Übertragung des Miteigentumsanteils; Einfamilienhaus; Ehegatte; Entgeltlicher Vorgang; Auflösung der Zugewinngemeinschaft; Ausgleichsanspruch; Ersterwerber; Vergünstigung

Rechtsgrundlagen:

§ 54 EStG 1969

§ 11d EStDV

§ 1363 Abs. 2 BGB

§ 1378 BGB

Fundstellen:

BFHE 121, 340 - 343

BStBl II 1977, 389

DB 1977, 942 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

Die Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Einfamilienhaus von einem Ehegatten auf den anderen ist auch dann ein entgeltlicher Vorgang, wenn dem anderen Ehegatten wegen der Auflösung einer Zugewinngemeinschaft ein Ausgleichsanspruch zusteht. War der übertragende Ehegatte des Miteigentumsanteils Ersterwerber, so steht dem anderen Ehegatten als Zweiterwerber die Vergünstigung des § 54 Abs. 1 EStG nicht zu.

Tatbestand:

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Umstritten ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die ideellen Miteigentumsanteile an zwei Eigentumswohnungen, die ihr der Ehemann zur Abgeltung des der Klägerin zustehenden Zugewinnausgleichsanspruchs nach der Scheidung übertragen hat, die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 54 Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen kann.

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Die Klägerin hatte zusammen mit ihrem inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann, mit dem sie in Zugewinngemeinschaft lebte, im Jahre 1968 von einem Wohnungsbauunternehmen zwei Eigentumswohnungen (Baugenehmigung im Oktober 1964) je zur Hälfte erworben. Noch während des Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Ehemann vertraglich, seine Miteigentumsanteile ohne Gegenleistung der Klägerin zu übertragen. Die Klägerin sollte den Ehemann jedoch von den auf den Miteigentumsanteilen ruhenden Belastungen freistellen. Des weiteren verpflichtete sich der Ehemann, der Klägerin einen Barabfindungsbetrag von 55 000 DM zu zahlen. Diesen Verpflichtungen kam der Ehemann nach. Die Ehe wurde am 9. Oktober 1969 geschieden.

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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1969 machte die Klägerin die erhöhte AfA des § 54 Abs. 1 EStG auch für die vom Ehemann übertragenen Miteigentumsanteile an den Eigentumswohnungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte die Vergünstigung jedoch insoweit ab, weil die Klägerin diese Anteile von ihrem Ehemann entgeltlich erworben habe, so daß ein Zweiterwerb vorliege.

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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Vergünstigung des § 54 Abs. 1 EStG stehe der Klägerin wegen des vom Ehemann übertragenen Miteigentums nicht zu, weil sie es entgeltlich erworben habe, so daß ein Zweiterwerb vorliege. Werde bei der Auflösung der Zugewinngemeinschaft zur Abgeltung des in Geld zu zahlenden Ausgleichsanspruchs ein dem anderen Ehegatten gehörendes Wirtschaftsgut übertragen, so gehe das Eigentum im Austausch von Leistung und Gegenleistung über. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werde oder nicht. Es mache auch keinen Unterschied, ob das Eigentum nach der Scheidung oder zu ihrer Erleichterung vor der Scheidung übertragen werde. Daß der Ausgleichsanspruch selbst unentgeltlich entstanden sei, habe auf die Entgeltlichkeit der zu seiner Abgeltung vorgenommenen Eigentumsübertragung keinen Einfluß.

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Hiergegen richtet sich die Revision mit folgender Begründung:

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Das Urteil des FG beruhe auf einer unzutreffenden Anwendung des § 11 d EStDV. Es sei richtig, daß die Zugewinngemeinschaft nicht zur Entstehung gemeinsamen Eigentums führe und daß der gemäß § 1378 BGB nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft entstehende Anspruch auf Zugewinnausgleich primär eine Geldforderung sei. Die formaljuristische Begründung, daß die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Ausgleich des Zugewinns einen entgeltlichen Erwerb des Übernehmenden darstelle, möge für das bürgerliche Recht und das Grunderwerbsteuerrecht zutreffen, nicht aber für das Einkommensteuerrecht. Dies werde besonders deutlich, wenn auch im Falle einer vom Vormundschaftsgericht angeordneten Zuweisung eines Sachwerts ein entgeltlicher Erwerbsvorgang angenommen werde. Auch könne der Ansicht des FG nicht zugestimmt werden, daß Scheidungsvereinbarungen schlechthin als entgeltliche Verträge zu behandeln seien. Sie seien ihrem Wesen nach Vergleiche und beruhten auf gegenseitigem Nachgeben. Ein Nachgeben sei aber noch kein Entgelt. Jedenfalls sei ein entgeltliches Entgegenkommen der Klägerin nicht erkennbar.

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Die Zugewinnauseinandersetzung müsse als einheitlicher Vorgang betrachtet werden. Die vertraglich vereinbarte Ausgleichsleistung sei so anzusehen, als wäre sie an die Stelle des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs getreten, als ersetze sie diesen Anspruch. Hinzu komme, daß bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten ein Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des anderen Ehegatten erfolge, der unentgeltlich i. S. des § 11 d EStDV sei. Es sei aber nicht einzusehen, weshalb ein zum Ausgleich des Zugewinns erworbenes Wirtschaftsgut hinsichtlich der AfA-Berechtigung unterschiedlich behandelt werde, je nachdem, ob dem Erwerb der erbrechtliche Zugewinnausgleich oder die güterrechtliche Zugewinnauseinandersetzung zugrunde liege.

