Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen. Dies hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschieden.

Die Kläger sind verheiratet und wurden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren 2013 bis 2015 war der Kläger leitender Angestellter (Projektleiter) der international tätigen A KG und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er schloss mit der A KG einen Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer "typischen stillen Gesellschaft", für den nachträglich eine Rangrücktrittserklärung vereinbart wurde. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag enthielt eine Einlageverpflichtung des Klägers, die er später freiwillig erhöhte. Die Leistung der jeweils vereinbarten Einlage konnte durch Bareinzahlung oder Stehenlassen von Tantieme- und Vergütungsansprüchen beziehungsweise durch Gutschrift von künftigen Gewinnanteilen aus der stillen Gesellschaft erfolgen. Der Kläger leistete sämtliche Einlageverpflichtungen durch Stehenlassen von Gewinnanteilen. Die Einlage ging jeweils in das Vermögen der A KG über und wurde auf dem festen Kapitalkonto verbucht. Der Kläger erhielt als stiller Gesellschafter im Innenverhältnis eine Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags, war aber im Außenverhältnis für Gläubiger der A KG nicht haftbar. Hiervon unberührt blieb die Haftung im Innenverhältnis mit der geleisteten Einlage sowie der angesparten Rücklage aufgrund der Rangrücktrittsregelungen. Die jeweilige Beteiligung des Klägers am Jahresergebnis der A KG richtete sich nach dem Verhältnis seiner im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage zum Gesamtkapital der A KG. Die Ergebnisbeteiligung aller stiller Gesellschafter war auf maximal 25Prozent begrenzt.

Die jeweils auf den Kläger entfallende Beteiligung am Jahresergebnis (die "Gewinnanteile"), die weder dem Kapital-, Verlust- oder Rücklagenkonto zuzuführen waren, wurden dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Während der Kläger Guthaben auf dem Darlehenskonto jederzeit entnehmen konnte, waren die Einlage und das Guthaben auf dem Rücklagenkonto vor Beendigung der stillen Gesellschaft nicht entnahmefähig. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor, dass die stille Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum nächsten 31. Dezember durch beide Parteien gekündigt werden konnte.

Im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses wurde die stille Gesellschaft einvernehmlich aufgehoben. Der Kläger hatte daraufhin einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Er erklärte die Einkünfte aus der stillen Beteiligung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung der Kalenderjahre 2013 bis 2016 als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die das beklagte Finanzamt als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit besteuerte.

Das FG gab der Klage statt. Die Gewinnanteile aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter der A KG seien als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Absatz 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) anstatt als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zu qualifizieren.

Beteilige sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, könne die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und -aufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stünden. Der Arbeitnehmer nutze in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten laufenden Erträge seien keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen. Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage spreche es insbesondere, wenn der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbstständige Tätigkeit vorsehe, die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert werde und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trage sowie keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar seien, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen würden.

Nach den vorgenannten Maßstäben sei das FG im Rahmen einer Gesamtschau davon überzeugt, dass die dem Kläger aus der stillen Beteiligung zugeflossenen Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Absatz 1 Nr. 4 EStG) zu qualifizieren und nicht durch die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) veranlasst gewesen seien. Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spreche besonders, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt sei, den Kläger in Höhe der Einlage und auch der Rücklage ein Verlustrisiko getroffen habe und mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich beziehungsweise bilanzrechtlich motiviert gewesen sei. Der Kläger hätte zudem einen möglichen Verlust aus seinem privaten und bereits versteuerten Vermögen tragen müssen.

Das FG ist zudem davon überzeugt, dass die stille Gesellschaft aus Sicht der A KG in erster Linie darin begründet gewesen sei, das bilanziell ausgewiesene Eigenkapital der A KG zu stärken und nicht etwa die Arbeitsleistung des Klägers zu vergüten. Als Familiengesellschaft sei es ihr nachvollziehbar darauf angekommen, dieses Kapital nicht von fremden Dritten zu erlangen, sondern auf ihre Kapitalgeber dauerhaft vertrauen zu können. Zudem habe der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass die Unternehmensfinanzierung durch Geschäftsbanken aufgrund der Risikostruktur der A KG nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Die A KG habe deswegen in den 1990er Jahren ihre Kapitaldecke durch Begründung stiller Gesellschaften mit ihren führenden Mitarbeitern gestärkt. Dies könne auch als starkes Signal an die Kunden und fremde Kreditgeber der A KG gewertet werden, was ebenfalls für ein Sonderrechtsverhältnis spreche.

