Betragsausschüttung; Kapitalgesellschaft; Gewährte Investitionszulage; Ausschüttung an Gesellschafter

Rechtsgrundlage:

§ 19 Abs. 6 BHG 1964

Fundstellen:

BFHE 116, 490 - 493

BStBl II 1975, 815

DB 1975, 2352-2353 (Volltext mit amtl. LS)

DStR 1976, 79 (amtl. Leitsatz)

GmbHR 1976, 24 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz:

Schüttet eine Kapitalgesellschaft einen Betrag in Höhe der gewährten Investitionszulage an ihre Gesellschafter aus, so unterliegt der ausgeschüttete Betrag bei den Gesellschaftern der Einkommensteuer (Anschluß an BFH-Urteil vom 31. Oktober 1969 VI R 75/67, BFHE 97, 190, BStBl II 1970, 54).

Tatbestand:

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Streitig ist, ob die von einer GmbH an ihre Gesellschafter ausgeschütteten Investitionszulagen, welche die GmbH aufgrund des § 19 des Berlinhilfegesetzes vom 19. August 1964 -- BHG 1964 -- (BGBl I 1964, 674, BStBl I 1964, 509) erhalten hatte, zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen des Gesellschafters gehören.

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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesellschafter einer GmbH. Er besaß im Streitjahr 1966 rd. 10 v. H. der Anteile an der GmbH. Die GmbH hatte 1966 Investitionszulagen erhalten und an ihre Gesellschafter weitergegeben. Der Kläger erhielt entsprechend seiner Anteile 16 716 DM ausbezahlt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte bei der Einkommensteuerveranlagung 1966 des Klägers diesen Betrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an. Der Einspruch, mit dem sich der Kläger unter Berufung auf § 19 Abs. 6 BHG 1964 gegen die Besteuerung des Betrages wandte, hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen. Das FG war der Auffassung, daß der umstrittene Betrag zu den sonstigen Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehöre. Die Steuerfreiheit nach § 19 Abs. 6 BHG 1964 stehe nur der GmbH zu, nicht aber dem einzelnen Gesellschafter.

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Der Kläger beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA bei der Einkommensteuerveranlagung 1966 des Klägers den Betrag von 16 716 DM nach § 19 Abs. 6 BHG 1964 außer Ansatz zu lassen. Es wird Verletzung des § 19 Abs. 6 BHG 1964 gerügt. Das Urteil des BFH vom 31. Oktober 1969 VI R 75/67 (BFHE 97, 190, BStBl II 1970, 54) müsse noch einmal überdacht werden. Die Investitionszulage unterscheide sich von anderen steuerlichen Vergünstigungen dadurch, daß sie einen konkreten Zuschuß liquidierter Mittel verkörpere. Diese Eigenart erlaube ihre jederzeitige Konkretisierung. Sei die Investitionszulage zur Ausschüttung an die Gesellschafter vorgesehen, so könne ihr bei der GmbH der Charakter eines durchlaufenden Postens zuerkannt werden. Sie sei zwar zunächst in das Betriebsvermögen der GmbH übergegangen, nehme aber innerhalb dieses Betriebsvermögens die Sonderstellung eines Eventualvermögens bis zum Zeitpunkt der Weiterleitung an die Gesellschafter ein. Wenn auch bei Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern verschiedene Steuersubjekte vorlägen, so könne der öffentliche Zuschuß "Investitionszulage" seinen Charakter nicht dadurch verlieren, daß er durch einen Gesellschafterbeschluß ausdrücklich zur Ausschüttung gelange. Bei dieser Weiterleitung liege eine Formerhaltung des öffentlichen Zuschusses vor. Der Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung stehe entgegen, daß der Gewinn der GmbH nicht gemindert werde und die Ausschüttung offen vorgenommen worden sei. Der GmbH enständen keine Aufwendungen, sie verzichte auch nicht auf Erträge. Es sei auch unerheblich, ob die Investitionszulage, wie das FG meine, ein besonderes Entgelt im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG sein könne. Da auch bei der Ausschüttung die Form der Investitonszulage erhalten geblieben sei und § 19 Abs. 6 BHG 1964 bestimme, daß die Investitionszulage nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehöre, könne sie auch nicht bei dem Gesellschafter zu seinen Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet werden. Die unterschiedliche Behandlung der Investitionszulage bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften und deren Gesellschaftern einerseits und bei Kapitalgesellschaften und deren Gesellschaftern andererseits vereitle den mit § 19 BHG 1964 erstrebten Zweck und widerspreche dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Hätte der Gesetzgeber diese unterschiedliche Behandlung wirklich gewollt, so hätte er das in § 19 BHG zum Ausdruck gebracht.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Das FG hat zu Recht den ausgeschütteten Betrag bei den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers angesetzt.

