Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Was unter Ausbildung zu verstehen ist

Je nach Art und Zweck einer Bildungsmaßnahme können die Aufwendungen dafür steuerlich als Werbungskosten oder Betriebsausgaben in voller Höhe (Fortbildung), als Sonderausgaben in begrenzter Höhe (Ausbildung) oder als Kosten der Lebensführung überhaupt nicht (Allgemeinbildung oder Liebhaberei wie etwa Seniorenstudium) abziehbar sein. Aufwendungen von Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder sind dagegen mit dem Erziehungsfreibetrag und ggf. dem Ausbildungsfreibetrag abgegolten. Allerdings können die von den Eltern gezahlten Ausbildungskosten ihrer Kinder in deren Steuererklärung angesetzt werden (Niedersächsisches FG vom 24.8.2005, 3 K 220/05, EFG 2006 S. 960; BFH-Urteil vom 22.7.2003, VI R 4/02, BFH/NV 2004 S. 32).

Was Berufsausbildung seit 2004 ist (§ 12 Nr. 5 EStG)

  • allgemeine Schulausbildung (z.B. mittlere Reife, Abitur);

  • erstmalige nichtakademische Berufsausbildung (ausgenommen duale Berufsausbildung);

  • Erststudium (an Universität, Fachhochschule usw.).

Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug ist, dass diese Ausbildungen nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschuldet werden (kein Ausbildungsdienstverhältnis) und auch nicht nach vorherigem Abschluss eines berufsqualifizierenden Studiums oder einer nichtakademischen Berufsausbildung erfolgen. Anderenfalls liegen Berufsfortbildungen vor, die zum Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug berechtigen, was steuerlich meist günstiger ist.

Unbezahlte Praktika und Anerkennungszeiten beurteilen sich wie das Studium oder die Ausbildung, in dessen Rahmen sie geleistet werden. Bezahlte Praktika führen zu Arbeitslohn.

Haben Sie Ihre Berufsausbildung zwar abgeschlossen, den erlernten Beruf allerdings nie ausgeübt, können Sie Ihre Kosten für eine Weiterbildung im nicht ausgeübten Beruf nicht als Sonderausgaben absetzen (Verfügung der OFD Hannover vom 19.8.2004, DStR 2004 S. 1790).

Die Aufwendungen für eine Ausbildung sind kraft gesetzlicher Regelung nur als Sonderausgaben abziehbar bis zu folgender Obergrenze:

Sonderausgabenabzug (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG)

seit 2012

maximal 6.000,00 €

Dieser Höchstbetrag wird nicht zeitanteilig gekürzt, wenn Sie Ihre Ausbildung nicht ganzjährig durchgeführt haben.

Bei zusammen veranlagten Eheleuten spielt es keine Rolle, wer die Kosten für die Ausbildung eines der Ehepartner bezahlt hat (R 10.1 EStR 2012). Nehmen beide Ehegatten an einer Ausbildungsmaßnahme teil, kann jeder seine Aufwendungen bis zum obigen Höchstbetrag absetzen, wenn er seine Kosten einzeln auflistet. Eine Übertragung des von einem Ehegatten nicht ausgeschöpften Höchstbetrages auf den anderen Ehegatten ist aber nicht möglich.

Allgemeine Schulausbildung

Nur begrenzt abziehbare Sonderausgaben sind seit jeher die Kosten für einen Schulabschluss an allgemeinbildenden Schulen (Gymnasium, Realsschule, Hauptschule), da diese Schulen Allgemeinwissen vermitteln. Der Sonderausgabenabzug ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 10.12.1971, VI R 255/70, BStBl. 1972 II S. 242). Holen Sie also auf einem Abendgymnasium das Abitur nach, um sich bei Ihrem Arbeitgeber auf eine besser bezahlte Position bewerben zu können, sind die schulischen Kosten Sonderausgaben.

Zu den allgemeinbildenden Schulen zählen auch die Ersatz- und Ergänzungsschulen sowie Berufskollegien zum Erwerb der Fachhochschulreife (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721Tz. 7) und Fachoberschulen, die ein Fachabitur ermöglichen (BFH-Urteil vom 22.6.2006, VI R 5/04, BStBl. 2006 II S. 717).

