Die Festsetzungsfrist läuft nach einer Außenprüfung auch dann ab, wenn es das Finanzamt unterlässt, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, obwohl die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte und dies im Prüfungsbericht dokumentiert wurde. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg.

Die klagende GmbH, ein Bauunternehmen, hatte im Streitjahr 2012 aufgrund der damaligen Verwaltungsauffassung die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bauleistungen einbehalten und abgeführt (Reverse-Charge). Die Umsatzsteuererklärung 2012 ging 2013 beim beklagten Finanzamt ein und stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Eine 2016 durchgeführte Außenprüfung führte in Bezug auf die Umsatzsteuer 2012 bis 2014 zu keinen Änderungen, was im Bericht vom 20.01.2017 auch vermerkt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb gleichwohl bestehen. Im Oktober 2018 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 zu mindern, weil die von ihr 2012 bezogenen Bauleistungen, die sie nicht zur Ausführung von eigenen Bauleistungen, sondern für so genannte Bauträgerumsätze verwendet habe, nicht mehr als Reverse-Charge-Umsätze nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu behandeln seien. Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag ab. Der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung der bezahlten Umsatzsteuer sei bereits mit Ablauf 2017 verjährt.

Das FG bestätigt die Rechtsauffassung des Finanzamtes und weist die Klage ab. Die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) habe mit Ablauf des Kalenderjahres 2013 begonnen und mit Ablauf des Kalenderjahres 2017 geendet. Der Antrag auf Änderung nach § 164 Absatz 2 AO sei erst 2018 beim Finanzamt eingegangen und habe keine Ablaufhemmung mehr auslösen können. Nur ein "vor Ablauf der Festsetzungsfrist" gestellter Antrag führe dazu, dass die Festsetzungsfrist insoweit nicht ablaufe, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden sei (§ 171 Absatz 3 AO).

Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei auch nicht wegen der Außenprüfung nach § 171 Absatz 4 AO gehemmt gewesen. Danach laufe die Festsetzungsfrist nicht ab, "bevor" "nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind". Nach § 202 Absatz 1 Satz 3 AO genüge es, wenn die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führe, dass dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird. Im Streitfall sei im Bericht über die Außenprüfung zur Umsatzsteuer jeweils ausgeführt "ohne Änderung". Eine Mitteilung im Sinne des § 202 Absatz 1 Satz 3 AO könne auch in einem diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweis im Prüfungsbericht liegen. Die Feststellung "ohne Änderung" sei ein schriftlicher Hinweis nach § 202 Absatz 1 Satz 3 AO.

Die Mitteilung sei eindeutig. Dem Hinweis sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Dies genüge, um das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung zu erfüllen. Die Mitteilung habe (lediglich) Dokumentations- und Protokollfunktion. Unbeachtlich sei, ob sie rechtmäßig sei. Daher könne dahin gestellt bleiben, ob die Außenprüfung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG mit der Mitteilung "keine Änderung" hätte enden dürfen.

Etwas Anderes ergebe sich nicht dadurch, dass nach § 164 Absatz 3 Satz 3 AO der Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung aufzuheben "ist", wenn sich keine Änderungen ergeben. Unterlasse das Finanzamt die Aufhebung des Vorbehalts, stehe der Steuerbescheid weiterhin unter einem wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung und könne nach § 164 Absatz 2 AO geändert werden. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich nicht dafür entschieden, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung entfalle, sondern der Finanzbehörde aufgegeben, diesen aufzuheben. Dies gelte auch, wenn nach einer Außenprüfung mitgeteilt wird, sie habe zu keiner Änderung geführt. Die nach dem Wortlaut des § 164 Absatz 3 Satz 3 AO ("ist") bestehende Verpflichtung zur Aufhebung des Vorbehalts, trotz bestehender Unsicherheiten über die Anwendung von § 13b UStG, mache den Bescheid über eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht zu einem "aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheid" nach § 171 Absatz 4 AO mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist bis zu dessen Erlass gehemmt sei. § 164 Absatz 3 Satz 3 AO führe lediglich zu einem Anspruch des Steuerpflichtigen. Komme das Finanzamt seiner Pflicht aus § 164 Absatz 3 Satz 3 AO nicht nach, habe der Steuerpflichtige die Möglichkeit, die Aufhebung durch einen Rechtsbehelf durchzusetzen. Geschehe dies nicht, könne die Festsetzungsfrist ablaufen und der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen (§ 164 Absatz 4 Satz 1 AO). Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Verfahrensfehler, die zu Rechtsverletzungen führen, gerügt werden müssen. In diesem Sinne sehe § 27 Absatz 19 UStG auch aus Gründen des Vertrauensschutzes vor, dass der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer zu fordern habe, die er in der Annahme entrichtete, Steuerschuldner zu sein. Hieran fehle es für das Streitjahr vor Ablauf der Festsetzungsfrist.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.2019, 12 K 516/19, nicht rechtskräftig, Revision beim Bundesfinanzhof, XI R 37/19


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