Das Zustellzentrum, dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (zum Beispiel Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist dessen erste Tätigkeitsstätte. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) zum neuen Reisekostenrecht entschieden.

Im zugrunde liegenden Verfahren war streitig, ob bei den Einkünften des klagenden Postzustellers aus nichtselbstständiger Arbeit Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Der Kläger beginnt seinen Arbeitstag im Zustellzentrum der Post. Dort erfolgt die Verteilung der Briefe nur grob auf die Bezirke. Im Anschluss steckt jeder Zusteller die von ihm auszutragende Post für die Runde auf Gangfolge. Im Anschluss daran macht der Zusteller seine Runde. Nach der Zustellrunde bearbeitet der jeweilige Zusteller die so genannte Abschreibpost (Post, bei der der Adressat unbekannt, unbekannt verzogen oder verzogen ist) und Abrechnungen (zum Beispiel für Nachnahmen, Nachentgelte oder Zollgebühren). Die Vorarbeiten dauern zwei bis zweieinhalb Stunden, die Nacharbeiten circa 20 bis 30 Minuten.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre begehrte der Kläger den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei seiner "Auswärtstätigkeit". Der Zustellbezirk sei als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen. Dem entsprach das Finanzamt nicht. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.

Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, sei gemäß § 9 Absatz 4a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale anzusetzen, erläutert der BFH die Rechtslage. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, komme es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.

Demnach sei hier das Zustellzentrum als erste Tätigkeitsstätte des Klägers zu begreifen. Ein Ansatz der begehrten Mehraufwendungen für Verpflegung komme daher nicht in Betracht. Der Kläger sei an den geltend gemachten Tagen nicht mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und dem Zustellpunkt als erster Tätigkeitsstätte abwesend gewesen. Eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden nur von der Wohnung reiche nach dem Gesetzeswortlaut nicht aus.

Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob ein Zustellbezirk ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4a EStG ist, stelle sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort auf diese Frage bedürfe es nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG nur, wenn der Steuerpflichtige – anders als der Kläger im Streitfall – über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.09.2020, VI R 10/19


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