Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH
Nur echte Alleinerziehende werden entlastet
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
soll die finanzielle Lage von echten
Alleinerziehenden verbessern, sodass er für eheähnliche Lebensgemeinschaften mit Kind nicht infrage kommt.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende 2015(§ 24b EStG)
bei Haushaltszugehörigkeit des/der Kinder | für das erste Kind | für jedes weitere Kind |
jährlicher Betrag monatlicher Betrag | 1.908,00 € 159,00 € | 240,00 € 20,00 € |
Im Vergleich zu 2014 (1.308,00 €) ist der Betrag um 600,00 € erhöht worden, und zwar rückwirkend zum 1.1.2015. Zusätzlich wird mit den weiteren 240,00 € ab 2015 die Familiengröße berücksichtigt. Da sich der erhöhte Entlastungsbetrag in der Steuerklasse II erst ab Dezember 2015 beim Lohnsteuerabzug auswirkt, müssen all diejenigen eine Steuererklärung abgeben, die die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag nicht das ganze Jahr 2015 über erfüllt haben. Denn der Betrag von 1.908,00 € verringert sich zeitanteilig um 159,00 € für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen an keinem einzigen Tag vollständig vorgelegen haben (§ 24b Abs. 3 EStG).
Die Eltern von Julius haben sich im Oktober 2015 getrennt. Julius lebt bei seiner Mutter Heidi. Im Jahr 2015 hat Heidi Anspruch auf den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, allerdings nur für drei Monate (Oktober bis Dezember). Zutreffend wäre ein Entlastungsbetrag von 477,00 € (= 1.908,00 € x 3/12). Stattdessen werden jedoch 977,00 € ( 1.308,00 € x 2/12 + 1.908,00 € x 1/12 + 600,00 €) berücksichtigt. Heidi muss deshalb nicht nur eine Steuererklärung abgeben, sondern auch noch mit einer Nachzahlung rechnen.
Den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bekommen Sie nachträglich für das abgelaufene Jahr, wenn Sie in der Anlage Kind die entsprechenden Angaben machen. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens wird der Entlastungsbetrag als Freibetrag von der Summe der Einkünfte abgezogen.
Bei alleinerziehenden Arbeitnehmern wird der Entlastungsbetrag schon im Laufe des Jahres durch die Steuerklasse II berücksichtigt, die für ein minderjähriges Kind die Gemeinde einträgt und für ein volljähriges Kind das Finanzamt. Verwitwete können aber im Jahr des Todes ihres Ehepartners und im Folgejahr die Steuerklasse II nicht bekommen, sondern die Klasse III. Daher müssen sie einen Lohnsteuerfreibetrag beantragen, um schon ab dem Todesmonat vom Entlastungsbetrag zu profitieren.
Das sind die Anspruchsvoraussetzungen
Mindestens ein Kind mit Anspruch auf Kindergeld
Der Entlastungsbetrag steht Ihnen zu, solange ein minderjähriges oder volljähriges Kind zu Ihrem Haushalt gehört, für das Sie Anspruch auf Kindergeld bzw. den Kinder- und Erziehungsfreibetrag haben. Ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch auf das halbe Kindergeld reicht nicht. Das Kind kann Ihr leibliches Kind bzw. Ihr Adoptiv-, Pflege-, Stief- oder Enkelkind sein.
Als haushaltszugehörig gilt ein Kind, wenn es in Ihrer Wohnung in Deutschland mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet ist. Ist es bei mehreren Personen gemeldet, steht der Entlastungsbetrag derjenigen Person zu, die das Kind betreut, an die also das Kindergeld ausgezahlt wird. Unschädlich ist, wenn es mit Ihrem Einverständnis vorübergehend auswärtig untergebracht ist (z.B. zu Ausbildungszwecken). Bei einem mehrjährigen Schulbesuch im Ausland dürfte eine Haushaltszugehörigkeit aber nicht mehr vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 30.6.2004, VIII B 132/04, BFH/NV 2004 S. 1639). Lebt Ihr Kind in einem Heim, zählt es trotzdem zu Ihrem Haushalt, wenn es in Ihrer Wohnung ein Zimmer hat und bei Ihnen wohnt, zum Beispiel an den Wochenenden oder in den Ferien.
Lebt ein Kind gleichwertig abwechselnd in beiden Haushalten getrennt lebender Eltern, kann der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht auf beide Eltern aufgeteilt werden. Diese können aber untereinander vereinbaren, wer den Entlastungsbetrag in seiner Steuererklärung geltend machen soll, ausgenommen, einer hatte schon die Lohnsteuerklasse II genutzt (BFH-Urteil vom 28.4.2010, III R 79/08, BFH/NV 2010 S. 1716). Getrennt lebende Eltern mit zwei Kindern können jeder den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhalten, wenn jeweils ein Kind bei Vater und Mutter wohnt.
Kein Anspruch auf den Splittingtarif
Es sollen nur Eltern mit dem Entlastungsbetrag begünstigt werden, die die Voraussetzungen für den Splittingtarif nach § 26 Abs. 1 EStG nicht erfüllen. Das sind insbesondere Unverheiratete sowie Verheiratete, die das ganze Jahr über dauernd getrennt gelebt haben.
Keinen Anspruch auf den Entlastungsbetrag haben somit verheiratete Eltern oder eingetragene Lebenspartner, die ganzjährig oder im Jahr zumindest teilweise zusammenleben (BVerfG, Beschluss vom 22.5.2009, 2 BvR 310/07, BFH/NV 2009 S. 1578). Daran ändert auch die Wahl der Einzelveranlagung nichts.
