Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag Wolters Kluwer Deutschland GmbH
Was steckt hinter der gesonderten Feststellung?
Die Besteuerung erfolgt in zwei Schritten
Um Einkünfte besteuern zu können, muss das Finanzamt zuerst die Voraussetzungen für die Besteuerung ermitteln und dann die Steuer festsetzen. Das geschieht in der Regel in ein und demselben Verfahren (§ 157 Abs. 2 AO). Sie kennen das von der Veranlagung zur Einkommensteuer her: Sie geben die ausgefüllten Einkommensteuerformulare ab und erhalten dann einen Einkommensteuerbescheid, in dem das zu versteuernde Einkommen ermittelt und die zu zahlende Einkommensteuer festgesetzt wird.
In Ausnahmefällen wird dieser Grundsatz der einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Festsetzung der Steuer durchbrochen: Die Grundlagen der Besteuerung (z.B. bestimmte Einkünfte) werden in einem gesonderten Verfahren ermittelt und durch einen gesonderten Bescheid festgestellt, dem sog. Feststellungsbescheid
(§ 179 AO). Davon getrennt wird der eigentliche Steuerbescheid, in dem die zu zahlende Steuer festgesetzt wird, als sog. Folgebescheid
erlassen.
Es gibt zwei zwei Arten der Feststellung, je nachdem, für wie viele Personen das Finanzamt Besteuerungsgrundlagen feststellen muss:
Gesonderte Feststellung: Nur eine Person ist beteiligt (Einzelunternehmer), für die die Besteuerungsgrundlage gesondert vom eigentlichen Steuerbescheid festgestellt wird.
Gesonderte und einheitliche Feststellung: Mehrere Personen sind beteiligt (z.B. als Grundstücksgemeinschaft, Erbengemeinschaft oder in der Rechtsform einer Personengesellschaft), wobei die Besteuerungsgrundlage für die Gemeinschaft bzw. Gesellschaft gesondert, aber für jeden Beteiligten einheitlich festgestellt wird. Die einheitliche Feststellung soll alle Beteiligten gleich behandeln.
Wann gesonderte Feststellungen erfolgen
In welchen Fällen es zu einer solchen Besteuerung in zwei Schritten kommt, ist insbesondere in der AO und einer Verordnung dazu geregelt. Ferner finden sich in verschiedenen Steuergesetzen Regelungen zu gesonderten Feststellungen (z.B. im EStG, GewSt, ErbStG). Gesondert festgestellt werden gemäß § 180 AO (bzw. der VO dazu) insbesondere:
die Einheitswerte und Grundbesitzwerte für inländischen Grundbesitz gemäß dem Bewertungsgesetz.
A besitzt ein Mietshaus, für das gesondert der Einheitswert für die Ermittlung der Grundsteuer und evtl. der Gewerbesteuer (falls es sich um ein Betriebsgrundstück handelt) festgestellt wird.
B erwirbt bzw. erbt ein Grundstück, dessen Grundbesitzwert gesondert für die Grunderwerbsteuer bzw. Erbschaftsteuer festgestellt wird.
die Gewinneinkünfte von Einzelunternehmern (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, freiberuflicher Tätigkeit und Land- und Forstwirtschaft), wenn sie am Schluss des Gewinnermittlungszeitraums nicht im Zuständigkeitsbereich des Wohnsitzfinanzamtes des Steuerpflichtigen erzielt werden.
C mit Wohnsitz im Ort X betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei im Ort Y. Es erfolgt eine gesonderte Gewinnfeststellung durch das Betriebsfinanzamt des Ortes Y, die Grundlage für den Einkommensteuerbescheid des Wohnsitzfinanzamtes in X ist.
von mehreren Personen gemeinsam erzielte Einkünfte (z.B. im Rahmen einer Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft, einer Praxisgemeinschaft als Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, einer Personenhandelsgesellschaft wie OHG und KG oder einer Partnerschaftsgesellschaft), da nicht die Gesellschaft/Gemeinschaft, sondern die Beteiligten Schuldner der Einkommensteuer sind.
