Eine unter einer schweren Erdnussallergie leidende Schülerin hat vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover erreicht, dass ihr eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer nicht in ihrem Schulbezirk liegenden "erdnussfreien" Grundschule zu erteilen ist.

Die vertretungsberechtigten Eltern der Schülerin hatten vor Gericht geltend gemacht, die Klägerin leide nachgewiesenermaßen an einer hochgradigen Erdnussallergie. Der Kontakt zu kleinsten Mengen an Erdnuss könne zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen. Bei der Grundschule, die sie gerne besuchen wolle, handele es sich um eine vom Nuss-Anaphylaxie-Netzwerk e.V. anerkannte, erdnussfreie Schule. Dort seien insbesondere die Lehrkräfte entsprechend für anaphylaktische Notfälle geschult.

Die Beklagte lehnte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab. Sie trug vor, die Erdnussallergie der Klägerin stelle keine eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Besonderheit dar. Es gebe inzwischen viele Kinder, die unter allergischen Reaktionen leiden würden und Notfallsets bei sich trügen. Zudem seien alle Lehrkräfte an niedersächsischen Schulen für medizinische Notfälle geschult. Der Zusatz "erdnussfreie Schule" stelle schließlich auch keinen Zusatz dar, der der Schule vom Kultusministerium überreicht worden sei.

Diesem Vortrag ist das Gericht nicht gefolgt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung nach § 63 Absatz 3 Satz 4 Nr. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes. Hiernach könne ausnahmsweise der Besuch einer anderen Schule gestattet werden, wenn der Besuch der zuständigen Schule (Pflichtschule) für die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler oder deren Familien eine unzumutbare Härte darstellt.

Der Besuch der Pflichtschule anstelle der Wunschschule stelle für die Klägerin eine solch unzumutbare Härte dar. Bei einem Besuch der Wunschschule sei das Risiko einer Anaphylaxie im Verhältnis zu einem Besuch der Pflichtschule praktisch auf null reduziert, da es sich um eine so genannte erdnussfreie Schule mit einem entsprechenden erprobten und in der Praxis bewährten Konzept handele. Von Bedeutung sei hierbei nicht, dass es sich um keinen vom Kultusministerium überreichten Zusatz handele. Entscheidend sei die Tatsache, dass an der Schule eine erdnussfreie Umgebung herrsche. Wäge man diesen erheblichen Vorteil für das Leben und die Gesundheit der Klägerin auf der einen Seite mit dem öffentlichen Belang an der Einhaltung der Schulbezirke auf der anderen ab, so habe der öffentliche Belang im konkreten Einzelfall zurückzutreten.

Verwaltungsgericht Hannover, Entscheidung vom 16.11.2021, 6 A 3907/21


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