Herausgeber eines juristischen Informationsdienstes; Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte; Freiberufliche Tätigkeit; Beschränkung der Mithilfe; Vorbehalt der abschließenden Abfassung der Informationen; Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse; Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit; Schaffung einer neuen Erwerbsgrundlage

Fundstellen:

BFHE 119, 253 - 256

BStBl II 1976, 641

DB 1976, 1797 (Volltext mit amtl. LS)

DStR 1976, 673 (amtl. Leitsatz)

NJW 1976, 2040 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz:

1. Der Herausgeber eines juristischen Informationsdienstes, der sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, ist nur dann freiberuflich tätig, wenn sich die Mithilfe auf das Zuarbeiten, die Stoffsammlung beschränkt und er selbst sich die abschließende Abfassung der Informationen vorbehält.

2. Die Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse geht über den Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit hinaus, wenn sie sich nach dem Gesamtbild der zu diesem Zweck geschaffenen organisatorischen Einrichtung nicht auf eine der schriftstellerischen Tätigkeit dienende Funktion beschränkt, sondern eine neue Erwerbsgrundlage darstellt. Durch den gewerblichen Massenvertrieb verliert auch eine ihrer Natur nach schriftstellerische Tätigkeit ihren freiberuflichen Charakter.

Tatbestand:

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Herausgeber eines juristischen Informationsdienstes, der in den Streitjahren 1960 bis 1962 folgendermaßen abgewickelt wurde: Aus den Unterlagen eines für diesen Zweck angelegten Archivs verfaßte der Kläger zusammen mit acht gegen freiberufliche Honorare tätigen, fachlich qualifizierten Mitarbeitern Besprechungen von Urteilen deutscher Gerichte und Aufsätze über aktuelle Rechtsfragen in allgemein verständlicher Form. Im Jahre 1960 schrieb der Kläger selbst vier von insgesamt 1 036 Artikeln; im Jahre 1961 waren es fünf von 1 125, im Jahre 1962 dreizehn von 1 174. Soweit der Kläger die Entwürfe nicht selbst anfertigte, wurden sie von ihm geprüft, erforderlichenfalls umgestaltet oder mit einer wirksameren Überschrift versehen. Bei besonders qualifizierten und langjährigen Mitarbeitern beschränkte sich eine solche Prüfung auf zeitweise Stichproben; die Mitarbeiter hatten jedoch verbindliche Anweisungen des Klägers zu beachten.

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Diese Artikel wurden vervielfältigt und an 450 bis 487 Abonnenten versandt, teils täglich (bis zu 81 Abnehmer), teils wöchentlich (durchschnittlich 316), vierzehntägig (durchschnittlich 5) oder monatlich (durchschnittlich 85 Abnehmer). Die Zahl der Versendungen lag bei jährlich etwa 500 000. Das Bezieherverhältnis kam in der Regel durch Werbung zustande. Der Kläger betrieb Einzel- und Massenwerbung, z. B. durch Inserate, Handbücher und Zeitschriften sowie durch Verteilung von Werbeprospekten. Die Abonnementartikel wurden von den angeschlossenen Zeitungen nur im Falle der Veröffentlichung honoriert (durchschnittlich 1 v. H. der Versandten Ausfertigungen).

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Daneben verfaßten der Kläger und seine Mitarbeiter auf besondere Bestellung in gleicher Weise allgemein verständliche Abhandlungen über bestimmte Rechtsfragen (Sondergutachten), die nur in einer Zeitung oder Zeitschrift abgedruckt werden sollten und ohne Rücksicht auf die Veröffentlichung zu bezahlen waren. Von diesen Artikeln entwarf der Kläger im Jahre 1960 12 (von insgesamt 54), im Jahre 1961 23 (von 59) und im Jahre 1962 20 (von 81).

