Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH

In welchen Fällen können Sie Einspruch einlegen?

Gegen einen fehlerhaften Steuerbescheid können Sie sich mit einem (kostenlosen) Einspruch wehren. Wenn auch nur einer der folgenden Fälle auf Sie zutrifft, sind Sie beschwert (§ 350 AO) und dürfen Einspruch einlegen:

  • Das Finanzamt hat Aufwendungen oder Freibeträge nicht anerkannt oder zu hohe Einnahmen angesetzt.

  • Das Finanzamt hat eine Ihrer Meinung nach zu hohe Steuer festgesetzt.

  • Sie haben vergessen, Aufwendungen geltend zu machen, oder erfahren erst nachträglich von einem Steuervorteil.

  • Das Finanzamt hat einen fehlerhaften Grundlagenbescheid (z.B. Einheitswertbescheid, Feststellungsbescheid, Gewerbesteuermessbescheid) erlassen.

  • Das Finanzamt hat die Höhe der Steuer zwar richtig berechnet, aber aufgrund einer anderen Rechtsauffassung, wodurch Sie bei anderen Behörden oder Stellen Nachteile erleiden (z.B. Ansatz von Ausbildungskosten als Sonderausgaben statt als Fortbildungskosten, wodurch sich wegen der höheren Einkünfte Nachteile bei anderen staatlichen Förderungen ergeben).

Die Einspruchsfrist

Ihren Einspruch müssen Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides einlegen (§ 355 Abs. 1 AO). Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages der Bekanntgabe, also einen Tag nach Zustellung des Steuerbescheides. Kam der Bescheid per Post, gilt er gemäß § 122 Abs. 2 AO am dritten Tag, nachdem das Finanzamt ihn mit einfachem Brief zur Post gegeben hat, als bekannt gegeben (auch wenn Sie ihn schon vorher erhalten haben). Als Postaufgabedatum gilt das Datum des Steuerbescheids bzw. des Poststempels.

Ist der Bescheid Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen und ist das für die Einspruchsfrist relevant, müssen Sie die Zweifel an der Zugangsvermutung innerhalb der Dreitagefrist glaubhaft begründen können. Den rechtzeitigen Zugang nur zu bestreiten, genügt nicht (FG München vom 26.3.2012, 14 K 3357/09 ). Bestreiten Sie dagegen, den Steuerbescheid überhaupt erhalten zu haben, und liegen weder ein Empfangsnachweis noch Anhaltspunkte aus anderweitigem Schriftverkehr für den Erhalt des Bescheids vor, muss das Finanzamt Ihnen den rechtzeitigen Zugang beweisen (BFH-Urteil vom 14.3.2012, XI R 6/10, BStBl. 2014 II S. 607).

Fällt das Ende der Dreitagefrist oder der Einspruchsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, läuft die Frist erst mit Ende des darauf folgenden Werktags ab (§ 108 Abs. 3 AO; BFH-Urteil vom 14.10.2003, IX R 68/98, BStBl. 2003 II S. 898).

Ihr Steuerbescheid trägt das Datum 4.3. (Donnerstag). Da drei Tage später am 7.3. Sonntag ist, gilt der Bescheid erst am 8.3. (Montag) als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist beginnt dann am 9.3. und läuft bis zum 8.4.

Die Einspruchsfrist ist eine sogenannte Ausschlussfrist. Wenn Sie also nicht binnen eines Monats Einspruch einlegen, wird der Steuerbescheid bestandskräftig. Ihr Einspruch muss spätestens am letzten Tag der Frist noch vor 00:00 Uhr bei Ihrem Finanzamt eingegangen sein, z.B. durch Einwurf in dessen Hausbriefkasten. Haben Sie die Monatsfrist ohne Verschulden versäumt, können Sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) beim Finanzamt stellen und dürfen dann trotzdem noch Einspruch einlegen. Das ist zumindest in den folgenden Fällen möglich:

  • Plötzliche Erkrankung, sofern von Ihnen kein Vertreter bestellt werden kann. Bei einer schon länger andauernden Erkrankung gilt das nicht, wenn genug Zeit für die Beauftragung eines Vertreters ist (FG Münster vom 28.4.2014, 6 K 1015/13 Kg, EFG 2015 S. 2);

  • unverschuldete Verzögerung bei der Zustellung Ihres Einspruchsbriefs beim Finanzamt (BFH-Urteil vom 7.5.1996, VIII R 60/95, BFH/NV 1997 S. 34);

  • Urlaub oder Dienstreise (maximal 6 Wochen lang), wobei der Zeitpunkt der möglichen Zustellung des Steuerbescheides ungewiss war;

  • das Finanzamt ist von Ihrer Steuererklärung zu Ihrem Nachteil wesentlich abgewichen, hat dies im Steuerbescheid nicht kenntlich gemacht und Sie haben die Abweichung zu spät bemerkt (§ 121, 126 Abs. 3 AO).

