Immobilien-Leasing; Full-pay-out-Leasing; Vollarmortisationsvertrag; Steuerliche Zurechnung; Zurechnung des Leasinggegenstandes

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG München

Fundstellen:

BStBl II 1984, 825

ZIP 1985, 56-58

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem Immobilien-Leasing in der Form des Full-pay-out-Leasings (sog. Vollamortisationsvertrag) ist der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer steuerlich zuzurechnen, wenn zu erwarten ist, daß nach Ablauf der Grundmietzeit das bürgerlichrechtliche Eigentum an dem Leasinggegenstand ohne Zahlung eines zusätzlichen Entgelts oder gegen Zahlung nur eines geringen Entgelts auf den Leasingnehmer übergeht.

Tatbestand:

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I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloß am 22./23. Januar 1974 mit der Immobilien-Leasing GmbH (Leasinggeber) einen Immobilien-Leasing-Vertrag. Aufgrund des Vertrages bestellte sie dem Leasinggeber auf einem ihr gehörenden Grundstück ein auf 60 Jahre befristetes Erbbaurecht gegen eine Einmalzahlung von 500 DM. Der Leasinggeber verpflichtete sich seinerseits, auf dem Grundstück der Klägerin als Bauherr eine Betriebshalle nach Wünschen der Klägerin zu errichten und sie ihr nach Fertigstellung zur Nutzung zu überlassen. Die Laufzeit des grundsätzlich unkündbaren Leasing-Vertrages wurde mit 16 Jahren ab Bezugsfertigkeit vereinbart. Der Vertrag sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, falls er nicht gekündigt wurde. Für die Zeit nach Kündigung des Leasing-Vertrages war zugunsten der Klägerin ein Entschädigungsanspruch in Höhe des Zeitwerts des Erbbaurechts vereinbart. Der Leasinggeber sollte diesen Anspruch durch Rückübertragung des Erbbaurechts erfüllen können.

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Die Klägerin hatte bzw. hat an den Leasinggeber folgendes Entgelt zu entrichten:

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1. bei Abschluß des Leasing-Vertrages eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 65 000 DM,

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2. bis zur Fertigstellung der Betriebshalle monatlich 1,22 v. H. der jeweils vom Leasinggeber aufgewandten Investitionskosten,

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3. ab Fertigstellung monatlich 1, 14 v. H. der Gesamtinvestitionskosten.

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Die Klägerin zahlte die zu 1. genannten 65 000 DM im Jahre 1974 und setzte sie als Betriebsausgaben dieses Wirtschaftsjahres an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Zahlung nach einer Außenprüfung als vorabentstandenen Aufwand für die Anmietung des Leasinggegenstandes und bildete einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten.

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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah die Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin der Betriebshalle an und behandelte die Zahlung der 65 000 DM als "Geldbeschaffungskosten", die gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i. d. F. vom 16. Mai 1969 (EStG 1969) aktiv abzugrenzen sei.

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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, unter Abänderung der Vorentscheidung und des Körperschaftsteuerbescheides 1974 die Körperschaftsteuer 1974 neu festzusetzen und dabei die Zahlung in Höhe von 65 000 DM insgesamt als Betriebsausgaben zu behandeln.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß die geleaste Betriebshalle als Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen der Klägerin zugerechnet.

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1. Die Aufnahme eines Wirtschaftsgutes in die Bilanz eines Steuerpflichtigen setzt die Zugehörigkeit des Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen voraus. Die Zurechnung richtet sich nicht notwendigerweise nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten. Vielmehr umfaßt der Vermögensbegriff die Gesamtheit der einer Person zustehenden Rechte und Güter von wirtschaftlichem Wert. Für die Bilanzierung eines Wirtschaftsgutes ist deshalb dessen wirtschaftliche Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen maßgebend, wie sie sich aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt.

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2. Für die Bilanzierung von Leasinggegenständen ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob der Leasinggegenstand nach den für Mietverträge (schwebende Geschäfte) oder nach den für Ratenkaufverträge geltenden Grundsätzen zu behandeln ist. Die Bilanzierung hängt wesentlich davon ab, ob der Leasinggegenstand wirtschaftlich gesehen dem Vermögen des Leasinggebers oder dem des Leasingnehmers zuzurechnen ist. Eine Zurechnung zum Vermögen des Leasingnehmers kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264) vor allem dann in Betracht, wenn

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a) der Leasinggegenstand speziell auf die Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei ihm sinnvolle Verwendung finden kann oder

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b) die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und die Grundmietzeit sich annähernd decken oder

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c) die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zwar erheblich länger als die Grundmietzeit ist, jedoch dem Leasingnehmer ein Recht auf Mietverlängerung oder Kauf zusteht, bei dessen Ausübung nur ein geringer Mietzins oder Kaufpreis zu entrichten ist.

