)

  2. b)

    Tokographische Untersuchungen vor der 28. Schwangerschaftswoche bei Verdacht auf vorzeitige Wehentätigkeit oder bei medikamentöser Wehenhemmung

  3. c)

    Kardiotokographische Untersuchungen (CTG)

    (Kardiotokographische Untersuchungen können in der Schwangerenvorsorge nicht routinemäßig durchgeführt werden. Sie sind nur nach Maßgabe des Indikationskataloges nach Anlage 2 der Richtlinien angezeigt)

  4. d)

    Amnioskopien

  5. e)

    Fruchtwasseruntersuchungen nach Gewinnung des Fruchtwassers durch Amniozentese

  6. f)

    Transzervikale Gewinnung von Chorionzottengewebe oder transabdominale Gewinnung von Plazentagewebe

5.
Von der Erkennung eines Risikomerkmals ab soll ein Arzt die Betreuung einer Schwangeren nur dann weiterführen, wenn er die Untersuchungen nach Nr. 4. a) bis f) erbringen oder veranlassen und die sich daraus ergebenen Maßnahmen durchführen kann. Anderenfalls soll er die Schwangere einem Arzt überweisen, der über solche Möglichkeiten verfügt.

6.
Der betreuende Arzt soll die Schwangere bei der Wahl der Entbindungsklinik unter dem Gesichtspunkt beraten, daß die Klinik über die nötigen personellen und apparativen Möglichkeiten zur Betreuung von Risikogeburten und/oder Risikokindern verfügt.

Zu Abschnitt B.: Geändert am 22. 6. 1990 (BArbBl Nr. 9), 22. 11. 1994 (BAnz 1995 Nr. 7), 24. 4. 1998 (BAnz Nr. 136) und 18. 7. 2013 (BAnz AT 22.08.2013 B2).