Müssen sich Eltern Kindergeld anrechnen lassen, das sie gar nicht erhalten haben? Das lässt der Bund der Steuerzahler (BdSt) in einer Musterklage überprüfen. Jetzt hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Verfahren per Gerichtsbescheid hinter die Eltern gestellt und die Frage der Anrechnung verneint. Allerdings müsse dies noch in einer mündlichen Verhandlung bestätigt werden, so der Steuerzahlerbund.

Hintergrund sei eine seit 2018 geltende Regelung, wonach das Kindergeld nachträglich nur noch für die zurückliegenden sechs Monate vor Antragstellung – statt zuvor für vier Jahre – ausgezahlt wird. Stellen Eltern den Kindergeldantrag zu spät, erhielten sie dementsprechend nicht mehr den kompletten Betrag. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung sei ihnen dennoch das vollständige Kindergeld angerechnet worden, auch wenn sie dieses gar nicht erhalten hatten. Gegen diese Regelung hätten sich die Musterklagen gerichtet.

Im konkreten Fall gingen die Eltern laut BdSt zunächst davon aus, dass ihnen kein Anspruch auf Kindergeld mehr zusteht. Dementsprechend hätten sie das Kindergeld für 2017 erst rückwirkend im Mai 2018 beantragt, sodass sie für 2017 nur für November und Dezember Kindergeld erhalten hätten. In der Einkommensteuererklärung für 2017 habe das Finanzamt das Kindergeld aber für das volle Jahr angerechnet. Die dagegen gerichtete Klage habe beim Finanzgericht (FG) Hessen Erfolg gehabt (6 K 174/19). Allerdings habe das Finanzamt Revision beim BFH eingelegt. Die BFH-Richter hätten sich nun per Gerichtsbescheid hinter die Eltern gestellt. Allerdings sei aus diesem Bescheid kein rechtskräftiges Urteil geworden, da das Finanzamt eine mündliche Verhandlung beantragt habe (III R 50/19).

Im Parallelfall beantragten die Eltern laut BdSt für die Jahre 2016 und 2017 das Kindergeld zunächst nicht. Als sie dann rückwirkend einen Kindergeldantrag gestellt hätten, sei dieses nur gemäß § 66 Absatz 3 Einkommensteuergesetz (§ 70 EStG-neu) für die zurückliegenden sechs Monate in 2017 ausgezahlt worden. Bei der Einkommensteuererklärung für 2016 sei ihnen das Kindergeld, das sie nicht erhalten hatten, vollständig hinzugerechnet worden. Gegen diese Regelung richte sich ihre Klage vor dem FG Hessen.

Im Sommer 2019 habe der Gesetzgeber das Problem erkannt und mit dem "Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch" einen neuen § 31 Satz 5 EStG eingefügt. Danach bleibe das Kindergeld, das festgesetzt, aber nicht ausgezahlt wurde, bei der Steuerberechnung außen vor. Im Ergebnis bestätige der Gesetzgeber damit die Argumentation des BdSt. Allerdings gelte die Änderung nicht für die hier streitigen Altfälle, betont der Steuerzahlerbund abschließend.

Bund der Steuerzahler e.V., PM vom 20.09.2021


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