Erstmalige Berufsausbildung

Die Kosten einer erstmaligen, nichtakademischen Berufsausbildung an einer privaten oder öffentlichen Schule sind begrenzt abziehbare Sonderausgaben, ausgenommen die Ausbildung ist Gegenstand eines Arbeitsverhältnisses (Ausbildungsdienstverhältnisses), wie etwa bei Lehrlingen (duale Berufsausbildung) und Beamtenanwärtern. Das wurde durch eine rückwirkend ab 2004 geltende Gesetzesänderung festgeschrieben und damit die anderslautende BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 ausgehebelt. Das Abzugsverbot für Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung als Werbungskosten ist nun in § 9 Abs. 6 EStG niedergelegt und das als Betriebsausgaben in § 4 Abs. 9 EStG. Darüber muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden, siehe unten bei Erststudium.

Erstmalig heißt, dass keine andere abgeschlossene Berufsausbildung bzw. kein abgeschlossenes berufsqualifizierendes Hochschulstudium vorausgegangen ist. Sind Sie ohne entsprechende Berufsausbildung berufstätig und holen eine solche nach, handelt es sich somit ebenfalls um eine erstmalige Berufsausbildung (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721Tz. 8).

Wann eine Berufsausbildung steuerlich als Erst- oder Zweitausbildung gilt, ist seit 2015 gesetzlich geregelt (§ 9 Abs. 6 EStG): Eine Berufsausbildung gilt zum Nachteil der Steuerpflichtigen nur dann als Erstausbildung, wenn die Abschlussprüfung einer geordneten Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung bestanden wurde. Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Für externe Prüflinge, die zu einer Prüfung zugelassen werden, ohne zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen zu haben, gibt es eine Ausnahme. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, ist die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung abgeschlossen. Vollzeit liegt vor bei einer Ausbildungsdauer von durchschnittlich mindestens 20 Stunden wöchentlich.

Aufgrund dieser gesetzlichen Neuregelung, die wegen der anderslautenden günstigeren BFH-Rechtsprechung erging, kann ab 2015 mit einer Kurzausbildung (auch mit mehreren inhaltlich aufeinander aufbauenden Kursen), mit Kursen zur Berufsvorbereitung, mit einem Betriebspraktikum, mit dem Erwerb der Fahrerlaubnis für Nutzfahrzeuge oder der Berechtigung zum Fahren von Flurförderfahrzeugen (z.B. Gabelstapler), einer Anlerntätigkeit oder der Grundausbildung bei der Bundeswehr keine Erstausbildung mehr erlangt werden, um dann die Kosten der eigentlichen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums in vollem Umfang als Werbungskosten absetzen zu können.

Entsprechendes gilt für ausländische Berufsausbildungsabschlüsse, die inländischen Abschlüssen gleichgestellt sind. Bei Abschlüssen aus einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR oder der Schweiz geht die Finanzverwaltung in der Regel von Gleichartigkeit aus (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721).

Erststudium

Der 6. Senat des BFH hält das Abzugsverbot für Erststudiumskosten als Werbungskosten für verfassungswidrig und hat deshalb in sechs Verfahren das Bundesverfassungsgericht angerufen (z.B. BFH-Beschluss vom 17.7.2014, VI R 2/12, DStR 2014 S. 2216). Die Az. lauten 2 BvL 22/14 bis 2 BvL 27/14. Alle entsprechenden Steuerbescheide ergehen daher vorläufig, sodass kein Einspruch gegen den Sonderausgabenabzug eingelegt werden muss, wenn dieser ungünstiger als der Werbungskostenabzug ist.

Ein Erststudium ist damit ein Studium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt (§ 12 Nr. 5 EStG). Das gilt insbesondere für ein Studium direkt nach dem Schulabschluss. Dagegen ist ein Studium im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsausbildung kein Erststudium, sodass der Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug zulässig ist (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721Tz. 13).

Steuerlich begünstigt ist ein Studium an einer Hochschule i.S.des § 1 HRG (Hochschulrahmengesetz). Dazu zählen Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachhochschulen und sonstige Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Gleichgestellt sind private und kirchliche Bildungseinrichtungen sowie die Hochschulen des Bundes, die nach Landesrecht als Hochschule anerkannt werden (§ 70 HRG). Ob es sich um ein Präsenz- oder ein Fernstudium handelt, spielt keine Rolle. Ein berufsqualifizierender Studienabschluss sind insbesondere die neu eingeführten Bachelor- und Mastergrade einer inländischen Hochschule und das erste juristische Staatsexamen (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721, Tz. 17).

Studien- und Prüfungsleistungen an ausländischen Hochschulen sind inländischen Leistungen gleichgestellt, wenn sie in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder der Schweiz erbracht werden bzw. bei anderen Ländern zur Führung eines ausländischen akademischen Grades berechtigen und der Abschluss in Deutschland anerkannt wird (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721).