Den Personen A, B und C gehört ein Mehrfamilienhaus gemeinsam. Sie haben sich zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (A, B & C GbR) zusammengeschlossen, um das Haus gemeinsam zu vermieten. Zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der GbR ist eine gesonderte Feststellung erforderlich, die für A, B und C einheitlich erfolgt.
D und E betreiben ein gemeinsames Gewerbe (D & E OHG). Zur Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der OHG ist eine gesonderte Feststellung erforderlich, die für D und E einheitlich erfolgt.
F, G, H und I spekulieren gemeinsam an der Börse, kaufen und verkaufen also auf gemeinsame Rechnung Aktien. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen der BGB-Gesellschaft von F, G, H und I sind gesondert und einheitlich für alle Gesellschafter zu ermitteln.
Keine gesonderte Feststellung erforderlich ist insbesondere
in Fällen von geringer Bedeutung, etwa bei zusammen veranlagten Ehegatten, die gemeinsam einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus der Vermietung einer im beiderseitigen Miteigentum (Bruchteilsgemeinschaft) befindlichen Immobilie erzielen. Das gilt aber nicht, wenn bei den Ehegatten die gemeinsame Einkunftsquelle (z.B. vermietetes Büro) unterschiedlichen Einkunftsarten zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 9.10.2008, IX R 72/07, BStBl. 2009 II S. 231) oder wenn bei freiberuflichen bzw. gewerblichen Einkünften von Ehepartnern kein leicht überschaubarer steuerlicher Sachverhalt vorliegt und die Ermittlung der Einkünfte auch nicht verhältnismäßig einfach ist (so bei einer von Ehepartnern gemeinsam betriebenen Arztpraxis: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 29.10.1996, 1 K 52/96, BFH/NV 1997 S. 138);
bei Wohnungseigentümergemeinschaften in Eigentumswohnanlagen, denn hier gehört jedem Eigentümer eine bestimmte Eigentumswohnung als Alleineigentümer und nicht nur als Miteigentümer;
bei der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, da hier die Gesellschaft oder Gemeinschaft der Steuerschuldner ist;
hinsichtlich der persönlichen Steuerfreibeträge der einzelnen Beteiligten. Über diese entscheidet das Wohnsitzfinanzamt im Rahmen der persönlichen Veanlagung zur Einkommensteuer. Daher ist z.B. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nur eine gesonderte Feststellung gemeinsamer Einnahmen möglich, da sich die Einkünfte erst bei jedem Beteiligten unter Berücksichtigung seines Sparer-Pauschbetrages ermitteln lassen.
Zwei Steuererklärungen sind erforderlich
Feststellungsbescheid und Folgebescheid
Da die gesonderte Feststellung zu einer Besteuerung in zwei Schritten führt, verlangt das Finanzamt von den Betroffenen zwei Steuererklärungen:
Die gesonderte Erklärung führt zum Feststellungsbescheid
Im ersten Schritt muss die Erklärung zur gesonderten (und einheitlichen) Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung
abgegeben werden. In Betracht kommen für Einzelunternehmer die Anlagen ESt 1 D, FG und FG-AUS, für Gemeinschaften und Gesellschaften die Anlagen ESt 1 B, FB, FE 1, FE 2, FE 3, FE-KAP, FE-AUS 1/2 und FE-VM. Hier sind insbesondere Angaben zu den Einkünften und den Beteiligten inkl. den Beteiligungsverhältnissen zu machen.
Auch die individuellen Ausgaben der Beteiligten im Zusammenhang mit den Einkünften der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft sind hier zu erklären, also die sog. Sonderwerbungskosten oder Sonderbetriebsausgaben (z.B. Schuldzinsen für einen persönlichen Kredit zur Finanzierung der Beteiligung), ferner etwaige Sondereinnahmen einzelner Beteiligter. Sind Sie beispielsweise an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt, müssen Sie Ihre Sonderwerbungskosten dem Initiator des Fonds melden. Dieser schickt Ihnen dann dazu ein entsprechendes Formular zu, in das Sie Ihre eigenen Werbungskosten eintragen können (z.B. Schuldzinsen, Telefonkosten). Sondereinnahmen und Sonderausgaben gehen aber nicht in den Gewinn der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft ein, sondern werden in den Formularen außerhalb der Gewinnermittlung erfasst.