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Der Ausgleich nach Auflösung der Zugewinngemeinschaft sei nicht anders zu behandeln als eine Erbauseinandersetzung, bei der nach der Rechtsprechung des BFH ein unentgeltlicher Erwerb vorliege (Hinweis auf das Urteil vom 15. Januar 1965 VI 233/63 U, BFHE 82, 13, BStBl III 1965, 252).

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Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Vergünstigung wird nur dem Bauherrn und dem Ersterwerber gewährt. An ihre Stelle tritt der Gesamtrechtsnachfolger, aber auch der Einzelrechtsnachfolger, wenn er unentgeltlich erworben hat (vgl. Urteil des BFH vom 19. Dezember 1960 VI 206/59 U, BFHE 72, 97, BStBl III 1961, 37). Das FA vertritt aber gemeinsam mit dem FG zutreffend die Ansicht, daß die Klägerin die Anteile des geschiedenen Ehemannes an den Eigentumswohnungen nicht unentgeltlich erworben hat. Die übertragung erfolgte im Rahmen der wirtschaftlichen Auseinandersetzung der Eheleute für die Zeit nach der Scheidung als Folge der zwischen ihnen bestehenden Zugewinngemeinschaft. Im Rahmen dieser Gemeinschaft wird das Vermögen der beiden Ehegatten gemäß § 1363 Abs. 2 BGB nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten. Ihnen steht nach § 1378 BGB bei Auflösung des Güterstandes - d. h. hier der Ehe - eine Ausgleichsforderung zu. Diese Ausgleichsforderung ist nach einhelliger Rechtsansicht eine Geldforderung, und zwar eine Geldsummenforderung und keine Geldwertforderung (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10./11. Aufl., IV Familienrecht Teil 2 Anm. 1 zu § 1378). Eine solche Forderung hat der Klägerin zugestanden. Sie ist die Grundlage der während des Scheidungsverfahrens zwischen den Ehegatten getroffenen Vereinbarung. Diese Forderung hat die Klägerin kraft Gesetzes und damit unentgeltlich erworben. In ihr manifestierte sich das gesamte der Klägerin aufgrund der Zugewinngemeinschaft zustehende Recht. Dagegen hatte die Übertragung der Anteile an den beiden Eigentumswohnungen mit der Zugewinngemeinschaft, ihrer Auflösung und dem Ausgleich des Zugewinns nichts zu schaffen. Sie hängt anders als die Entstehung des Ausgleichsanspruchs mit der Auflösung der Gemeinschaft nicht zusammen, sondern beruht auf der freien Vereinbarung der beiden Ehegatten, die sie im Hinblick auf ihre Trennung getroffen haben. Hierin unterscheidet sich die Auflösung der Zugewinngemeinschaft und die Übertragung einzelner dem einen Ehegatten gehörender Wirtschaftsgüter auf den anderen Ehegatten von der Erbauseinandersetzung, auf die sich die Klägerin deshalb beruft, weil diese Auseinandersetzung nach feststehender höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung zu einem unentgeltlichen Erwerb führt. Die Erbauseinandersetzung ist die regelmäßige Folge des Erbfalls mit mehreren Erben. Da der Erbfall zum unentgeltlichen Erwerb führt, kann die ihm folgende Erbauseinandersetzung gleichfalls als unentgeltlicher Vorgang behandelt werden. Die Folge der Auflösung der Zugewinngemeinschaft zwischen den Ehegatten ist dagegen lediglich der Zugewinnausgleich, der einen unentgeltlichen Vorgang darstellt. Die Übertragung einzelner dem einen Ehegatten gehörender Wirtschaftsgüter - hier der Miteigentumsanteile - auf den anderen ist dagegen keine Folge der Auflösung der Zugewinngemeinschaft. Denn die einzelnen Gegenstände werden nicht in die Zugewinngemeinschaft eingebracht. Die Übertragung der Wirtschaftsgüter auf den anderen Ehegatten kann wohl als Folge der Ehescheidung aufgefaßt werden. Mit der Auflösung der Zugewinngemeinschaft hat sie jedoch, wie bereits oben dargelegt, nichts zu tun. Im Falle der Klägerin hat die Ehescheidung zu zwei Vorgängen geführt, die getrennt nebeneinanderstehen: Die Auflösung der Zugewinngemeinschaft mit der Entstehung des Ausgleichsanspruchs einerseits und die Übertragung der Miteigentumsanteile andererseits. Hieran ändert auch nichts, daß die Klägerin insoweit auf ihren Ausgleichsanspruch in Geld verzichtet, also aufgerechnet hat.

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Ob eine andere Entscheidung geboten wäre, wenn das Vormundschaftsgericht die Anteile gemäß § 1383 BGB der Klägerin übertragen hätte, ist nicht zu prüfen, weil das Vormundschaftsgericht nicht in dieser Weise tätig geworden ist. Ohne Bedeutung ist auch, daß die Übertragung der Anteile bereits vor der Scheidung vereinbart und vollzogen wurde. Maßgebend ist allein der Inhalt der Vereinbarung, nicht aber ihr Zeitpunkt.