Berufsakademien sind keine Hochschulen i.S. des § 1 HRG. Nach Landesrecht können aber bestimmte an Berufsakademien (oder anderen Ausbildungseinrichtungen) erfolgreich absolvierte Ausbildungsgänge einem abgeschlossenen Studium an einer Fachhochschule gleichwertig sein. In diesem Fall ist das Studium an der Berufsakademie ein Erststudium, wenn ihm kein anderes Studium vorangegangen ist (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721).

Welche Aufwendungen sind abziehbar?

Die Grundsätze, nach denen Sie Ihre Bildungsaufwendungen steuerlich absetzen können, sind die gleichen wie bei den Fortbildungskosten (R 9.2 Abs. 2 LStR 2013; ). Abziehbar sind z.B.

  • Semestergebühren, Studiengebühren, Gebühren für Kurse und Repetitorien,

  • Kosten für Schul-/Studienbücher und Arbeitsmittel,

  • Kosten für Fahrten zur Ausbildungsstätte/Hochschule mit der Entfernungspauschale gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG, wenn es sich, wie bei einem Vollzeitstudium, um die erste Tätigkeitsstätte handelt, ansonsten mit der Reisekostenpauschale,

  • Kosten auswärtiger Unterbringung und Mehrverpflegungsaufwand (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3, 4 EStG),

  • sonstige Kosten wie z.B. Zinsen für ein Ausbildungsdarlehen (H 10.9 Ausbildungsdarlehen EStH 2012) oder Aufwand für das häusliche Studierzimmer.

Studiengebühren sind im Jahr der Zahlung als Sonderausgaben absetzbar, auch wenn die Zahlung wegen Stundung erst nach Abschluss des Studiums erfolgt (Erlass der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin vom 11.2.2009 , Az. III B-S 2221-10/2008).

Wenn Zuschüsse und Darlehen gezahlt werden

Erhalten Sie steuerfreie Zuschüsse zur Deckung Ihrer Ausbildungskosten, werden Ihre abziehbaren Sonderausgaben grundsätzlich um diese steuerfreien Bezüge gekürzt, soweit Sie die Zuschüsse nicht zurückzahlen müssen (z.B. Zuschussanteil beim Meister-BAföG). Sind die steuerfreien Bezüge dagegen ausschließlich oder teilweise zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmt (z.B. Schüler- und Studenten-BAföG), werden sie nicht auf die Ausbildungskosten angerechnet (R 10.9 EStR 2012). Eine Angabe in der Steuererklärung muss dann nicht erfolgen. Eine Anrechnung erfolgt nur insoweit, wie der Zuschuss zur Deckung des Mehrbedarfs wegen auswärtiger Unterbringung des Auszubildenden erhöht wird.

Ein Stipendium aus öffentlichen Mitteln (auch aus EU-Förderprogrammen) ist im Gegensatz zu privaten Stipendien (z.B. Unternehmensstipendium) meist steuerfrei. Voraussetzung dafür ist, dass das Stipendium als Studienbeihilfe zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung gewährt wird und den zur Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigt (§ 3 Nr. 44 EStG). Nicht die BAföG-Sätze oder der Grundfreibetrag, sondern das Alter des Stipendiaten, seine akademische Vorbildung und die konkreten Lebenshaltungskosten bestimmen den erforderlichen Betrag (BFH-Urteil vom 24.2.2015, VIII R 43/12, BFH/NV 2015 S. 1170). Für die steuerliche Anrechnung auf die Ausbildungskosten gilt das oben Gesagte. Ein EXIST-Gründerstipendium ist steuerpflichtig (BFH-Beschluss vom 1.10.2012, III B 128/11, BFH/NV 2013 S. 29).

Haben Sie ein rückzahlbares Ausbildungsdarlehen erhalten, kürzt dieses Ihre absetzbaren Ausbildungskosten nicht. Die spätere Darlehenstilgung ist ebenfalls unbeachtlich (BFH-Urteil vom 7.2.2008, VI R 41/05, BFH/NV 2008 S. 1136). Die für das Darlehen gezahlten Zinsen und ein etwaiger Zuschlag zur Darlehenstilgung (Tilgung höher als ausgezahltes Darlehen) sind absetzbar, auch wenn sie erst nach Abschluss der Ausbildung gezahlt werden (H 10.9 Ausbildungsdarlehen EStH 2014).