Bei mehreren Beteiligten ist grundsätzlich jeder Beteiligte zur Abgabe dieser gesonderten Erklärung verpflichtet (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 AO). Wenn ein Beteiligter die gesonderte Erklärung abgegeben hat, sind die übrigen Beteiligten von der Erklärungspflicht befreit, soweit die abgegebene Erklärung vollständig war. Es kann somit unter ihnen ein Erklärungsbevollmächtigter bestimmt werden, der für alle Beteiligten gemeinsam die Erklärung abgibt. Diese muss bis zum 31. Mai des Folgejahres beim Feststellungsfinanzamt eingereicht werden, und zwar grundsätzlich per Elster (§ 181 Abs. 2a AO).
Auf der Grundlage der gesonderten Erklärung erlässt das Feststellungsfinanzamt den Feststellungsbescheid, durch den es einerseits die Höhe der vom Einzelunternehmer bzw. von der Gemeinschaft oder Gesellschaft erzielten Einkünfte bzw. die Höhe der der Gemeinschaft oder Gesellschaft insgesamt zustehenden steuerlichen Förder- oder Abzugsbeträge (z.B. Investitionszulage) festsetzt. Andererseits wird durch diesen Bescheid auch die Aufteilung der Einkünfte bzw. Förderbeträge auf die einzelnen an der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft Beteiligten festgeschrieben, meist in Abhängigkeit von den Beteiligungsverhältnissen. Es ist von den Beteiligten ein Empfangsbevollmächtigter zu bestellen, der mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten den Feststellungsbescheid entgegennimmt (§ 183 AO).
Die persönliche Steuererklärung führt zum Folgebescheid
Mit dem Feststellungsbescheid gibt es noch kein Geld vom Finanzamt. Dieser Bescheid ist aber für Sie als Beteiligter wichtig, weil Sie die in diesem Bescheid ausgewiesenen anteiligen Beträge in einem zweiten Schritt in Ihre persönliche Steuererklärung oder einen Antrag auf Förderung übernehmen müssen. Das Finanzamt erlässt dann den individuellen Steuerbescheid (z.B. den Einkommensteuerbescheid) bzw. den Bescheid über die Förderung als Folgebescheid, der zur Auszahlung der individuellen Steuervorteile bzw. Förderung aufgrund der Beteiligung führt.
Sogenannte Sonderwerbungskosten oder Sonderbetriebsausgaben können in der persönlichen Steuererklärung nicht berücksichtigt werden, sondern nur in der gesonderten Erklärung für die Gemeinschaft/Gesellschaft. Wurde dies vergessen, kommt eine Änderung des bestandskräftigen Feststellungsbescheids nur noch unter engen Voraussetzungen in Betracht.
Haben Sie Ihre persönliche Steuererklärung schon fertiggestellt und fehlt als einziger Punkt nur noch Ihr Anteil an den Einkünften der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft, weil der Feststellungsbescheid noch nicht ergangen ist, haben Sie zwei Möglichkeiten:
Sie geben Ihre Steuererklärung ohne den Ansatz Ihres Anteils an den Einkünften bzw. Förderbeträgen ab und tragen in der betreffenden Formularzeile nur das zuständige Feststellungsfinanzamt sowie die Identifikationsnummer der Gemeinschaft/Gesellschaft ein. Anstelle des Euro-Betrages schreiben Sie
noch nicht festgestellt
. Wenn der Feststellungsbescheid vorliegt, trägt Ihr Wohnsitzfinanzamt den fehlenden Betrag automatisch ein.Erwarten Sie eine Steuererstattung, können Sie in die betreffende Formularzeile auch Ihren vorläufigen Anteil in Euro eintragen, wie er sich gemäß Ihren Berechnungen ergibt, oder einen geschätzten Betrag (z.B. den Betrag aus dem Vorjahr). Ein daraufhin ergangener persönlicher Steuerbescheid wird bei einem abweichenden Feststellungsbescheid noch einmal geändert (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Ihre eigene Einkommensteuererklärung erstellen Sie mit dem Teilprogramm Steuererklärung
, wobei Sie dort den Ihnen zuzurechnenden Anteil am Gewinn oder Verlust in der entsprechenden Eingabemaske für die jeweilige Einkunftsart unter Miteigentumsanteile
o.Ä. eingeben.
