Eine Fluggesellschaft ist verpflichtet, eine Person mit eingeschränkter Mobilität beim Aus- und Einsteigen zu unterstützen. Dies gilt nach einem Urteil des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main auch dann, wenn kein Rollstuhlbegleitservice gebucht wurde. Verpasst die Person wegen der mangelnden Unterstützung beim Deboarding ihren Anschlussflug, habe sie Anspruch auf Ersatz der für ein Ersatzticket angefallenen Kosten.

Die klagenden Eheleute bei einem Vermittler im Internet einen Flug von Frankfurt am Main nach St. Petersburg mit Zwischenstopp in Budapest gebucht. Die Umsteigezeit in Budapest betrug planmäßig 45 Minuten. Der Kläger ist auf einen Rollstuhl angewiesen. In Budapest durfte er erst nach allen anderen Passagieren aussteigen. Die Eheleute verpassten ihren Anschlussflug und mussten für 227,27 Euro pro Person ein Ticket für einen Weiterflug nach St. Petersburg erwerben. Sie verlangten von der Fluggesellschaft unter anderem Ersatz dieser Kosten.

Das LG Frankfurt am Main entschied, dass den Klägern eine Erstattung der Kosten für die Anschlusstickets von Budapest nach St. Peterburg zustehe. Zwar sei kein Rollstuhlbegleitservice gebucht worden. Ungeachtet dessen wäre die beklagte Fluggesellschaft aber verpflichtet gewesen, den Kläger zu unterstützen. Denn nach der Flugastrechteverordnung müsse ein Luftfahrtunternehmen einer Person mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen – wie beispielsweise auch Kindern – Vorrang bei der Beförderung einräumen.

Das betreffe, so die Richter, nicht nur das Boarding, sondern auch den Ausstieg, also das Deboarding. Wenn der betreffende Fluggast ein besonderes Interesse daran habe, müsse das Luftfahrtunternehmen ihn privilegiert aussteigen lassen. Im konkreten Fall habe die beklagte Fluggesellschaft jedenfalls beim Einstieg des Klägers erkannt, dass er auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Außerdem habe die im Prozess als Zeugin vernommene Flugbegleiterin bestätigt, dass der Kläger vergeblich um einen vorrangigen Ausstieg in Budapest gebeten habe.

Die klagenden Eheleute treffe auch kein Mitverschulden, weil sie ihre Umsteigezeit zu knapp bemessen hätten. Auch wenn sie langsamer seien als andere Passagiere, hätten sie nicht vorhersehen müssen, dass eine Umsteigezeit von 45 Minuten für sie zu kurz sei.

Landgericht Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.06.2022, 2-24 S 173/21, rechtskräftig


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