Den Einspruch und Antrag auf Wiedereinsetzung müssen Sie innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hinderungsgrundes (z.B. Ende der Krankheit) stellen.

Die Einspruchsfrist beginnt nicht zu laufen, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung (Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit samt Form, Frist und Behörde) fehlt oder unrichtig ist. Dann darf der Einspruch innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Steuerbescheids eingelegt werden (§ 356 Abs. 2 AO). Das gilt beispielsweise, wenn in einem Ablehnungsbescheid für Kindergeld ein falscher Fristbeginn genannt wird (BFH-Urteil vom 12.3.2015, III R 14/14, BFH/NV 2015 S. 1187).

Wie muss Ihr Einspruch aussehen?

Sie müssen Ihren Einspruch schriftlich bei dem Finanzamt einreichen, das den angefochtenen Steuerbescheid erlassen hat. Auch ein Fax ist zulässig, es muss aber noch innerhalb der Einspruchsfrist vollständig beim Finanzamt eintreffen (BFH-Beschluss vom 28.9.2000, VI B 5/00, BStBl. 2001 II S. 32). Ein Einspruch per E-Mail ist ebenfalls möglich, wenn Ihr Finanzamt eine E-Mail-Adresse hat (§ 357 Abs. 1 AO; BFH-Urteil vom 13.5.2015, III R 26/14, DStR 2015 S. 1922).

Aus dem Einspruchsschreiben muss hervorgehen, wer Einspruch einlegt (bei zusammen veranlagten Ehegatten kann jeder Ehegatte für sich allein oder für seinen Partner mit Einspruch einlegen), dass Einspruch eingelegt wird und gegen welchen Bescheid er sich richtet (§ 357 AO). Die Einspruchsbegründung können Sie auch nachreichen. Bei einem Einspruch ohne Begründung überprüft das Finanzamt den angefochtenen Bescheid nur anhand der Akten. Können Sie sich in Ihrem Einspruch zu Recht auf das EStG, die EStR/LStR, auf ein BMF-Schreiben, ein im Bundessteuerblatt veröffentlichtes BFH-Urteil, ein BVerfG- oder ein EuGH-Urteil berufen, muss das Finanzamt dem Einspruch stattgeben. Dagegen ist es nicht an aus anderen Bundesländern stammende OFD-Verfügungen und FG-Urteile sowie nicht im BStBl. veröffentlichte BFH-Urteile gebunden.

Wenn Sie bei einer Steuernachzahlung die strittige Summe vorerst nicht zahlen wollen, können Sie gleichzeitig mit Ihrem Einspruch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragen. Dies ist möglich, wenn »ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes« bestehen (§ 361 AO). Das ist z.B. der Fall, wenn Ihr Finanzamt die BFH-Rechtsprechung nicht beachtet hat oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und Sie neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorbringen können. Lehnt das Finanzamt Ihren Antrag auf AdV ab, bleibt Ihnen nur die Möglichkeit, vor Klageerhebung die Aussetzung der Vollziehung beim zuständigen Finanzgericht zu beantragen (§ 361 Abs. 5 AO; § 69 Abs. 3 FGO).

Ist vor einem obersten Gericht ein passendes Verfahren anhängig, beantragen Sie in Ihrem Einspruch auch das Ruhen des Verfahrens.

Wie entscheidet das Finanzamt?

Den Einspruch bearbeitet entweder der Finanzbeamte, der den Steuerbescheid erlassen hat, oder die Rechtsbehelfsstelle. Letztere wird etwa tätig, wenn Sie Ihren Einspruch aufrechterhalten, obwohl Ihr zuständiger Sachbearbeiter den Einspruch für aussichtslos hält. Hat das Finanzamt über Ihren Einspruch nach sechs Monaten noch nicht entschieden, können Sie beim Finanzgericht Untätigkeitsklage erheben (§ 46 FGO). Nach Ihrem Einspruch ist der gesamte Steuerbescheid wieder offen, sodass das Finanzamt alle Punkte der Steuererklärung nochmals prüfen kann. Folgende Ergebnisse der Einspruchsprüfung durch das Finanzamt sind möglich:

  • Das Finanzamt gibt Ihnen (teilweise) Recht (Abhilfe) und schickt Ihnen einen neuen, korrigierten Steuerbescheid mit dem Vermerk Der Einkommensteuerbescheid ist nach § 172 AO geändert. Oder Sie erhalten einen neuen Bescheid, in dem Sie zunächst teilweise Recht bekommen. Über die verbliebenen Streitpunkte erhalten Sie später eine Einspruchsentscheidung. Allerdings wird eine Steuerfestsetzung nur geändert, wenn die Änderung mindestens 10,00 € beträgt (§ 1 Abs. 1 Kleinbetragsverordnung; BFH-Urteil vom 16.2.2011, X R 21/10, BStBl. 2011 II S. 671).

  • Das Finanzamt bleibt bei seiner ablehnenden Meinung und fordert Sie auf, Ihren Einspruch innerhalb eines Monats mangels Erfolgsaussicht schriftlich zurückzunehmen. Tun Sie dies, wird der Steuerbescheid bestandskräftig (§ 362 AO). Andernfalls gibt es eine Einspruchsentscheidung.

  • Das Finanzamt beendet das Einspruchsverfahren mit einer förmlichen Einspruchsentscheidung und einer Rechtsbehelfsbelehrung. Alternativen hierzu sind (vgl. Verfügung der OFD Münster vom 22.12.2006, DB 2007 S. 83): Die Teileinspruchsentscheidung, mit der nur über Teile Ihres Einspruchs entschieden wird (§ 367 Abs. 2a AO), und die Allgemeinverfügung, mit der Masseneinsprüche lediglich per Veröffentlichung auf der Webseite des BMF und im Bundessteuerblatt zurückgewiesen werden (§ 118 Satz 2 AO).

  • Das Finanzamt teilt Ihnen mit, dass es den ursprünglichen Steuerbescheid zu Ihrem Nachteil ändern und eine noch höhere Steuer festsetzen will, etwa weil der Sachbearbeiter im ursprünglichen Steuerbescheid einen Fehler zu Ihren Ungunsten gefunden hat. Das Finanzamt muss auf die beabsichtigte Verböserung hinweisen und Ihnen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist von normalerweise einem Monat dazu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 25.2.2009, IX R 24/08, BStBl. 2009 II S. 587). Durch Zurücknahme Ihres Einspruchs bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung können Sie die Verböserung vermeiden (§ 362 Abs. 1 AO), außer Sie haben die Herabsetzung der Steuer beantragt, z.B. durch Nachschieben weiterer Werbungskosten (BFH-Beschluss vom 3.7.2012, IX B 37/12, BFH/NV 2012 S. 1630). Dann ist Ihr Steuerbescheid bestandskräftig, jedoch kann das Finanzamt diesen in ganz bestimmten Fällen im Nachhinein noch zu Ihren Ungunsten ändern. Ist Ihnen die verbösernde Entscheidung mit einfachem Brief per Post zugestellt worden, können Sie die Rücknahme des Einspruchs auch noch vor Ablauf der Dreitagefiktion erklären. Denn in diesem Fall ist der Steuerbescheid noch nicht bekannt gegeben (BFH-Urteil vom 26.2.2002, X R 44/00, BFH/NV 2002 S. 1409).

Eine Einspruchsentscheidung ist Ihnen gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben, wenn das Finanzamt sie im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens verschickt hat, Ihr Empfangsgerät aber nichts ausgedruckt hat (BFH-Urteil vom 18.3.2014, VIII R 9/10, BFH/NV 2014 S. 1411).

Haben Sie einen Steuerberater oder Rechtsanwalt mit dem Einspruch beauftragen müssen, weil das Finanzamt ein vor mehr als sechs Wochen veröffentlichtes BFH-Urteil nicht beachtet hat, muss dieses die Kosten übernehmen (OLG Koblenz, Urteil vom 17.7.2002, 1 U 1588/01 ).

Die Frist für eine Klage beim Finanzgericht beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 FGO). Die Bekanntgabe kann wirksam auch an Silvester erfolgen, wenn dies ein Werktag ist (Niedersächsisches FG vom 15.4.2013, 2 K 25/13 ). Die Bekanntgabe kann wirksam auch an Silvester erfolgen, wenn dies ein Werktag ist (Niedersächsisches FG vom 15.4.2013, 2 K 25/13, EFG 2013 S. 1005).