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An bürotechnischem Personal beschäftigte der Kläger ausschließlich für den Informationsdienst eine Sekretärin, eine Schreib- und Listenführungskraft, eine Angestellte für Vervielfältigungen, Porto- und Adressenmaschinenarbeit und die Versendung. Für die Abwicklung standen drei Büroräume zur ausschließlichen Verfügung, die als solche des Informationsdienstes beschildert und von denen der Anwaltskanzlei getrennt waren. Bis auf einen Telexschreiber dienten auch die technischen Hilfsmittel (Telefon, Schreibmaschinen, Plattenabhörgerät, Papierschneidemaschine, Abzieh-, Adressier- und Frankiermaschinen, Collator, zwei elektrische Heftmaschinen) ausschließlich dem Informationsdienst.

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Der Kläger erklärte die Einkünfte aus dieser Tätigkeit als freiberufliche Einkünfte schriftstellerischer Art. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) folgte dem zunächst, versagte aber die beantragte Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 4 EStG, da keine Nebentätigkeit vorliege und der Kläger nur in geringem Umfange persönlich schriftstellerisch tätig geworden sei. Die vom Kläger und seiner Ehefrau eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. Die Klage zum FG führte zu einer teilweisen Herabsetzung der Einkommensteuer. Die Vorinstanz gewährte die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus den vom Kläger persönlich verfaßten Sondergutachten und wies die Klage im übrigen ab. Das Gericht schloß sich der während des Klageverfahrens geäußerten Ansicht des FA an, bei den Einkünften aus dem Informationsdienst handle es sich um solche aus Gewerbebetrieb. Der Kläger habe seine Erzeugnisse nach Art eines Verlegers verwertet

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers und seiner Ehefrau, die beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidungen aufzuheben und die Einkommensteuer in Abänderung der Steuerbescheide für die Jahre 1960 bis 1962 unter Gewährung der Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für alle Einkünfte aus dem Informationsdienst festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Kläger berufen sich darauf, das FG habe zu strenge Anforderungen an die schriftstellerische Tätigkeit gestellt. In der heutigen Zeit müsse sich ein Schriftsteller der Möglichkeiten moderner Bürotechnik bedienen können, ohne wie ein Verleger oder Selbstverleger gewerblich tätig zu werden. Auch die Voraussetzung der eigenen Tätigkeit des Klägers dürfe im Rahmen des § 18 EStG nicht zu eng beurteilt werden.

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Das FA schließt sich der Vorentscheidung an, ohne ausdrücklich einen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

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Eine schriftstellerische Tätigkeit liegt vor, wenn eigene Gedanken mit Mitteln der Sprache schriftlich ausgedrückt werden (z. B. Urteil des BFH vom 30. Oktober 1975 IV R 142/72, BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192, mit weiteren Hinweisen). Nicht nur die gutachtliche Bearbeitung bestimmter Rechtsfragen, sondern auch die Besprechung von Gerichtsurteilen kann eine derartige selbständige Gedankenarbeit darstellen. Im Streitfall hat der Kläger jedoch seine Einkünfte aus dem Informationsdienst nicht in seiner Eigenschaft als Autor als Entgelt für eigene schriftstellerische Tätigkeit erzielt, sondern in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender als Entgelt für die Herausgabe der Druckwerke.

