Mit sechs Beschlüssen hat das Finanzgericht (FG) Münster im Rahmen von Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zur Aufrechnung in Bauträgerfällen Stellung genommen. Danach bestehen ernstliche Zweifel an den Aufrechnungen des Finanzamts mit abgetretenen Werklohnforderungen gegen Umsatzsteuernachforderungen.

Die Antragstellerin ist als Bauträgerin tätig und erhielt Bauleistungen von Subunternehmen. Die auf diese Leistungen entfallende Umsatzsteuer behielt die Antragstellerin ein und führte sie an das Finanzamt ab, weil sie ursprünglich davon ausging, gemäß § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) Steuerschuldnerin zu sein. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22.08.2013 (V R 37/10) beantragte die Antragstellerin die Erstattung der zu Unrecht abgeführten Umsatzsteuer, was zu einer Herabsetzung der Umsatzsteuerfestsetzung führte. Das Finanzamt zahlte den Erstattungsbetrag jedoch nicht an die Antragstellerin aus, sondern ließ sich in Höhe der Umsatzsteuerbeträge Werklohnnachforderungen von den Subunternehmen abtreten und rechnete hiermit auf.

Hierüber erließ das Finanzamt Abrechnungsbescheide, gegen die die Antragstellerin Einsprüche einlegte, weil keine Aufrechnungslage vorgelegen habe. Hierzu berief sie sich auf Verjährung, machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend und trug vor, dass die Forderungen wegen fehlender Gegenseitigkeit nicht aufrechenbar seien. Zugleich beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt ablehnte, sodass es zu den gerichtlichen Aussetzungsanträgen kam.

Diese gerichtlichen Aussetzungsanträge hatten überwiegend Erfolg. Das FG Münster hat zunächst ausgeführt, dass Aufrechnungsbescheide auch dann vollziehbare und damit aussetzungsfähige Verwaltungsakte seien, wenn sie einen Kontostand von null Euro ausweisen. Denn durch die Aufrechnungen habe sich die Rechtsposition der Antragstellerin verschlechtert.

Es bestünden auch ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der erklärten Aufrechnungen. Bislang sei rechtlich ungeklärt, ob Finanzgerichte über den Bestand und die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher und damit rechtswegfremder Forderungen, mit denen das Finanzamt aufgerechnet hat, selbst entscheiden können, oder ob zuvor eine zivilgerichtliche Entscheidung eingeholt werden muss. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sei eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung nur möglich, wenn diese unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil die Antragstellerin die Durchsetzbarkeit der Werklohnforderungen infrage stelle. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sei in Bauträgerfällen umstritten, ob Finanzgerichte über die an den Fiskus abgetretenen Werklohnforderungen selbst entscheiden können oder dies den Zivilgerichten überlassen müssen. Daher sei Aussetzung der Vollziehung geboten.

Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung allerdings von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht, die die Antragstellerin auch durch Abtretung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs erbringen dürfe.

Die Antragstellerin hat die gegen die Beschlüsse zugelassenen Beschwerden eingelegt. Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen. Aktenzeichen des BFH sind laut FG noch nicht bekannt.

Finanzgericht Münster, Beschlüsse vom 17.02.2022, 5 V 3238/21, 5 V 3239/21, 5 V 3240/21, 5 V 3241/21, 5 V 3242/21 und 5 V 3243/21, nicht rechtskräftig


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