Das Witwen-Splitting führt dagegen nicht zum Ausschluss vom Entlastungsbetrag (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Todesjahr Ihres Ehepartners bekommen Sie ab dem Monat des Todes den zeitanteiligen Entlastungsbetrag trotz Ehegattensplittings und im darauffolgenden Jahr trotz Gnadensplittings.
Keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person
Welche Personen sind gemeint?
Den Entlastungsbetrag bekommen nur Elternteile, die keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG). Schädlich sind also Haushaltsgemeinschaften der alleinerziehenden Person mit ihrem Lebensgefährten, einem nahen Angehörigen (z.B. Vater, Mutter, Geschwister) oder einem volljährigen Kind, für das kein Anspruch auf Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder besteht (ausgenommen das Kind leistet innerhalb der EU bzw. dem EWR einen gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst oder einen davon befreienden freiwilligen Wehrdienst bis zu drei Jahren oder eine davon befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer). Am Ausschluss Ihres Anspruchs auf den Entlastungsbetrag ändert auch nichts, wenn das Kind weiterhin finanziell von Ihnen abhängig ist (BFH-Urteil vom 25.10.2007, III R 104/06, BFH/NV 2008 S. 545).
Leben Sie mit mehreren Kindern zusammen, für die Sie die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag erfüllen, und fällt für ein volljähriges Kind Ihr Anspruch auf Kindergeld bzw. die Freibeträge für Kinder weg, geht deshalb der Entlastungsbetrag für die anderen Kinder verloren (BFH-Urteil vom 25.10.2007, III R 104/06, BFH/NV 2008 S. 545). Die gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen (BVerfG, Beschluss vom 25.9.2009, 2 BvR 266/08 ).
Frau Anger ist Mutter von Chris (16 Jahre) und Ina (20 Jahre). Sie ist geschieden und lebt mit ihren beiden Kindern in einer gemeinsamen Wohnung. Ina beendet im Mai ihre Lehre und wird ab Juni von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen. Sie wohnt weiter bei ihrer Mutter und beteiligt sich mit ihrem Arbeitslohn an den Haushaltskosten. Ab Juni gibt es daher für Frau Anger kein Kindergeld mehr für Ina und so lange keinen Entlastungsbetrag für Chris, wie Ina sich nicht eine eigene Wohnung nimmt und auszieht.
Was ist eine Haushaltsgemeinschaft?
Eine Haushaltsgemeinschaft
liegt vor, wenn die andere Person mit dem alleinerziehenden Elternteil und dessen Kind in einer gemeinsamen Wohnung wohnt und beide gemeinsam wirtschaften (so § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG), sodass es zu Haushaltseinsparungen kommt. Es muss also nicht nur eine Wohngemeinschaft
, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft
vorliegen, wobei Letztere sich durch tatsächliche und/oder finanzielle Beteiligung an der gemeinsamen Haushaltsführung über längere Zeit auszeichnet (dafür reicht schon die gemeinsame Nutzung des Kühlschrankes aus!). Versorgt sich der Mitbewohner selbst, genügt für die Haushaltsgemeinschaft eine Entlastung durch seine tatsächliche Mithilfe im Haushalt, z.B. bei der Küchen- oder Gartenarbeit, bei den Einkäufen oder der Kinderbetreuung (BFH-Urteil vom 28.6.2012, III R 26/10, BStBl. 2012 II S. 815).
Damit liegt eine schädliche Haushaltsgemeinschaft nur dann nicht vor, wenn jegliche Unterstützung durch den Mitbewohner ausgeschlossen ist, wie etwa beim Zusammenleben mit einem einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen, oder wenn die Haushalte völlig voneinander getrennt geführt werden (z.B. Einliegerwohnung mit eigener Küche) oder bei nur vorübergehendem Aufenthalt zu Besuchszwecken.
Indiz für eine Haushaltsgemeinschaft ist, wenn die andere Person in der Wohnung des Alleinerziehenden mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet ist (§ 24b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dann wird auch das gemeinsame Wirtschaften vermutet. Diese Vermutung können Sie aber widerlegen, wenn zum Beispiel die andere Person nur Untermieterin ist mit eigenem Kühlschrank usw. (dann liegt zwar eine Wohngemeinschaft vor, es fehlt aber an der notwendigen Wirtschaftsgemeinschaft).
Nicht widerlegt werden kann die Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (zur Definition siehe BMF-Schreiben vom 29.10.2004, BStBl. 2004 I S. 1042Tz. II 3a) und einer nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 24b Abs. 2 Satz 3 EStG).
Lebt in Ihrem Haushalt eine pflegebedürftige Person (z.B. Eltern), steht Ihnen der Entlastungsbetrag trotzdem zu. Voraussetzung: Der Pflegebedürftige kann sich weder tatsächlich – wegen Blindheit oder Zuordnung zu einer der drei Pflegestufen – noch finanziell – wegen zu geringen Vermögens oder Einkommens (nicht über dem Unterhaltshöchstbetrag, berechnet wie bis 2011 beim Kindergeld) – an der Haushaltsführung beteiligen.
Auf den Entlastungsbetrag haben Sie auch keinen Anspruch, wenn neben Ihnen und dem Kind zwar niemand mehr in Ihrer Wohnung gemeldet ist, aber Ihr Lebensgefährte tatsächlich bei Ihnen nicht nur vorübergehend wohnt. Kommt das Finanzamt hinter Ihre Haushaltsgemeinschaft, müssen Sie die zu Unrecht erhaltene Steuervergünstigung zurückzahlen.