Bei fehlerhaftem Feststellungsbescheid Einspruch einlegen
Wichtig ist, dass ein Feststellungsbescheid ein sog. Grundlagenbescheid
ist, der für den Folgebescheid (z.B. Einkommensteuerbescheid) bindend ist (§ 182 Abs. 1 AO). Das heißt, wird ein Feststellungsbescheid geändert oder aufgehoben, ändert sich auch der Folgebescheid.
Daraus folgt auch, dass Sie gegen den Feststellungsbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch einlegen müssen, wenn dort Sachverhalte nicht richtig berücksichtigt worden sind – etwa der Überschuss zu hoch oder der Verlust zu niedrig festgesetzt wurde oder die Einkünfte bzw. Förderungen nicht richtig auf die Beteiligten verteilt wurden. Ein Einspruch gegen den Folgebescheid wäre hier zwecklos (§ 351 Abs. 2 AO). Das Verfahren beim Einspruch gegen einen Grundlagenbescheid ist übrigens das Gleiche wie beim Einspruch gegen einen Einkommensteuerbescheid.
Gleichzeitig mit dem Einspruch gegen den Feststellungsbescheid können Sie auch Aussetzung der Vollziehung
beantragen. Wird die Vollziehung des Feststellungsbescheides als Grundlagenbescheid ausgesetzt, muss automatisch auch die Vollziehung des Folgebescheides ausgesetzt werden (§ 361 Abs. 3 AO).
Im Normalfall erhält nicht jeder Beteiligte einen Feststellungsbescheid. Es genügt nämlich die Bekanntgabe an den in der gesonderten Erklärung genannten Empfangsbevollmächtigten, womit die Einspruchsfrist für alle Beteiligten zu laufen beginnt. Der Empfangsbevollmächtigte muss also dafür sorgen, dass die anderen Beteiligten den Feststellungsbescheid innerhalb der Einspruchsfrist überprüfen können. Grundsätzlich darf nur der Empfangsbevollmächtigte Einspruch einlegen, ist also auch Einspruchsbevollmächtigter (§ 352 AO). Jedoch ist ein Feststellungsbeteiligter immer dann selber einspruchsberechtigt, wenn es sich um eine ihn persönlich angehende Frage handelt (z.B. Nacherklärung von Sonderbetriebsausgaben). Er ist dann auch zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand befugt, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig ist (BFH-Urteil vom 12.12.2007, XI R 11/07, HFR 2008 S. 665).
Zuständig ist das Feststellungsfinanzamt
Im Programm können Sie die Formulare für die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung
mit dem Programm Gesonderte Feststellung
ausfüllen. Diese Formulare müssen Sie dann beim zuständigen Feststellungsfinanzamt abgeben (§ 18 AO). Das ist das Finanzamt, in dessen Bezirk die gemeinschaftliche Immobilie (Lagefinanzamt) bzw. gewerbliche Betriebsstätte (Betriebsfinanzamt) liegt bzw. von dessen Bezirk aus die freiberufliche Tätigkeit ausgeübt wird bzw. die Verwaltung der sonstigen gemeinschaftlich erzielten Einkünfte ausgeht (Verwaltungsfinanzamt). Aus Vereinfachungsgründen kann bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus nur einem Grundstück davon ausgegangen werden, dass das Lagefinanzamt zuständig ist (§ 180 Nr. 3 AEAO)