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3. Von diesen Grundsätzen ist auch das FG in der Vorentscheidung ausgegangen. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Betriebshalle im wirtschaftlichen Ergebnis von der Klägerin errichtet wurde. Die Gestaltung habe deren Wünschen entsprochen. Sie habe unmittelbar mit den Bauunternehmern abgerechnet. Ihre Auslagen habe sie lediglich von dem Leasinggeber ersetzt erhalten. Die Tätigkeit des Leasinggebers habe sich in der Auszahlung der Investitionssumme erschöpft. Dessen Bauherrenstellung sei nur formaler Natur gewesen. Der Senat versteht die Vorentscheidung dahin, daß das FG aus den getroffenen Feststellungen die Annahme eines sog. Spezial-Leasing ableitet (vgl. zum Begriff: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Köln 1950/82, § 5 EStG Anm. 87). Der Senat läßt offen, ob die getroffenen Feststellungen tatsächlich diese Rechtsauffassung tragen. Die Zurechnung des Leasinggegenstandes gegenüber der Klägerin ergibt sich jedenfalls aus den Bestimmungen des Leasing-Vertrages, soweit sie die Nutzung der Betriebshalle nach Ablauf der Grundmietzeit betreffen.

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Dazu hat das FG festgestellt, daß die vereinbarte Grundmietzeit nur 16 Jahre betrug. Eine solche Zeitspanne liegt erheblich unter der üblichen Nutzungsdauer einer Betriebshalle. Die Vertragspartner haben jedoch zugunsten der Klägerin einen Entschädigungsanspruch für die Zeit nach Kündigung des Leasings-Vertrages in Höhe des Zeitwertes des Erbbaurechts vereinbart. Der Leasinggeber soll den Entschädigungsanspruch durch Übertragung des Erbbaurechts auf die Klägerin erfüllen können. Diese Vereinbarung hat das FG ohne Rechtsverstoß dahin gewürdigt, daß nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit die Klägerin die Betriebshalle auch über die Grundmietzeit hinaus nutzen möchte und auch nutzen wird. Die entsprechende Schlußfolgerung gilt vor allem deshalb, weil die Klägerin schon während der Grundmietzeit dem Leasinggeber dessen Investitionskosten in der Form von Leasingraten voll zu erstatten hatte. Gleichzeitig liegt es auf der Hand, daß der Leasinggeber seine Entschädigungsverpflichtung gegenüber der Klägerin durch Rückübertragung des Erbbaurechts erfüllen wird, weil dies für ihn wirtschaftlich am günstigsten ist. Damit zielt aber die gesamte vertragliche Gestaltung darauf ab, die Klägerin von Anfang an in eine Position zu versetzen, aufgrund derer ihr das Eigentum an der Betriebshalle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später zufallen wird. Der Vertrag war nicht auf die zeitliche Nutzungsüberlassung der Betriebshalle, sondern auf den vermögensmäßigen Erwerb derselben durch die Klägerin gerichtet. Gerade deshalb muß die Klägerin die Betriebshalle ihrem Betriebsvermögen von Anfang an zurechnen lassen.

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4. Die von der Klägerin gegen die Vorentscheidung gerichteten Revisionsrügen greifen nicht durch:

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a) Die in dem Urteil in BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264 enthaltene Unterscheidung zwischen verschiedenen Leasingformen kann nicht als abschließende Regelung dahin verstanden werden, daß jede neue Spielart des Leasings steuerlich als schwebendes Geschäft zu behandeln sei. Vielmehr muß jede typenmäßige Veränderung von den Finanzbehörden und Finanzgerichten in Anlehnung an die in dem Urteil in BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264 aufgestellten Beurteilungskriterien dahin überprüft werden, wem der Leasinggegenstand steuerlich zuzurechnen ist. Ist ein Immobilien-Leasing in der Form des Full-pay-out-Leasings (sog. Vollamortisationsvertrag) vereinbart, so wird der Leasinggegenstand regelmäßig dem Leasingnehmer zuzurechnen sein. Bei dieser Form des Immobilien-Leasings deutet die Tatsache, daß die während der Grundmietzeit zu entrichtenden Leasingraten sämtliche zur Finanzierung des Leasinggegenstandes eingesetzten Mittel vollständig amortisieren, auf den von Anfang an beabsichtigten vermögensmäßigen Erwerb durch den Leasingnehmer hin, wenn dieser den Leasinggegenstand nach Ablauf der Grundmietzeit unentgeltlich oder gegen geringes Entgelt erwerben kann und nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit auch erwerben wird.

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b) Unerheblich ist dagegen, daß die Klägerin den Leasinggeber nach bürgerlichen Rechtsgrundsätzen nicht von der Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen konnte. Auch wenn die steuerliche Zurechnung von Sachen regelmäßig mit der Formel des wirtschaftlichen Eigentums umschrieben wird, so zeigt doch die Verwendung dieser Formel, daß der wirtschaftliche Eigentümer mit dem bürgerlich-rechtlichen nicht gleichgesetzt werden darf. Einerseits setzt § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - (ähnlich: § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) nur den wirtschaftlichen Ausschluß des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache voraus. Ein solcher wirtschaftlicher Ausschluß ist aber schon gegeben, wenn aufgrund der vertraglichen Gestaltung die Substanz und der Ertrag einer Sache vollständig und auf Dauer einem anderen als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zustehen (vgl. Döllerer, Leasing - wirtschaftliches Eigentum oder Nutzungsrecht?, Betriebs-Berater - BB - 1971, 535). Auch standen nach den vom FG getroffenen Feststellungen die Chance der Wertsteigerung und das Risiko der Wertminderung bzw. des Verlustes der Betriebshalle aufgrund des Leasing-Vertrages allein und auf Dauer der Klägerin zu. Diese konnte in vollem Umfang über die Nutzung der Betriebshalle bestimmen. Damit waren ihr Substanz und Ertrag der Halle von Anfang an zuzurechnen. Andererseits erfordert die steuerliche Zurechnung eines Wirtschaftsgutes nicht dessen freie bürgerlich-rechtliche Übertragbarkeit durch den Vermögensinhaber. So gibt es im Zivilrecht zahlreiche Rechtspositionen, die nicht übertragbar sind (vgl. §§ 399, 413, 1059 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), deren Bilanzierung im Vermögen des Rechtsinhabers dennoch außer Zweifel steht.

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5. War der Leasing-Vertrag von Anfang an auf den vermögensmäßigen Erwerb der Betriebshalle durch die Klägerin von dem Leasinggeber ausgerichtet, so ist der Vertrag steuerlich als Anschaffungsgeschäft zu beurteilen. Entsprechend mußte die Klägerin alle Kosten, die sie aufwendete, um die Betriebshalle in die eigene Verfügungsmacht zu überführen, als Anschaffungskosten behandeln (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672; BFH-Urteile vom 20. Dezember 1972 I R 73/71, BFHE 108, 125, BStBl II 1973, 266, und vom 2. August 1977 VIII R 104/74, BFHE 124, 27, BStBl II 1978, 143). Demgegenüber hat das FG Herstellungskosten angenommen und als Folge seiner Auffassung die Zahlung der 65 000 DM steuerlich wie die von Geldbeschaffungskosten beurteilt. Eines Eingehens auf diese Auffassung des FG bedarf es nicht, weil die Annahme von Anschaffungskosten sich nur zum Nachteil der Klägerin auswirken kann. Die Jahresabsetzung für Abnutzung auf zusätzliche Anschaffungskosten in Höhe von 65 000 DM könnte nämlich erst ab Fertigstellung der Betriebshalle in Anspruch genommen werden. Außerdem läge sie der Höhe nach deutlich unter dem Betrag, der sich bei der Auflösung eines entsprechend hohen und auf 16 Jahre zu verteilenden aktiven Rechnungsabgrenzungspostens als Aufwand ergibt. Eine Änderung des angefochtenen Bescheides zum Nachteil der Klägerin ist aber wegen des bestehenden Verböserungsverbotes ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1973 IV R 198/68, BFHE 110, 229, BStBl II 1973, 823).