Der Halter eines angeleinten Weimaraners muss sich die eigene "Tiergefahr" nicht schadensmindernd anrechnen lassen, wenn sein Hund ohne vorheriges auffallendes Verhalten von einem sich losreißenden Rottweiler gebissen wird. Die Tiergefahr des Halters des Weimaraners trete vollständig hinter die Tiergefahr des Halters des Rottweilers zurück, betont das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. Es bestätigte damit die landgerichtliche Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz.

Der Kläger ging mit seinem Weimaraner Rüden spazieren und begegnete dabei der Beklagten und ihrem Rottweiler. Ob der Rottweiler den Weimaraner biss, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an die Begegnung wurde der klägerische Hund über einen Monat hinweg tierärztlich behandelt. Der Kläger verlangt Ersatz der Tierarztkosten in Höhe von knapp 3.000 Euro, 1.000 Euro Schmerzensgeld sowie Verdienstausfall infolge der Betreuung des Hundes, insgesamt gut 5.000 Euro. Er behauptet, der Rottweiler habe sich losgerissen, ihn umgeworfen und seinen Hund durch Bisse in den Hals verletzt. Die Beklagte behauptet, die jeweils angeleinten Hunde hätten lediglich kurze Zeit "Schnauze an Schnauze" gestanden.

Das Landgericht (LG) hat der Klage in Höhe von 3.017,17 Euro stattgegeben. Das OLG maß der hiergegen von der Beklagten eingelegten Berufung keinen Erfolg zu. Das LG habe auf Grundlage der Parteiangaben und des eingeholten Sachverständigengutachtens für das Berufungsverfahren bindend eine Haftung der Beklagten über die Grundsätze der Tierhalterhaftung angenommen. Der Rottweiler habe den Weimaraner angegriffen. Der Weimaraner habe keine aggressiven Handlungen ausgeführt; insbesondere habe er nicht vor der Attacke gebellt.

Der Kläger müsse sich auch keine eigene Tierhaftung des verletzten Weimeraners schadensmindernd anrechnen lassen. Vielmehr trete diese Tiergefahr hinter die des Rottweilers vollständig zurück. Die Tiergefahr des Rottweilers überwiege die des Weimaraners schon deshalb, da dieser den Weimaraner angegriffen habe. Weiter vertieft das OLG: "Hinzu kommt, dass es sich (nur) bei dem Rottweiler um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Absatz 1 der hessischen Hundeverordnung handelt, der Hund also schon grundsätzlich als mensch- beziehungsweise tiergefährdend anzusehen ist".

Soweit die Beklagte den Charakter des Hundes als ungefährlich "gutmütig" und "lieb" beschrieben habe, stehe das im Widerspruch zum streitgegenständlichen Vorfall. Schließlich erlange Bedeutung, dass nur die Beklagte und nicht der Kläger die Kontrolle über das jeweils geführte Tier verloren hätten. Die Beklagte sei damit der nach der Verordnung bestehenden Verpflichtung, das Tier so zu führen, dass von ihm keine Gefahr für Leben oder Gesundheit für Menschen oder Tiere ausgehe, nicht gerecht geworden. "Es wäre Sache der Beklagten (...) gewesen, jedes Zulaufen des Rottweilers auf den Kläger und seinen Hund zu verhindern", betont das OLG abschließend.

Die Berufung wurde auf den Hinweisbeschluss des OLG hin zurückgenommen. Das landgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.08.2022, 11 U 34/21, rechtskräftig


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