Es ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Im Verfahren I ZR 206/17 betreibt die Beklagte eine Apotheke in Darmstadt. Sie händigte einem Kunden anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Gutschein konnte bei einer Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen, und hatte damit in erster und zweiter Instanz Erfolg.

Im Verfahren I ZR 60/18 betreibt der Beklagte in Berlin eine Apotheke. Er gewährte seinen Kunden zeitweise eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins, den die Kunden bei einem weiteren Einkauf in seiner Apotheke einlösen konnten. Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren. Die Klage war in zweiter Instanz erfolglos.

Der BGH hat im Verfahren I ZR 206/17 die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin im Verfahren I ZR 60/18 hatte dagegen Erfolg. Nach den Entscheidungen des BGH ist die Zugabe sowohl eines Brötchen-Gutscheins als auch eines Ein-Euro-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften verstoßen.

Bei einer Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) dürften nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt. Bei diesem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann laut BGH Unterlassungsansprüche begründen. Die Regelung des § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG solle der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell verbietet, solle damit außerdem ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" vom 19.10.2016 (C-148/15) stehe der Anwendung der in § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes für in Deutschland ansässige Apotheken nicht entgegen, so der BGH. Nach dieser Entscheidung liege in den Regelungen über die Preisbindung für Apotheken, die in anderen Staaten der EU ansässig sind, ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit. Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug wie in den Streitfällen seien die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit allerdings nicht anwendbar.

Das EuGH-Urteil führe auch nicht zu einer nach nationalem Verfassungsrecht unzulässigen Inländerdiskriminierung. Aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) folge nicht, dass eine Regelung für Inländer derjenigen für andere Unionsbürger entsprechen muss, solange die Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht. Im Blick auf die Arzneimittelpreisbindung ergebe sich ein gewichtiger sachlicher Grund bereits aus der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit zwar hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkaufs von Arzneimitteln durch die im Primärrecht der Europäischen Union geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene EuGH-Rechtsprechung eingeschränkt ist, für den Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands aber keine entsprechende Einschränkung besteht. Eine unterschiedliche Behandlung von in Deutschland ansässigen Apotheken einerseits und in anderen Mitgliedstaaten der EU ansässigen Apotheken andererseits sei zudem gerechtfertigt, weil sich die Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken weniger stark auswirke als auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken, die für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen sind.

Die Fortgeltung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften verstoße für im Inland ansässige Apotheken auch nicht gegen Artikel 12 Absatz 1 GG. Der mit den Bestimmungen des § 78 Absatz 1 und 2 AMG einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei mit Blick auf ihren Zweck der Sicherstellung einer im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens sei die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften erst dann in Frage gestellt, wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs des Verkaufs preisgebundener Arzneimittel durch ausländische Versandapotheken nicht mehr allgemein erreicht werden kann oder die gesetzliche Regelung für inländische Apotheken angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland nicht mehr zumutbar ist. Dass dies derzeit der Fall ist, hätten die Berufungsgerichte nicht festgestellt.

Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG sei schließlich im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändere daran nichts. Der Gesetzgeber sei bei der mit Wirkung vom 13.08.2013 vorgenommenen Änderung des HWG davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe sei ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 06.06.2019, I ZR 206/17 und I ZR 60/18


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