Weiteres erhebliches Indiz für die Begründung eines Sonderrechtsverhältnisses sei zudem die Zuführung von Kapital auf das Rücklagenkonto. Laut Gesellschaftsvertrag seien Gewinne, die nicht vorrangig dem Kapitalkonto oder dem Verlustkonto gutzuschreiben waren, mit 25 Prozent des jeweiligen Gewinnanteils auf dem Rücklagenkonto verbucht worden. Die Zuführung zum Rücklagenkonto sei eine rein fakultative Regelung, der es zur Begründung der stillen Gesellschaft nicht bedurft hätte. Hierfür wäre die Verpflichtung zur Einlage ausreichend gewesen. Das Rücklagenkonto begründe Eigenkapital der Gesellschaft und sei vom Verlustrisiko betroffen. Laut Gesellschaftsvertrag hätte der Gesellschafter nur durch Kündigung des Gesellschaftsvertrages über die gebildeten Rücklagen verfügen können. Auch insofern sei ersichtlich, dass die Motivation der Vertragsparteien nicht im Arbeitsverhältnis, sondern im Gesellschaftsrecht begründet gewesen sei. Das Verhältnis der Gesamteinlagen der stillen Gesellschafter zu den Gesamtdarlehen von 13,51 Prozent könne in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführt werden.

Aufgrund der vorgenannten Motivation, die A KG beziehungsweise ihr Eigenkapital durch stille Beteiligungen zu stärken, hält das FG auch die Renditemöglichkeiten der Gesellschafter für nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die gesamte Gestaltung entspreche handelsrechtlichen Vorgaben. Aus Sicht des FG ist auch die Höhe der Rendite nicht zu beanstanden.

Auch im Übrigen überzeugten die Argumente des Klägers. Denn tatsächlich habe er bereits ein fremdübliches Gehalt mit variablen Anteilen erhalten und es sei nicht ersichtlich geworden, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung ähnlich einem Aktienaktionsprogramm als "Anreizlohn" ausgestaltet gewesen sei. Dem "Anreizlohn" sei zu eigen, dass die Mitarbeiter verbilligt Aktien erwerben können. Vorliegend verhalte es sich allerdings anders, da der Kläger zunächst die stille Beteiligung aus versteuerten Einnahmen habe erwerben müssen und kein zusätzliches Entgelt erhalten habe. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass es möglich gewesen sei, die Einlage durch Stehenlassen von Gewinnen zu erbringen.

Auch das Kündigungsrecht der A KG beziehungsweise des Klägers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe hier zu keinem anderen Ergebnis. Dieses sei letztlich Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertige für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet würde. Dies gelte hier umso mehr, als beiden Beteiligten nur ein Kündigungsrecht zugestanden habe. Von einem Automatismus könne man also nicht sprechen.

Dem FG sei bekannt, dass das FG Sachsen mit Urteilen vom 25.11.2021 (8 K 438/21 und 8 K 849/21) über ähnlich gelagerte Fälle entschieden habe und jeweils zu dem Ergebnis gekommen sei, die Ergebnisbeteiligungen seien in Mitarbeiterlohn umzuqualifizieren. In den Verfahren seien Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Allerdings unterschieden sich die festgestellten Sachverhalte nach den vorliegenden Erkenntnissen in wesentlichen Punkten. So habe in den Verfahren des FG Sachsen die Gesellschaft automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geendet. Es sei keine zusätzliche Rücklage aufgebaut worden, es habe kein Verlustrisiko bestanden, es sei keine nachträgliche Rangrücktrittsvereinbarung vereinbart worden und auch die besondere Situation der Beschaffung von Eigenkapital für den Arbeitgeber scheine dort keine Rolle gespielt zu haben.

Gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg wurde Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 10/22 läuft.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2022, 5 K 1635/20, nicht rechtskräftig


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