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Soweit die Artikel durch Mitarbeiter erstellt worden sind, kann deren schriftstellerische Tätigkeit nicht dem Kläger zugerechnet werden. Es ist zwar richtig, daß sich auch ein freiberuflicher Schriftsteller der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen kann (§ 18 Abs. 1 Satz 3 EStG). Voraussetzung ist jedoch, daß das geschaffene Werk letztlich auf seine persönliche Arbeitskraft, auf seine eigenen Fachkenntnisse, auf seine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Er muß die Arbeit (mit)leisten, welche den Kern der Tätigkeit bildet und sie zu einer freiberuflichen macht (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155, zum Begriff der Eigenverantwortlichkeit). Ein Schriftsteller, der sich der Mithilfe fremder Personen bedient, ist nach diesen Grundsätzen nur dann freiberuflich tätig, wenn sich die Mithilfe auf das Zuarbeiten, die Stoffsammlung beschränkt und er selbst sich die abschließende Abfassung des Werkes vorbehält. Daß der Kläger Urteilsbesprechungen der Mitarbeiter durch eigene schriftstellerische Tätigkeit in diesem Sinne völlig überarbeitet und neu gestaltet hätte, ist nicht festgestellt und auch vom Kläger nicht behauptet worden. Die Ausgabe von Richtlinien für die Abfassung, die Korrekturlesung und gelegentliche Verbesserung der Artikel durch den Kläger und die spätere Veröffentlichung unter seinem Namen genügen diesen an eine eigenverantwortliche schriftstellerische Tätigkeit zu stellenden Anforderungen nicht und machen das fremde Gedankengut nicht zu seinem eigenen.

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Das FG hat vielmehr zutreffend entschieden, daß der Informationsdienst zur Verwertung der Urteilsbesprechungen einen Gewerbebetrieb darstellt, in den auch die Abfassung und Verwertung der zur Vervielfältigung bestimmten, von dem Kläger selbst erstellten Artikel einzubeziehen sind. Die bloße Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse im Rahmen des Üblichen ist zwar in der Regel der freiberuflichen Tätigkeit zuzurechnen. Im Streitfall hat der Verwertungsbetrieb jedoch ein Ausmaß angenommen, das der Tätigkeit eines Schriftstellers wesensfremd ist (Umfang der organisatorischen Maßnahmen, Einsatz erheblicher -- nicht der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit dienender -- technischer Hilfsmittel und fremder Arbeitskräfte, damit verbundener räumlicher Bedarf, Höhe des Werbeaufwandes, Zahl der Vervielfältigungen und der laufenden Versendungen). Der Informationsdienst beschränkt sich nicht auf eine der schriftstellerischen Tätigkeit dienende Funktion. Nach dem Gesamtbild der Einrichtung hat der Kläger vielmehr eine neue Erwerbsgrundlage geschaffen, bei der seine eigene schriftstellerische Tätigkeit in den Hintergrund tritt.

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Durch die unlösbare Verflechtung mit der gewerblichen Vervielfältigung und dem Massenvertrieb verliert die ihrer Natur nach schriftstellerische Tätigkeit des Klägers ihren freiberuflichen Charakter. Eine Trennung der verschiedenen, sich gegenseitig bedingenden Tätigkeitsbereiche ist nicht möglich. Der Kläger hat die zur Vervielfältigung bestimmten Artikel verfaßt, um damit im Rahmen des Informationsdienstes -- gewerbliche -- Einnahmen zu erzielen (vgl. zur Frage der Trennungsmöglichkeit einer teils freiberuflichen, teils gewerblichen Tätigkeit außer dem BFH-Urteil VIII R 116/74 die Urteile vom 13. Januar 1965 I 389/61 U, BFHE 81, 414, BStBl III 1965, 148, zum Vertrieb der Werke eines Autors im eigenen Verlag, und vom 12. Juli 1956 IV 23/55 U, BFHE 63, 140, BStBl III 1956, 251, zur schriftstellerischen Betätigung eines Zeitschriftenherausgebers, sowie Hinweis im Urteil vom 10. Dezember 1964 IV 238/61 U, BFHE 81, 315, BStBl III 1965, 114, zur Möglichkeit der gewerblichen Herstellung und Vervielfältigung eines künstlerischen Werkes; der eine Trennungsmöglichkeit bejahenden Entscheidung des BFH vom 18. Januar 1962 IV 270/60 U, BFHE 74, 344, BStBl III 1962, 131, lag der Sonderfall zugrunde, daß der Autor nur ein einziges Werk im Selbstverlag herausgegeben hatte, weil kein Verleger dafür gefunden werden konnte, vgl. bereits Hinweis im Urteil I 389/61 U).