Betriebsprüfung; Finanzhoheit; Ablaufhemmung

Rechtsgrundlagen:

§ 146a Abs. 3 AO

§ 171 Abs. 4 AO 1977

Fundstellen:

BFHE 125, 442 - 444

BStBl II 1978, 666

DB 1978, 2347 (Volltext mit amtl. LS)

DStR 1978, 652 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

Fehlt dem Land, dessen Finanzbehörde eine Betriebsprüfung durchführt, für bestimmte Steuern die Finanzhoheit, so tritt hinsichtlich dieser Ansprüche keine Ablaufhemmung nach § 146 a Abs. 3 AO ein.

Tatbestand:

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Der Kläger war an der X KG in A als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt. Die Kommanditisten, seine Brüder, sind im Jahre 1966 verstorben, wodurch der Kläger Alleininhaber des Unternehmens wurde. Anläßlich einer Betriebsprüfung, die sich auch auf die Grunderwerbsteuer erstreckte, stellte die für A (Nordrhein-Westfalen) zuständige Großbetriebsprüfungsstelle B fest, daß zum Vermögen des Unternehmens auch Grundbesitz in O (Niedersachsen) gehörte, und nahm diese Feststellung sowie die vom Prüfer gezogene Folgerung, daß der Vorgang der Grunderwerbsteuer unterliege, in den Betriebsprüfungsbericht vom 23. Oktober 1967 auf. Einen entsprechenden Auszug aus diesem Bericht übersandte das Finanzamt (FA) B am 29. Februar 1968 dem FA H mit der Bitte, für die in Niedersachsen belegenen Grundstükke die Grunderwerbsteuer zu erheben. Das FA H übersandte am 11. Dezember 1973 dem für O zuständigen beklagten FA eine Photokopie des Schreibens des FA B. Mit Bescheid vom 8. Januar 1974 setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 24 485 DM fest.

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Der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen begehrt, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 30 (EFG 1976, 30) veröffentlicht.

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Mit der Revision begehrt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Grunderwerbsteuer auf 15 353,90 DM festzusetzen und im übrigen die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 146 a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO). Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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1. Die durch eine Finanzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 1967 durchgeführte Betriebsprüfung konnte sich in keinem Falle auf solche Sachverhalte erstrecken, für die dem Land Nordrhein-Westfalen die Finanzhoheit fehlte. Die Finanzhoheit auf dem Gebiete der Grunderwerbsteuer stand ausschließlich den einzelnen Ländern zu (Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 des Grundgesetzes - GG - in der Fassung vor Erlaß des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl I 1969, 359). Damit konnte die die Betriebsprüfung anordnende bzw. durchführende Finanzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen von sich aus keine Handlungen vornehmen, die in irgendeiner Weise den Grunderwerbsteueranspruch des Landes Niedersachsen berührten, so daß auch hinsichtlich dieser Steuer durch die Betriebsprüfung keine Ablaufhemmung nach § 146 a Abs. 3 AO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Übernahme bundesrechtlicher Vorschriften in das Abgabenrecht des Landes vom 21. Februar 1956 (GVBl 1956, 11) eintrat.

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2. Nach § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO in der Fassung des § 18 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 beginnt die Verjährung der Grunderwerbsteuer mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Diese Vorschrift gilt nicht nur für die Fälle, in denen es zum Übergang des Grundstückseigentums erst der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch bedarf (§ 873 Abs. 1 BGB), sondern betrifft auch diejenigen Fälle, in denen das Grundstückseigentum außerhalb des Grundbuchs auf den Erwerber übergeht (vgl. Urteil des Senats vom 4. August 1976 II R 20/71, BFHE 119, 387, BStBl II 1977, 123), die Eintragung des Erwerbers als Eigentümer in das Grundbuch also im Wege der Grundbuchberichtigung erfolgt (vgl. für den vorliegenden Fall § 15 der Grundbuchverfügung). Spätestens jedoch beginnt der Lauf der fünfjährigen (§ 144 Abs. 1 AO) Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerbsvorgang dem zuständigen FA in einer Weise bekannt wird, daß es in die Lage versetzt ist, zu prüfen, ob ein Tatbestand des § 1 GrEStG verwirklicht worden ist (vgl. Urteil II R 20/71). Kommen die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen ihrer in § 3 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung statuierten Anzeigepflicht rechtzeitig nach, so wird das in der Regel der Ablauf des Kalenderjahres sein, in das der Erwerbsvorgang fällt.

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Im vorliegenden Fall hat der Lauf der Verjährungsfrist nur dann vor dem 1. Januar 1974 begonnen, wenn die Grundbuchberichtigung vor Ablauf des Kalenderjahres 1972 vorgenommen wurde, und ist Verjährung nur dann eingetreten, wenn die Berichtigung des Grundbuchs bereits vor Ablauf des Jahres 1968 durchgeführt wurde. Hierzu fehlt es noch an tatsächlichen Feststellungen.