Das Landgericht (LG) Osnabrück hat in einer aktuellen Entscheidung die Anforderungen an die so genannte Verwertungskündigung nach § 573 Absatz 2 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) präzisiert. Diese Vorschrift erlaubt dem Vermieter einer Wohnung, den Mietvertrag zu kündigen, wenn er nur so die Immobilie wirtschaftlichen verwerten kann und ihm durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen. Mit seinem Urteil macht das LG deutlich, dass die Hürden für eine solche Kündigung hoch sind.

Geklagt hatte eine Gemeinde, die Eigentümerin eines Gebäudes mit ursprünglich vier Wohnungen war. Tatsächlich lebte jedoch nur noch ein einziger Mieter in dem Haus. Er nutzte für eine Monatsmiete von 40 Euro das gesamte Dachgeschoss des Hauses, obgleich er dort eigentlich nur eine von zwei Wohnungen angemietet hatte. Im Übrigen stand das Haus leer. Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanierungsmaßnahmen an dem Gebäude hatte sie seit Jahrzehnten nicht durchgeführt, weshalb das Haus mittlerweile einen erheblichen Investitionsstau aufwies.

2016 plante die Gemeinde, sich der Immobilie zu entledigen. Sie bot sie deshalb an ihrem "Schwarzen Brett" zu einem Mindestpreis von 60.000 Euro zum Verkauf an. Gleichzeitig kündigte sie das Mietverhältnis mit dem letzten verbliebenen Mieter mit der Begründung, die notwendige Sanierung des Hauses durch die Gemeinde sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Der Verkauf des Hauses stelle die einzig sinnvolle Nutzung der Immobilie dar. Ein Käufer lasse sich aber nur finden, wenn das Haus nicht mehr vermietet sei. Der Mieter lehnte einen Auszug ab. Er sah die Kündigung als unwirksam an.

Die Gemeinde klagte schließlich vor dem Amtsgericht (AG) Meppen gegen den Mieter auf Räumung des Hauses. Das AG gab der Klage statt. Beraten durch einen Sachverständigen für Immobilienbewertung sprach es aus, die Gemeinde habe eine so genannte Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aussprechen dürfen. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, das Haus zu einem bestmöglichen Kaufpreis auf den Markt zu bringen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand. Im vermieteten Zustand sei hingegen ein Verkauf unmöglich, da durch die geringe Miete eine Sanierung nicht zu refinanzieren sei. Die Alternative zum Verkauf, eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich unzumutbar. Dabei spiele keine Rolle, dass die Gemeinde zuvor jahrzehntelang nicht in das Haus investiert habe. Denn der Mieter habe in dieser Zeit weder Mängel angezeigt noch sonst Reparaturmaßnahmen verlangt.

Der Mieter legte Berufung ein und bekam Recht. Das LG hob das Urteil des AG auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde ab. Anders als das AG sah das LG keine Grundlage für eine Verwertungskündigung. Ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei, sei eine Frage der Abwägung. Diese falle hier zum Nachteil der Gemeinde aus. Zu berücksichtigen sei zunächst, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruht habe, ebenso der hohe Sanierungsaufwand. Die Gemeinde habe die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem habe sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Dabei spiele keine Rolle, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwertungskündigung auszusprechen. Unerheblich war für das LG auch, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt hatte. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instand zu halten (§ 535 Absatz 1 Satz 2 BGB). Gegen diese Pflicht habe sie erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.

Das LG kam außerdem zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe nicht ausreichend belegen können, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich sei. Bei der Frage, ob zur wirtschaftlichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse erforderlich sei, komme es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand zu erzielen sei. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand sei dem Vermieter dabei zumutbar. Bei einer Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gelte dies noch mehr als bei einem privaten Vermieter.

Insoweit habe die Gemeinde sich nicht ausreichend bemüht, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten. Das Angebot am Schwarzen Brett habe erkennbar nur einen sehr kleinen Kreis lokaler Interessenten angesprochen. Dies habe sich nicht zuletzt daran gezeigt, dass sich auf dieses Angebot nur ein einziger Kaufinteressent gemeldet habe. Den gebotenen Versuch, die Immobilie durch Angebote im Internet oder über einen Makler einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, habe die Gemeinde dagegen nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt sei es jedoch keineswegs fernliegend gewesen, so einen Käufer zu finden, der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.

Rechtsmittel gegen sein zweitinstanzliches Urteil hat das LG nicht zugelassen.

Landgericht Osnabrück, Urteil vom 29.01.2020, 1 S 117/19


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