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Der VI. Senat des BFH hat in dem Urteil VI R 75/67 entschieden, daß dann, wenn eine Kapitalgesellschaft einen Betrag in Höhe der ihr gewährten Investitionszulage an ihre Gesellschafter ausschütte, der ausgeschüttete Betrag bei den Gesellschaftern der Einkommensteuer unterliege. Er hat diese Entscheidung damit begründet, daß investitionszulageberechtigt nach § 19 Abs. 1 BHG 1964 Unternehmer im Sinne des § 2 UStG seien. Unternehmer in diesem Sinne sei bei einer Kapitalgesellschaft allein diese, dagegen seien es nicht die Gesellschafter. Dem § 19 Abs. 6 BHG 1964 sei damit Genüge getan, daß die Investitionszulage bei der Kapitalgesellschaft nicht zur Körperschaftsteuer herangezogen werde. Mit der Zuteilung sei die Investitionszulage in das Vermögen der Kapitalgesellschaft übergegangen. Sie nehme innerhalb dieses Vermögens keine Sonderstellung ein. Es sei begrifflich nicht möglich, "die Investitionszulage" an die Gesellschafter auszuschütten. Es könne nur ein Vermögensbetrag in Höhe der Investitionszulage ausgeschüttet werden. Diese Ausschüttung gehöre wie alle anderen Ausschüttungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. § 19 Abs. 6 BHG 1964 könne auf sie keine Anwendung finden. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die Einwendungen, die der Kläger gegen sie erhebt, sind nicht stichhaltig.

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Auch der Kläger geht davon aus, daß die Investitionszulage in das Vermögen der Kapitalgesellschaft übergeht. Seine Auffassung, daß die Investitionszulage innerhalb dieses Vermögens einen durchlaufenden Posten darstelle, kann weder wegen des Charakters der Investitionszulage als öffentlicher Zuschuß, noch wegen des mit dem Berlinhilfegesetz 1964 verfolgten Zwecks, noch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gefolgt werden. Dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, daß es sich bei der Kapitalgesellschaft einerseits und ihren Gesellschaftern andererseits um voneinander verschiedene Rechtssubjekte handelt und daß die Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 BHG 1964 nur der Kapitalgesellschaft als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG gewährt wird. Mit der Auszahlung der Investitionszulage an die Kapitalgesellschaft und mit der Freistellung des ausgezahlten Betrags von der Körperschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft ist dem § 19 BHG 1964 Genüge getan. Auch der mit ihm verfolgte Zweck der Förderung der Berliner Wirtschaft ist damit erreicht. Die Ausschüttung eines Betrages in Höhe der erhaltenen Investitionszulage an die Gesellschafter ist ein neuer Vorgang. Diese Ausschüttung ist steuerlich wie jede andere Ausschüttung zu behandeln. Sie gehört zu den sonstigen Bezügen aus Anteilen an der GmbH im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dabei ist es entgegen der Auffassung des Klägers nicht entscheidend, daß durch diese Ausschüttung der Gewinn der GmbH nicht gemindert wird. Wie schon der RFH in dem Urteil vom 14. September 1935 VI A 443/34 (RStBl 1936, 121) ausgeführt hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung jede Zuwendung an die Gesellschafter, durch die das Vermögen einer Kapitalgesellschaft ohne eine Kapitalherabsetzung gemindert wird, als Kapitalertrag anzusehen. Dabei sei es gleichgültig, ob die Zuwendung dem Reingewinn der Gesellschaft entspreche oder das Vorhandensein von Reserven die Möglichkeit der Ausschüttung gewährt oder sonstige Umstände die Ausschüttung ermöglicht hätten. An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Der Hinweis des Klägers auf die beiden BFH-Urteile vom 2. November 1965 I 221/62 S (BFHE 85, 121, BStBl III 1966, 255) und vom 4. März 1970 I R 123/68 (BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 420) geht schon deshalb fehl, weil es sich dort um außerbetriebliche Vorgänge handelt, was bei der Investitionszulage, wie noch dargetan wird, nicht der Fall ist. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der verschiedenen Behandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter ist wirtschaftlich nichts anderes als bei einem Einzelunternehmer und einer Personengesellschaft die Überführung eines Betrages aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen. Wie der VI. Senat in dem Urteil VI R 75/67 zutreffend ausgeführt hat, liegt bei einer Personengesellschaft eine (steuerpflichtige) Entnahme vor, wenn ein der Investitionszulage entsprechender Betrag in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt Wird. Denn die Investitionszulage ist, obwohl sie nach § 19 Abs. 6 BHG 1964 nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehört, eine Betriebseinnahme. Der von Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer einschließlich Nebengesetzen, 16. Aufl., Bd. VIII, Anm. 57 zu § 19 BerlinFG) vertretenen gegenteiligen Auffassung stimmt der Senat nicht zu. Denn Betriebseinnahmen sind in sinngemäßer Anwendung der Begriffsbestimmung der Einnahmen in § 8 EStG alle Güter, die in Geld oder in Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen seines Betriebs zufließen (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., Anm. 698 zu §§ 4, 5 EStG). Die Investitionszulage fließt aber der Personengesellschaft als der Investitionszulageberechtigten "im Rahmen ihres Betriebs" zu. Wird sie in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt, so ist das eine Entnahme (vgl. dazu die Ausführungen im BFH-Urteil vom 29. September 1955 IV 647/54 U. BFHE 61, 386, BStBl III 1955, 348). Es liegt also im Ergebnis keine unterschiedliche Behandlung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und der Gesellschafter einer Personengesellschaft bei der Überführung der Investitionszulage in ihr Privatvermögen vor. Ebenso ist es bei einem Einzelunternehmer, bei dem Überführung in das Privatvermögen nach dem obigen Darlegen ebenfalls eine Entnahme ist.